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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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Die Bursch' in der Stube schmeckten den Braten;
ein Paar von ihnen kamen ihm auf dem Fuß nach --
und Husch! mit Fäusten über mich her. Dem Wirth
hatt' ich's zu dauken, daß sie mich nicht fast zutod-
geschlagen. Der Apollossohn hatte mir zwar ins
Ohr geraunt: Sie wollten bald aufwarten. Jetzt
aber zweifelt' ich, ob er mir Wort halten könnte?
Dennoch war ich Tropfs genug, sobald ich nach Haus
kam, mit den Worten in's Zimmer zu treten: "Ihr
"Gnaden! innert einer Viertelstund' werden sie da
"seyn"! -- Die Furcht vor neuen Prügeln, eh'
noch die alten versaust hätten, verführten mich zu
diesem Wagestück. Aber nun stand ich vollends Höllen-
angst aus, bis ich wußte, ob ich nicht aus Uebel
Aerger gemacht? Mittlerweile erzählt' ich Markoni,
was ich seinetwegen gelitten -- um per Avanzo sein
Mitleid rege zu machen, wenn der Guß fehlen sollte.
Die tausendslieben Leuthe kamen, eh' wir's uns ver-
sahen. Unser Wirth hatte inzwischen etliche lustige
Brüder und ein Paar Jungfern rufen lassen. Jetzt
kommandirte Markoni Essen und Trinken, was
Küche und Keller vermochten, warf den Musikanten
zum voraus einen Dukaten hin, und tanzte einen
Menuet und einen Pohlnischen. Bald aber fieng
er auf seinem Stuhl an zu schnarchen; dann er-
wacht' er wieder, und rief: "Ollrich! mir ist's
"so hundsf**"! -- Ich mußt' ihn also zu Bett'
bringen. Im Augenblick schlief er ein wie ein Stock.
Das war uns übrigen recht gekocht. Wir machten
uns lustig wie die Vögel im Hanfe -- alles so durch-

Die Burſch’ in der Stube ſchmeckten den Braten;
ein Paar von ihnen kamen ihm auf dem Fuß nach —
und Huſch! mit Faͤuſten uͤber mich her. Dem Wirth
hatt’ ich’s zu dauken, daß ſie mich nicht faſt zutod-
geſchlagen. Der Apollosſohn hatte mir zwar ins
Ohr geraunt: Sie wollten bald aufwarten. Jetzt
aber zweifelt’ ich, ob er mir Wort halten koͤnnte?
Dennoch war ich Tropfs genug, ſobald ich nach Haus
kam, mit den Worten in’s Zimmer zu treten: „Ihr
„Gnaden! innert einer Viertelſtund’ werden ſie da
„ſeyn„! — Die Furcht vor neuen Pruͤgeln, eh’
noch die alten verſaust haͤtten, verfuͤhrten mich zu
dieſem Wageſtuͤck. Aber nun ſtand ich vollends Hoͤllen-
angſt aus, bis ich wußte, ob ich nicht aus Uebel
Aerger gemacht? Mittlerweile erzaͤhlt’ ich Markoni,
was ich ſeinetwegen gelitten — um per Avanzo ſein
Mitleid rege zu machen, wenn der Guß fehlen ſollte.
Die tauſendslieben Leuthe kamen, eh’ wir’s uns ver-
ſahen. Unſer Wirth hatte inzwiſchen etliche luſtige
Bruͤder und ein Paar Jungfern rufen laſſen. Jetzt
kommandirte Markoni Eſſen und Trinken, was
Kuͤche und Keller vermochten, warf den Muſikanten
zum voraus einen Dukaten hin, und tanzte einen
Menuet und einen Pohlniſchen. Bald aber fieng
er auf ſeinem Stuhl an zu ſchnarchen; dann er-
wacht’ er wieder, und rief: „Ollrich! mir iſt’s
„ſo hundsf**„! — Ich mußt’ ihn alſo zu Bett’
bringen. Im Augenblick ſchlief er ein wie ein Stock.
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uns luſtig wie die Voͤgel im Hanfe — alles ſo durch-

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[109/0125] Die Burſch’ in der Stube ſchmeckten den Braten; ein Paar von ihnen kamen ihm auf dem Fuß nach — und Huſch! mit Faͤuſten uͤber mich her. Dem Wirth hatt’ ich’s zu dauken, daß ſie mich nicht faſt zutod- geſchlagen. Der Apollosſohn hatte mir zwar ins Ohr geraunt: Sie wollten bald aufwarten. Jetzt aber zweifelt’ ich, ob er mir Wort halten koͤnnte? Dennoch war ich Tropfs genug, ſobald ich nach Haus kam, mit den Worten in’s Zimmer zu treten: „Ihr „Gnaden! innert einer Viertelſtund’ werden ſie da „ſeyn„! — Die Furcht vor neuen Pruͤgeln, eh’ noch die alten verſaust haͤtten, verfuͤhrten mich zu dieſem Wageſtuͤck. Aber nun ſtand ich vollends Hoͤllen- angſt aus, bis ich wußte, ob ich nicht aus Uebel Aerger gemacht? Mittlerweile erzaͤhlt’ ich Markoni, was ich ſeinetwegen gelitten — um per Avanzo ſein Mitleid rege zu machen, wenn der Guß fehlen ſollte. Die tauſendslieben Leuthe kamen, eh’ wir’s uns ver- ſahen. Unſer Wirth hatte inzwiſchen etliche luſtige Bruͤder und ein Paar Jungfern rufen laſſen. Jetzt kommandirte Markoni Eſſen und Trinken, was Kuͤche und Keller vermochten, warf den Muſikanten zum voraus einen Dukaten hin, und tanzte einen Menuet und einen Pohlniſchen. Bald aber fieng er auf ſeinem Stuhl an zu ſchnarchen; dann er- wacht’ er wieder, und rief: „Ollrich! mir iſt’s „ſo hundsf**„! — Ich mußt’ ihn alſo zu Bett’ bringen. Im Augenblick ſchlief er ein wie ein Stock. Das war uns uͤbrigen recht gekocht. Wir machten uns luſtig wie die Voͤgel im Hanfe — alles ſo durch-

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/125>, abgerufen am 26.04.2024.