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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

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"naue Revision der über die Verhältnisse der jü¬
"dischen Glaubensgenossen bestehenden Verord¬
"nungen vornehmen und den Entwurf eines auf
"Beseitigung der gegründeten Beschwerden der
"Judenschaft und die Erleichterung ihrer bisheri¬
"gen bürgerlichen Verhältnisse zielenden Gesetzes
"den Ständen des Reiches vorlegen zu lassen."
Da verliere Einer die Geduld nicht! Einer deut¬
schen Regierung Zeit zu Verbesserungen geben,
das heißt mit dem jüngsten Tage einen Vertrag
abschließen. Wozu ins Teufels Namen alle diese
Umständlichkeiten? Wenn die Juden emanzipirt
werden sollen, wozu denn noch vorher die lang¬
weilige Musterung alter Ungerechtigkeit? Soll
man denn die bürgerliche Gesellschaft wie eine
Uhr behandeln, die, wenn sie vorwärts soll, nach¬
dem sie lange stehen geblieben, jede versäumte
Viertelstunde nachschlagen muß? Darüber sterben
ganze Menschengeschlechter in Elend und Kum¬
mer. Die Vertheidiger der Juden haben in

„naue Reviſion der uͤber die Verhaͤltniſſe der juͤ¬
„diſchen Glaubensgenoſſen beſtehenden Verord¬
„nungen vornehmen und den Entwurf eines auf
„Beſeitigung der gegruͤndeten Beſchwerden der
„Judenſchaft und die Erleichterung ihrer bisheri¬
„gen buͤrgerlichen Verhaͤltniſſe zielenden Geſetzes
„den Staͤnden des Reiches vorlegen zu laſſen.“
Da verliere Einer die Geduld nicht! Einer deut¬
ſchen Regierung Zeit zu Verbeſſerungen geben,
das heißt mit dem juͤngſten Tage einen Vertrag
abſchließen. Wozu ins Teufels Namen alle dieſe
Umſtaͤndlichkeiten? Wenn die Juden emanzipirt
werden ſollen, wozu denn noch vorher die lang¬
weilige Muſterung alter Ungerechtigkeit? Soll
man denn die buͤrgerliche Geſellſchaft wie eine
Uhr behandeln, die, wenn ſie vorwaͤrts ſoll, nach¬
dem ſie lange ſtehen geblieben, jede verſaͤumte
Viertelſtunde nachſchlagen muß? Daruͤber ſterben
ganze Menſchengeſchlechter in Elend und Kum¬
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[247/0261] „naue Reviſion der uͤber die Verhaͤltniſſe der juͤ¬ „diſchen Glaubensgenoſſen beſtehenden Verord¬ „nungen vornehmen und den Entwurf eines auf „Beſeitigung der gegruͤndeten Beſchwerden der „Judenſchaft und die Erleichterung ihrer bisheri¬ „gen buͤrgerlichen Verhaͤltniſſe zielenden Geſetzes „den Staͤnden des Reiches vorlegen zu laſſen.“ Da verliere Einer die Geduld nicht! Einer deut¬ ſchen Regierung Zeit zu Verbeſſerungen geben, das heißt mit dem juͤngſten Tage einen Vertrag abſchließen. Wozu ins Teufels Namen alle dieſe Umſtaͤndlichkeiten? Wenn die Juden emanzipirt werden ſollen, wozu denn noch vorher die lang¬ weilige Muſterung alter Ungerechtigkeit? Soll man denn die buͤrgerliche Geſellſchaft wie eine Uhr behandeln, die, wenn ſie vorwaͤrts ſoll, nach¬ dem ſie lange ſtehen geblieben, jede verſaͤumte Viertelſtunde nachſchlagen muß? Daruͤber ſterben ganze Menſchengeſchlechter in Elend und Kum¬ mer. Die Vertheidiger der Juden haben in

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/261>, abgerufen am 28.04.2024.