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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

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ziges Jahr, um die Freiheit zu verdienen, um zu
erkämpfen, und sich ein Vaterland zu erwerben --
und die so stolzen, herrischen Deutschen, welche
prahlen, die Freiheit sei ihre Wiege gewesen, die
auf die Juden mit solcher Verachtung herabblicken,
haben noch und wollen kein Vaterland, haben noch
und wollen keine Freiheit! Ich habe es ja immer
gesagt, und wie ich glaube, auch drucken lassen:
Türken, Spanier, Juden, sind der Freiheit viel
näher als der Deutsche. Sie sind Sklaven, sie
werden einmal ihre Ketten brechen, und dann sind
sie frei. Der Deutsche aber ist Bedienter, er könnte
frei seyn, aber er will es nicht; man könnte ihm
sagen: scheer dich zum Teufel und sei ein freier
Mann! -- er bliebe und würde sagen: Brod ist
die Hauptsache. Und will seine Treue ja einmal
wanken, man braucht ihn nur starr anzu¬
sehen
, und er rührt sich nicht! Ich habe mir vor
Vergnügen die Hände gerieben, als ich das im pol¬
nischen Briefe gelesen. Dahin müßte es noch kom¬
men, diese erhabene Lächerlichkeit fehlte noch der
deutschen Geschichte, daß einmal Juden sich an die
Spitze des deutschen Volkes stellen, wenn es für
seine Befreiung kämpft! .. Aber kennen Sie auch
die neue Dresdner Constitution? Das Meißner

ziges Jahr, um die Freiheit zu verdienen, um zu
erkämpfen, und ſich ein Vaterland zu erwerben —
und die ſo ſtolzen, herriſchen Deutſchen, welche
prahlen, die Freiheit ſei ihre Wiege geweſen, die
auf die Juden mit ſolcher Verachtung herabblicken,
haben noch und wollen kein Vaterland, haben noch
und wollen keine Freiheit! Ich habe es ja immer
geſagt, und wie ich glaube, auch drucken laſſen:
Türken, Spanier, Juden, ſind der Freiheit viel
näher als der Deutſche. Sie ſind Sklaven, ſie
werden einmal ihre Ketten brechen, und dann ſind
ſie frei. Der Deutſche aber iſt Bedienter, er könnte
frei ſeyn, aber er will es nicht; man könnte ihm
ſagen: ſcheer dich zum Teufel und ſei ein freier
Mann! — er bliebe und würde ſagen: Brod iſt
die Hauptſache. Und will ſeine Treue ja einmal
wanken, man braucht ihn nur ſtarr anzu¬
ſehen
, und er rührt ſich nicht! Ich habe mir vor
Vergnügen die Hände gerieben, als ich das im pol¬
niſchen Briefe geleſen. Dahin müßte es noch kom¬
men, dieſe erhabene Lächerlichkeit fehlte noch der
deutſchen Geſchichte, daß einmal Juden ſich an die
Spitze des deutſchen Volkes ſtellen, wenn es für
ſeine Befreiung kämpft! .. Aber kennen Sie auch
die neue Dresdner Conſtitution? Das Meißner

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[168/0182] ziges Jahr, um die Freiheit zu verdienen, um zu erkämpfen, und ſich ein Vaterland zu erwerben — und die ſo ſtolzen, herriſchen Deutſchen, welche prahlen, die Freiheit ſei ihre Wiege geweſen, die auf die Juden mit ſolcher Verachtung herabblicken, haben noch und wollen kein Vaterland, haben noch und wollen keine Freiheit! Ich habe es ja immer geſagt, und wie ich glaube, auch drucken laſſen: Türken, Spanier, Juden, ſind der Freiheit viel näher als der Deutſche. Sie ſind Sklaven, ſie werden einmal ihre Ketten brechen, und dann ſind ſie frei. Der Deutſche aber iſt Bedienter, er könnte frei ſeyn, aber er will es nicht; man könnte ihm ſagen: ſcheer dich zum Teufel und ſei ein freier Mann! — er bliebe und würde ſagen: Brod iſt die Hauptſache. Und will ſeine Treue ja einmal wanken, man braucht ihn nur ſtarr anzu¬ ſehen, und er rührt ſich nicht! Ich habe mir vor Vergnügen die Hände gerieben, als ich das im pol¬ niſchen Briefe geleſen. Dahin müßte es noch kom¬ men, dieſe erhabene Lächerlichkeit fehlte noch der deutſchen Geſchichte, daß einmal Juden ſich an die Spitze des deutſchen Volkes ſtellen, wenn es für ſeine Befreiung kämpft! .. Aber kennen Sie auch die neue Dresdner Conſtitution? Das Meißner

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/182>, abgerufen am 27.04.2024.