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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

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nicht eine Einladung bei Seiner Excellenz dem Herrn
von Münch-Bellinghausen vertauschte ich damit!

-- Die neusten und die wichtigsten politischen
Neuigkeiten erfahre ich durch Conrad, der sie vom
Restaurateur, wo er mir zuweilen das Essen holt,
mitbringt. Dort scheinen lauter politische Köche zu
seyn. Seitdem Conrad das Haus besucht, ist er so
vertraut wie Metternich mit den europäischen Ange¬
legenheiten; ja ich glaube, er weiß viel mehr. Da
er heute eine Suppe holte, sagte ihm ein Koch oder
Kellner: er würde bald zu ihm kommen und eine
deutsche Suppe mit ihm essen. Daran denkt Metter¬
nich gewiß nicht. Welch ein Unterschied aber zwi¬
schen Frankfurt und Paris! Vorigen Winter schickte
ich den Conrad Monate lang täglich in den russi¬
schen Hof, mein Essen zu holen, und nie brachte er
mir aus der Küche eine europäische Begebenheit mit
nach Hause, außer einmal die Neuigkeit, daß die
Wirthin mit Zwillingen niedergekommen. In meiner
Restauration hier gehen acht Kellner oder Köche frei¬
willig unter die Soldaten, wie sie dem Conrad
erzählt.

-- Die Sammlungen für die Polen sind jetzt
in vollem Gange, Conzerte, Bälle, Theater, Essen
zu ihrem Besten; es nimmt kein Ende. Eine be¬
rühmte Harfenspielerin aus Brüssel, eine Dilettantin,

nicht eine Einladung bei Seiner Excellenz dem Herrn
von Münch-Bellinghauſen vertauſchte ich damit!

— Die neuſten und die wichtigſten politiſchen
Neuigkeiten erfahre ich durch Conrad, der ſie vom
Reſtaurateur, wo er mir zuweilen das Eſſen holt,
mitbringt. Dort ſcheinen lauter politiſche Köche zu
ſeyn. Seitdem Conrad das Haus beſucht, iſt er ſo
vertraut wie Metternich mit den europäiſchen Ange¬
legenheiten; ja ich glaube, er weiß viel mehr. Da
er heute eine Suppe holte, ſagte ihm ein Koch oder
Kellner: er würde bald zu ihm kommen und eine
deutſche Suppe mit ihm eſſen. Daran denkt Metter¬
nich gewiß nicht. Welch ein Unterſchied aber zwi¬
ſchen Frankfurt und Paris! Vorigen Winter ſchickte
ich den Conrad Monate lang täglich in den ruſſi¬
ſchen Hof, mein Eſſen zu holen, und nie brachte er
mir aus der Küche eine europäiſche Begebenheit mit
nach Hauſe, außer einmal die Neuigkeit, daß die
Wirthin mit Zwillingen niedergekommen. In meiner
Reſtauration hier gehen acht Kellner oder Köche frei¬
willig unter die Soldaten, wie ſie dem Conrad
erzählt.

— Die Sammlungen für die Polen ſind jetzt
in vollem Gange, Conzerte, Bälle, Theater, Eſſen
zu ihrem Beſten; es nimmt kein Ende. Eine be¬
rühmte Harfenſpielerin aus Brüſſel, eine Dilettantin,

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[50/0064] nicht eine Einladung bei Seiner Excellenz dem Herrn von Münch-Bellinghauſen vertauſchte ich damit! — Die neuſten und die wichtigſten politiſchen Neuigkeiten erfahre ich durch Conrad, der ſie vom Reſtaurateur, wo er mir zuweilen das Eſſen holt, mitbringt. Dort ſcheinen lauter politiſche Köche zu ſeyn. Seitdem Conrad das Haus beſucht, iſt er ſo vertraut wie Metternich mit den europäiſchen Ange¬ legenheiten; ja ich glaube, er weiß viel mehr. Da er heute eine Suppe holte, ſagte ihm ein Koch oder Kellner: er würde bald zu ihm kommen und eine deutſche Suppe mit ihm eſſen. Daran denkt Metter¬ nich gewiß nicht. Welch ein Unterſchied aber zwi¬ ſchen Frankfurt und Paris! Vorigen Winter ſchickte ich den Conrad Monate lang täglich in den ruſſi¬ ſchen Hof, mein Eſſen zu holen, und nie brachte er mir aus der Küche eine europäiſche Begebenheit mit nach Hauſe, außer einmal die Neuigkeit, daß die Wirthin mit Zwillingen niedergekommen. In meiner Reſtauration hier gehen acht Kellner oder Köche frei¬ willig unter die Soldaten, wie ſie dem Conrad erzählt. — Die Sammlungen für die Polen ſind jetzt in vollem Gange, Conzerte, Bälle, Theater, Eſſen zu ihrem Beſten; es nimmt kein Ende. Eine be¬ rühmte Harfenſpielerin aus Brüſſel, eine Dilettantin,

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/64>, abgerufen am 02.05.2024.