und betrachtete mich vom Kopf bis zun Füssen. Dann redten sie etwas Heimliches mit einander; und hier stieg mir armen Bürschgen der erste Verdacht auf, die zwey Kerls möchtens nicht am Beßten mit mir meynen; und dieser Argwohn verstärkte sich, als ich deutlich die Worte vernahm: "Hier wird nichts "draus, wir müssen also weiter gehn". "Heut "setz' ich keinen Fuß mehr aus diesem Haus", sagt' ich zu mir selber; "ich hab' noch Geld"! Meine Führer giengen hinaus. Ich saß am Tische. Der Herr spatzierte das Zimmer auf und ab, und guckte mich unterweilen an. Neben mir schnarchte ein grosser Bengel auf der Bank, der wahrscheinlich im Rausch in die Hosen geschwitzt, daß es kaum zu er- leiden war. Als der Herr während der Zeit einmal aus der Stube gieng, nahm ich die Gelegenheit wahr, die Wirthsjungfer zu fragen: Wer denn wohl die- ser Bursche seyn möchte: "Ein Lumpenkerl", sagte sie: "Erst Heute hat ihn der Herr zum Bedienten "angenommen, und schon sauft sich der H *. blind- "stern voll, und macht e'n Gestanck, Puh"! -- "Ha"! sagt' ich, eben als der Herr wieder herein- trat, "so ein Bedienter könnt' ich auch werden". Dieß hört' er, wandte sich gegen mir, und sprach: "Hätt'st du zu so was Lust"? "Nachdem es ist", antwortet' ich. "Alle Tag 9. Batzen", fuhr er fort, "und Kleider, so viel du nöthig hast". "Und "was dafür thun"? versetzt' ich. Er. Mich bedie- nen. Ich. Ja! wenn ich's könnte. Er. Will dich's schon lehren. Pursch du gefällst mir. Wir
und betrachtete mich vom Kopf bis zun Fuͤſſen. Dann redten ſie etwas Heimliches mit einander; und hier ſtieg mir armen Buͤrſchgen der erſte Verdacht auf, die zwey Kerls moͤchtens nicht am Beßten mit mir meynen; und dieſer Argwohn verſtaͤrkte ſich, als ich deutlich die Worte vernahm: „Hier wird nichts „draus, wir muͤſſen alſo weiter gehn„. „Heut „ſetz’ ich keinen Fuß mehr aus dieſem Haus„, ſagt’ ich zu mir ſelber; „ich hab’ noch Geld„! Meine Fuͤhrer giengen hinaus. Ich ſaß am Tiſche. Der Herr ſpatzierte das Zimmer auf und ab, und guckte mich unterweilen an. Neben mir ſchnarchte ein groſſer Bengel auf der Bank, der wahrſcheinlich im Rauſch in die Hoſen geſchwitzt, daß es kaum zu er- leiden war. Als der Herr waͤhrend der Zeit einmal aus der Stube gieng, nahm ich die Gelegenheit wahr, die Wirthsjungfer zu fragen: Wer denn wohl die- ſer Burſche ſeyn moͤchte: „Ein Lumpenkerl„, ſagte ſie: „Erſt Heute hat ihn der Herr zum Bedienten „angenommen, und ſchon ſauft ſich der H *. blind- „ſtern voll, und macht e’n Geſtanck, Puh„! — „Ha„! ſagt’ ich, eben als der Herr wieder herein- trat, „ſo ein Bedienter koͤnnt’ ich auch werden„. Dieß hoͤrt’ er, wandte ſich gegen mir, und ſprach: „Haͤtt’ſt du zu ſo was Luſt„? „Nachdem es iſt„, antwortet’ ich. „Alle Tag 9. Batzen„, fuhr er fort, „und Kleider, ſo viel du noͤthig haſt„. „Und „was dafuͤr thun„? verſetzt’ ich. Er. Mich bedie- nen. Ich. Ja! wenn ich’s koͤnnte. Er. Will dich’s ſchon lehren. Purſch du gefaͤllſt mir. Wir
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0107"n="91"/>
und betrachtete mich vom Kopf bis zun Fuͤſſen. Dann<lb/>
redten ſie etwas Heimliches mit einander; und hier<lb/>ſtieg mir armen Buͤrſchgen der erſte Verdacht auf,<lb/>
die zwey Kerls moͤchtens nicht am Beßten mit mir<lb/>
meynen; und dieſer Argwohn verſtaͤrkte ſich, als ich<lb/>
deutlich die Worte vernahm: „Hier wird nichts<lb/>„draus, wir muͤſſen alſo weiter gehn„. „Heut<lb/>„ſetz’ ich keinen Fuß mehr aus dieſem Haus„, ſagt’<lb/>
ich zu mir ſelber; „ich hab’ noch Geld„! Meine<lb/>
Fuͤhrer giengen hinaus. Ich ſaß am Tiſche. Der<lb/>
Herr ſpatzierte das Zimmer auf und ab, und guckte<lb/>
mich unterweilen an. Neben mir ſchnarchte ein<lb/>
groſſer Bengel auf der Bank, der wahrſcheinlich im<lb/>
Rauſch in die Hoſen geſchwitzt, daß es kaum zu er-<lb/>
leiden war. Als der Herr waͤhrend der Zeit einmal<lb/>
aus der Stube gieng, nahm ich die Gelegenheit wahr,<lb/>
die Wirthsjungfer zu fragen: Wer denn wohl die-<lb/>ſer Burſche ſeyn moͤchte: „Ein Lumpenkerl„, ſagte<lb/>ſie: „Erſt Heute hat ihn der Herr zum Bedienten<lb/>„angenommen, und ſchon ſauft ſich der H *. blind-<lb/>„ſtern voll, und macht e’n Geſtanck, Puh„! —<lb/>„Ha„! ſagt’ ich, eben als der Herr wieder herein-<lb/>
trat, „ſo ein Bedienter koͤnnt’ ich auch werden„.<lb/>
Dieß hoͤrt’ er, wandte ſich gegen mir, und ſprach:<lb/>„Haͤtt’ſt du zu ſo was Luſt„? „Nachdem es iſt„,<lb/>
antwortet’ ich. „Alle Tag 9. Batzen„, fuhr er<lb/>
fort, „und Kleider, ſo viel du noͤthig haſt„. „Und<lb/>„was dafuͤr thun„? verſetzt’ ich. <hirendition="#fr">Er</hi>. Mich bedie-<lb/>
nen. Ich. Ja! wenn ich’s koͤnnte. <hirendition="#fr">Er</hi>. Will<lb/>
dich’s ſchon lehren. Purſch du gefaͤllſt mir. Wir<lb/></p></div></body></text></TEI>
[91/0107]
und betrachtete mich vom Kopf bis zun Fuͤſſen. Dann
redten ſie etwas Heimliches mit einander; und hier
ſtieg mir armen Buͤrſchgen der erſte Verdacht auf,
die zwey Kerls moͤchtens nicht am Beßten mit mir
meynen; und dieſer Argwohn verſtaͤrkte ſich, als ich
deutlich die Worte vernahm: „Hier wird nichts
„draus, wir muͤſſen alſo weiter gehn„. „Heut
„ſetz’ ich keinen Fuß mehr aus dieſem Haus„, ſagt’
ich zu mir ſelber; „ich hab’ noch Geld„! Meine
Fuͤhrer giengen hinaus. Ich ſaß am Tiſche. Der
Herr ſpatzierte das Zimmer auf und ab, und guckte
mich unterweilen an. Neben mir ſchnarchte ein
groſſer Bengel auf der Bank, der wahrſcheinlich im
Rauſch in die Hoſen geſchwitzt, daß es kaum zu er-
leiden war. Als der Herr waͤhrend der Zeit einmal
aus der Stube gieng, nahm ich die Gelegenheit wahr,
die Wirthsjungfer zu fragen: Wer denn wohl die-
ſer Burſche ſeyn moͤchte: „Ein Lumpenkerl„, ſagte
ſie: „Erſt Heute hat ihn der Herr zum Bedienten
„angenommen, und ſchon ſauft ſich der H *. blind-
„ſtern voll, und macht e’n Geſtanck, Puh„! —
„Ha„! ſagt’ ich, eben als der Herr wieder herein-
trat, „ſo ein Bedienter koͤnnt’ ich auch werden„.
Dieß hoͤrt’ er, wandte ſich gegen mir, und ſprach:
„Haͤtt’ſt du zu ſo was Luſt„? „Nachdem es iſt„,
antwortet’ ich. „Alle Tag 9. Batzen„, fuhr er
fort, „und Kleider, ſo viel du noͤthig haſt„. „Und
„was dafuͤr thun„? verſetzt’ ich. Er. Mich bedie-
nen. Ich. Ja! wenn ich’s koͤnnte. Er. Will
dich’s ſchon lehren. Purſch du gefaͤllſt mir. Wir
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/107>, abgerufen am 27.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.