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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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Beschaffenheit des Körpers ab, indem bekanntlich bei gleich langen
und gleich dicken Stäben doch nach Verschiedenheit der Materie eine
sehr ungleiche Kraft erfordert wird, um sie bis zu einem bestimmten
Grade zu krümmen; mit eben der Kraft aber, welche hierzu erfor-
derlich ist, strebt auch der Stab zu seiner natürlichen Lage zurück.
Diese Kraft der Elasticität kömmt hier genau so wie bei den Saiten
in Betrachtung, so daß ein Stab, der, bei gleicher Länge, gleicher
Dicke und gleicher Masse oder gleichem Gewichte, viermal so viel
Elasticität als ein zweiter besitzt, seine Schwingungen doppelt so
schnell vollendet.

In Rücksicht auf die Länge und Dicke der Stäbe gelten hier
ganz andre Regeln, als für Saiten. Zuerst nämlich erhellt leicht,
daß ein breiterer Stab fast ganz so, wie ein sonst gleicher, aber
schmälerer schwingen muß; denn wenn man zum Beispiel einen
Stab von 1 Zoll breit nach der auf diese Breite senkrechten Richtung
von seiner natürlichen Lage entfernt, und eben das bei einem 2 Zoll
breiten Stabe thut, so ist zwar bei dem doppelt so breiten Stabe die
Masse verdoppelt, aber auch die elastische Kraft, und beide werden
gleichzeitig schwingen. Dagegen kömmt hier auf die Dicke, nämlich
auf die Abmessung, in deren Richtung die Biegung erfolgt, viel an.
Ist der eine Stab doppelt so dick als der andre, so ist zwar die Masse
verdoppelt, die Kraft der Elasticität ist aber in stärkerem Verhält-
nisse vermehrt, und deshalb werden hier die Schwingungen schneller
bei dicken Stäben, als bei dünneren *), doppelt so schnell bei dop-
pelter Dicke u.s.w.

Ist bei zwei Stäben sonst alles gleich, aber die Länge ungleich,
so sind die Schwingungen langsamer bei längeren Stäben, und zwar
so, daß die Zeit einer Schwingung bei dem doppelt so langen Stabe
viermal so lang, bei dem dreimal so langen Stabe neunmal so lang
ist, u. s. w. Die theoretische Ableitung dieser Regeln kann ich hier
nicht unternehmen.


*) Man nimmt an, daß die elastische Kraft, wie der Cubus der
Dicke wächst, also der doppelt so dicke Stab 8mal so viel Elasticität,
dabei nur 2mal so viel Masse, also 4fache beschleunigende Kraft besitzt,
daher kommt die Regel, daß die Schwingungen doppelt so schnell sind,
bei doppelter Dicke, und überhaupt die Anzahl der Schwingungen den
Dicken proportional. Eptelwein's Stat. II.. 279.
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Beſchaffenheit des Koͤrpers ab, indem bekanntlich bei gleich langen
und gleich dicken Staͤben doch nach Verſchiedenheit der Materie eine
ſehr ungleiche Kraft erfordert wird, um ſie bis zu einem beſtimmten
Grade zu kruͤmmen; mit eben der Kraft aber, welche hierzu erfor-
derlich iſt, ſtrebt auch der Stab zu ſeiner natuͤrlichen Lage zuruͤck.
Dieſe Kraft der Elaſticitaͤt koͤmmt hier genau ſo wie bei den Saiten
in Betrachtung, ſo daß ein Stab, der, bei gleicher Laͤnge, gleicher
Dicke und gleicher Maſſe oder gleichem Gewichte, viermal ſo viel
Elaſticitaͤt als ein zweiter beſitzt, ſeine Schwingungen doppelt ſo
ſchnell vollendet.

In Ruͤckſicht auf die Laͤnge und Dicke der Staͤbe gelten hier
ganz andre Regeln, als fuͤr Saiten. Zuerſt naͤmlich erhellt leicht,
daß ein breiterer Stab faſt ganz ſo, wie ein ſonſt gleicher, aber
ſchmaͤlerer ſchwingen muß; denn wenn man zum Beiſpiel einen
Stab von 1 Zoll breit nach der auf dieſe Breite ſenkrechten Richtung
von ſeiner natuͤrlichen Lage entfernt, und eben das bei einem 2 Zoll
breiten Stabe thut, ſo iſt zwar bei dem doppelt ſo breiten Stabe die
Maſſe verdoppelt, aber auch die elaſtiſche Kraft, und beide werden
gleichzeitig ſchwingen. Dagegen koͤmmt hier auf die Dicke, naͤmlich
auf die Abmeſſung, in deren Richtung die Biegung erfolgt, viel an.
Iſt der eine Stab doppelt ſo dick als der andre, ſo iſt zwar die Maſſe
verdoppelt, die Kraft der Elaſticitaͤt iſt aber in ſtaͤrkerem Verhaͤlt-
niſſe vermehrt, und deshalb werden hier die Schwingungen ſchneller
bei dicken Staͤben, als bei duͤnneren *), doppelt ſo ſchnell bei dop-
pelter Dicke u.ſ.w.

Iſt bei zwei Staͤben ſonſt alles gleich, aber die Laͤnge ungleich,
ſo ſind die Schwingungen langſamer bei laͤngeren Staͤben, und zwar
ſo, daß die Zeit einer Schwingung bei dem doppelt ſo langen Stabe
viermal ſo lang, bei dem dreimal ſo langen Stabe neunmal ſo lang
iſt, u. ſ. w. Die theoretiſche Ableitung dieſer Regeln kann ich hier
nicht unternehmen.


*) Man nimmt an, daß die elaſtiſche Kraft, wie der Cubus der
Dicke waͤchſt, alſo der doppelt ſo dicke Stab 8mal ſo viel Elaſticitaͤt,
dabei nur 2mal ſo viel Maſſe, alſo 4fache beſchleunigende Kraft beſitzt,
daher kommt die Regel, daß die Schwingungen doppelt ſo ſchnell ſind,
bei doppelter Dicke, und uͤberhaupt die Anzahl der Schwingungen den
Dicken proportional. Eptelwein's Stat. II.. 279.
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[291/0313] Beſchaffenheit des Koͤrpers ab, indem bekanntlich bei gleich langen und gleich dicken Staͤben doch nach Verſchiedenheit der Materie eine ſehr ungleiche Kraft erfordert wird, um ſie bis zu einem beſtimmten Grade zu kruͤmmen; mit eben der Kraft aber, welche hierzu erfor- derlich iſt, ſtrebt auch der Stab zu ſeiner natuͤrlichen Lage zuruͤck. Dieſe Kraft der Elaſticitaͤt koͤmmt hier genau ſo wie bei den Saiten in Betrachtung, ſo daß ein Stab, der, bei gleicher Laͤnge, gleicher Dicke und gleicher Maſſe oder gleichem Gewichte, viermal ſo viel Elaſticitaͤt als ein zweiter beſitzt, ſeine Schwingungen doppelt ſo ſchnell vollendet. In Ruͤckſicht auf die Laͤnge und Dicke der Staͤbe gelten hier ganz andre Regeln, als fuͤr Saiten. Zuerſt naͤmlich erhellt leicht, daß ein breiterer Stab faſt ganz ſo, wie ein ſonſt gleicher, aber ſchmaͤlerer ſchwingen muß; denn wenn man zum Beiſpiel einen Stab von 1 Zoll breit nach der auf dieſe Breite ſenkrechten Richtung von ſeiner natuͤrlichen Lage entfernt, und eben das bei einem 2 Zoll breiten Stabe thut, ſo iſt zwar bei dem doppelt ſo breiten Stabe die Maſſe verdoppelt, aber auch die elaſtiſche Kraft, und beide werden gleichzeitig ſchwingen. Dagegen koͤmmt hier auf die Dicke, naͤmlich auf die Abmeſſung, in deren Richtung die Biegung erfolgt, viel an. Iſt der eine Stab doppelt ſo dick als der andre, ſo iſt zwar die Maſſe verdoppelt, die Kraft der Elaſticitaͤt iſt aber in ſtaͤrkerem Verhaͤlt- niſſe vermehrt, und deshalb werden hier die Schwingungen ſchneller bei dicken Staͤben, als bei duͤnneren *), doppelt ſo ſchnell bei dop- pelter Dicke u.ſ.w. Iſt bei zwei Staͤben ſonſt alles gleich, aber die Laͤnge ungleich, ſo ſind die Schwingungen langſamer bei laͤngeren Staͤben, und zwar ſo, daß die Zeit einer Schwingung bei dem doppelt ſo langen Stabe viermal ſo lang, bei dem dreimal ſo langen Stabe neunmal ſo lang iſt, u. ſ. w. Die theoretiſche Ableitung dieſer Regeln kann ich hier nicht unternehmen. *) Man nimmt an, daß die elaſtiſche Kraft, wie der Cubus der Dicke waͤchſt, alſo der doppelt ſo dicke Stab 8mal ſo viel Elaſticitaͤt, dabei nur 2mal ſo viel Maſſe, alſo 4fache beſchleunigende Kraft beſitzt, daher kommt die Regel, daß die Schwingungen doppelt ſo ſchnell ſind, bei doppelter Dicke, und uͤberhaupt die Anzahl der Schwingungen den Dicken proportional. Eptelwein's Stat. II.. 279. F2

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/313>, abgerufen am 29.04.2024.