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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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und tiefsten Stande kömmt daher, weil die sehr hohen Barometer-
stände nicht so schnell vorübergehend sind, als die sehr tiefen Baro-
meterstände. Auch das ist sehr merkwürdig, daß der mittlere Luft-
druck an der Oberfläche des Meeres nicht überall gleich ist. Kru-
senstern
führt eine Gegend an der Küste des südlichen America
an, wo er immer niedrigen Barometerstand fand; aber noch sicherer
begründet ist Thorstensen's Behauptung, daß in Island die
mittlere Barometerhöhe wenigstens 3 Linien niedriger ist, als an
den Küsten Deutschlands, Frankreichs u. s. w. -- Ein Umstand,
den man aus den über das Atlantische Meer von Süden nach
Norden gehenden Luftströmungen vielleicht erklären kann, über
dessen wahre Ursache aber doch immer noch viele Unsicherheit übrig
bleibt.

Zu diesen meteorologischen Beobachtungen, bei denen ich fürch-
ten müßte zu lange zu verweilen, wenn ich nicht darauf rechnen
dürfte, daß sie zu den anziehendsten Anwendungen der Lehren, wo-
mit wir uns hier eigentlich beschäftigen, gehören, füge ich nur noch
eine kurze Bemerkung über den Einfluß der Winde auf das Höhen-
messen mit dem Barometer. Wenn die beiden Orte, wo man be-
obachtet, mehrere Meilen von einander entfernt liegen, so kann man
annehmen, daß das Barometer an dem Orte, wo der Wind her-
kömmt, etwas zu hoch steht, in Vergleichung gegen den andern.
Ist daher der höher liegende Ort zugleich der, von welchem der
Wind herkömmt, so findet man seine Höhe aus der Berechnung
des Barometers etwas zu geringe; liegt der höhere Ort da, wo der
Wind hin geht, so findet man den berechneten Höhen-Unterschied
größer, als er wirklich ist. Eine Berechnung von beinahe 400 auf
dem Gotthard, in Genf und in Padua angestellten Beobachtungen
hat mir gezeigt, daß die Höhe des Gotthard bei Nordwestwind
88 Fuß zu groß über Genf, und 48 Fuß zu klein über Padua ge-
funden ward, und daß bei stürmischen Nordwestwinden der mittlere
Unterschied sogar dort 98, hier 74 Fuß betrug; bei Südost-Süd-
und Südwestwinden ward dagegen jene Höhe etwa 10 Fuß zu klein,
diese 17 Fuß zu groß gefunden*).


*) Beiträge zur Witterungskunde. S. 229.

und tiefſten Stande koͤmmt daher, weil die ſehr hohen Barometer-
ſtaͤnde nicht ſo ſchnell voruͤbergehend ſind, als die ſehr tiefen Baro-
meterſtaͤnde. Auch das iſt ſehr merkwuͤrdig, daß der mittlere Luft-
druck an der Oberflaͤche des Meeres nicht uͤberall gleich iſt. Kru-
ſenſtern
fuͤhrt eine Gegend an der Kuͤſte des ſuͤdlichen America
an, wo er immer niedrigen Barometerſtand fand; aber noch ſicherer
begruͤndet iſt Thorſtenſen's Behauptung, daß in Island die
mittlere Barometerhoͤhe wenigſtens 3 Linien niedriger iſt, als an
den Kuͤſten Deutſchlands, Frankreichs u. ſ. w. — Ein Umſtand,
den man aus den uͤber das Atlantiſche Meer von Suͤden nach
Norden gehenden Luftſtroͤmungen vielleicht erklaͤren kann, uͤber
deſſen wahre Urſache aber doch immer noch viele Unſicherheit uͤbrig
bleibt.

Zu dieſen meteorologiſchen Beobachtungen, bei denen ich fuͤrch-
ten muͤßte zu lange zu verweilen, wenn ich nicht darauf rechnen
duͤrfte, daß ſie zu den anziehendſten Anwendungen der Lehren, wo-
mit wir uns hier eigentlich beſchaͤftigen, gehoͤren, fuͤge ich nur noch
eine kurze Bemerkung uͤber den Einfluß der Winde auf das Hoͤhen-
meſſen mit dem Barometer. Wenn die beiden Orte, wo man be-
obachtet, mehrere Meilen von einander entfernt liegen, ſo kann man
annehmen, daß das Barometer an dem Orte, wo der Wind her-
koͤmmt, etwas zu hoch ſteht, in Vergleichung gegen den andern.
Iſt daher der hoͤher liegende Ort zugleich der, von welchem der
Wind herkoͤmmt, ſo findet man ſeine Hoͤhe aus der Berechnung
des Barometers etwas zu geringe; liegt der hoͤhere Ort da, wo der
Wind hin geht, ſo findet man den berechneten Hoͤhen-Unterſchied
groͤßer, als er wirklich iſt. Eine Berechnung von beinahe 400 auf
dem Gotthard, in Genf und in Padua angeſtellten Beobachtungen
hat mir gezeigt, daß die Hoͤhe des Gotthard bei Nordweſtwind
88 Fuß zu groß uͤber Genf, und 48 Fuß zu klein uͤber Padua ge-
funden ward, und daß bei ſtuͤrmiſchen Nordweſtwinden der mittlere
Unterſchied ſogar dort 98, hier 74 Fuß betrug; bei Suͤdoſt-Suͤd-
und Suͤdweſtwinden ward dagegen jene Hoͤhe etwa 10 Fuß zu klein,
dieſe 17 Fuß zu groß gefunden*).


*) Beitraͤge zur Witterungskunde. S. 229.
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[231/0253] und tiefſten Stande koͤmmt daher, weil die ſehr hohen Barometer- ſtaͤnde nicht ſo ſchnell voruͤbergehend ſind, als die ſehr tiefen Baro- meterſtaͤnde. Auch das iſt ſehr merkwuͤrdig, daß der mittlere Luft- druck an der Oberflaͤche des Meeres nicht uͤberall gleich iſt. Kru- ſenſtern fuͤhrt eine Gegend an der Kuͤſte des ſuͤdlichen America an, wo er immer niedrigen Barometerſtand fand; aber noch ſicherer begruͤndet iſt Thorſtenſen's Behauptung, daß in Island die mittlere Barometerhoͤhe wenigſtens 3 Linien niedriger iſt, als an den Kuͤſten Deutſchlands, Frankreichs u. ſ. w. — Ein Umſtand, den man aus den uͤber das Atlantiſche Meer von Suͤden nach Norden gehenden Luftſtroͤmungen vielleicht erklaͤren kann, uͤber deſſen wahre Urſache aber doch immer noch viele Unſicherheit uͤbrig bleibt. Zu dieſen meteorologiſchen Beobachtungen, bei denen ich fuͤrch- ten muͤßte zu lange zu verweilen, wenn ich nicht darauf rechnen duͤrfte, daß ſie zu den anziehendſten Anwendungen der Lehren, wo- mit wir uns hier eigentlich beſchaͤftigen, gehoͤren, fuͤge ich nur noch eine kurze Bemerkung uͤber den Einfluß der Winde auf das Hoͤhen- meſſen mit dem Barometer. Wenn die beiden Orte, wo man be- obachtet, mehrere Meilen von einander entfernt liegen, ſo kann man annehmen, daß das Barometer an dem Orte, wo der Wind her- koͤmmt, etwas zu hoch ſteht, in Vergleichung gegen den andern. Iſt daher der hoͤher liegende Ort zugleich der, von welchem der Wind herkoͤmmt, ſo findet man ſeine Hoͤhe aus der Berechnung des Barometers etwas zu geringe; liegt der hoͤhere Ort da, wo der Wind hin geht, ſo findet man den berechneten Hoͤhen-Unterſchied groͤßer, als er wirklich iſt. Eine Berechnung von beinahe 400 auf dem Gotthard, in Genf und in Padua angeſtellten Beobachtungen hat mir gezeigt, daß die Hoͤhe des Gotthard bei Nordweſtwind 88 Fuß zu groß uͤber Genf, und 48 Fuß zu klein uͤber Padua ge- funden ward, und daß bei ſtuͤrmiſchen Nordweſtwinden der mittlere Unterſchied ſogar dort 98, hier 74 Fuß betrug; bei Suͤdoſt-Suͤd- und Suͤdweſtwinden ward dagegen jene Hoͤhe etwa 10 Fuß zu klein, dieſe 17 Fuß zu groß gefunden *). *) Beitraͤge zur Witterungskunde. S. 229.

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/253>, abgerufen am 28.04.2024.