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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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Stab, treibt indem er in seine ursprüngliche Lage zurückkehrt, den
Pfeil mit großer Geschwindigkeit fort; die Ballisten und Catapulten
der Alten, mit welchen Lasten von mehr als 100 Pfund geworfen
wurden, erhielten die große Gewalt, mit welcher sie diese auf
3000 Fuß weit sollen fortgeschleudert haben, durch die Elasticität
stark gedrehter Seile, die man plötzlich frei ließ, und deren mäch-
tige Kraft beim Zurückkehren in ihre ungedrehte Lage jene Lasten
in Bewegung setzte. Daß selbst die spröden Körper, zum Beispiel
Glas, elastisch sind, zeigt sich in dem Klange, den sie hervorzu-
bringen im Stande sind; aber spröde Körper verstatten nur geringe
Aenderungen der Gestalt, und nehmen die vorige Gestalt in schnell
auf einander folgenden Oscillationen, die uns im Klange hörbar
werden, wieder an.

Sehr merkwürdig ist es, daß wir bei manchen Körpern die
Mittel besitzen, um ihnen die eine oder die andre dieser Eigen-
schaften zu ertheilen. Daß man die Sprödigkeit des Glases in
hohem Grade verstärken kann, wenn man es schnell abkühlt, habe
ich schon erwähnt. Etwas Aehnliches, aber viel größere Unterschiede
bewirkend, findet bei der Bereitung des Stahles statt, welcher
seine große Härte und Sprödigkeit durch schnelles Abkühlen nach
dem Glühen erlangt, und den man wieder dieser Eigenschaften be-
raubt, indem man ihn nach abermaligem Glühen nicht so plötzlich
abkühlt. Die verschiedene Behandlung des Eisens, wobei theils
seine Bestandtheile, indem es Kohle aufnimmt, in einem doch nur
geringen Grade, geändert werden, theils bloß eine Einwirkung
auf die innere Anordnung seiner Theile statt findet, giebt ihm viele
Verschiedenheiten seiner Eigenschaften, indem es in einem Zustande
spröde und daher nicht hämmerbar, im andern geschmeidig, in
einem andern hart und elastisch und so weiter ist. Fortin hat
durch Versuche gezeigt, daß der schnell abgekühlte oder gehärtete
Stahl ein größeres Volumen behält, als ohne Härtung. Man
nimmt genau abgedrehte cylindrische Stücke ungehärteten Stahls,
die genau in einen hohlen Cylinder von Stahl passen; wenn man
nun jene allein, getrennt von dem hohlen Cylinder härtet, so gehen
sie nach dem Abkühlen nicht mehr in jene Höhlung, sondern haben
ein zu großes Volumen behalten. Ist der hohle Cylinder aus einer
andern Materie, die nicht der Veränderung fähig ist, wie der

Stab, treibt indem er in ſeine urſpruͤngliche Lage zuruͤckkehrt, den
Pfeil mit großer Geſchwindigkeit fort; die Balliſten und Catapulten
der Alten, mit welchen Laſten von mehr als 100 Pfund geworfen
wurden, erhielten die große Gewalt, mit welcher ſie dieſe auf
3000 Fuß weit ſollen fortgeſchleudert haben, durch die Elaſticitaͤt
ſtark gedrehter Seile, die man ploͤtzlich frei ließ, und deren maͤch-
tige Kraft beim Zuruͤckkehren in ihre ungedrehte Lage jene Laſten
in Bewegung ſetzte. Daß ſelbſt die ſproͤden Koͤrper, zum Beiſpiel
Glas, elaſtiſch ſind, zeigt ſich in dem Klange, den ſie hervorzu-
bringen im Stande ſind; aber ſproͤde Koͤrper verſtatten nur geringe
Aenderungen der Geſtalt, und nehmen die vorige Geſtalt in ſchnell
auf einander folgenden Oſcillationen, die uns im Klange hoͤrbar
werden, wieder an.

Sehr merkwuͤrdig iſt es, daß wir bei manchen Koͤrpern die
Mittel beſitzen, um ihnen die eine oder die andre dieſer Eigen-
ſchaften zu ertheilen. Daß man die Sproͤdigkeit des Glaſes in
hohem Grade verſtaͤrken kann, wenn man es ſchnell abkuͤhlt, habe
ich ſchon erwaͤhnt. Etwas Aehnliches, aber viel groͤßere Unterſchiede
bewirkend, findet bei der Bereitung des Stahles ſtatt, welcher
ſeine große Haͤrte und Sproͤdigkeit durch ſchnelles Abkuͤhlen nach
dem Gluͤhen erlangt, und den man wieder dieſer Eigenſchaften be-
raubt, indem man ihn nach abermaligem Gluͤhen nicht ſo ploͤtzlich
abkuͤhlt. Die verſchiedene Behandlung des Eiſens, wobei theils
ſeine Beſtandtheile, indem es Kohle aufnimmt, in einem doch nur
geringen Grade, geaͤndert werden, theils bloß eine Einwirkung
auf die innere Anordnung ſeiner Theile ſtatt findet, giebt ihm viele
Verſchiedenheiten ſeiner Eigenſchaften, indem es in einem Zuſtande
ſproͤde und daher nicht haͤmmerbar, im andern geſchmeidig, in
einem andern hart und elaſtiſch und ſo weiter iſt. Fortin hat
durch Verſuche gezeigt, daß der ſchnell abgekuͤhlte oder gehaͤrtete
Stahl ein groͤßeres Volumen behaͤlt, als ohne Haͤrtung. Man
nimmt genau abgedrehte cylindriſche Stuͤcke ungehaͤrteten Stahls,
die genau in einen hohlen Cylinder von Stahl paſſen; wenn man
nun jene allein, getrennt von dem hohlen Cylinder haͤrtet, ſo gehen
ſie nach dem Abkuͤhlen nicht mehr in jene Hoͤhlung, ſondern haben
ein zu großes Volumen behalten. Iſt der hohle Cylinder aus einer
andern Materie, die nicht der Veraͤnderung faͤhig iſt, wie der

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[24/0046] Stab, treibt indem er in ſeine urſpruͤngliche Lage zuruͤckkehrt, den Pfeil mit großer Geſchwindigkeit fort; die Balliſten und Catapulten der Alten, mit welchen Laſten von mehr als 100 Pfund geworfen wurden, erhielten die große Gewalt, mit welcher ſie dieſe auf 3000 Fuß weit ſollen fortgeſchleudert haben, durch die Elaſticitaͤt ſtark gedrehter Seile, die man ploͤtzlich frei ließ, und deren maͤch- tige Kraft beim Zuruͤckkehren in ihre ungedrehte Lage jene Laſten in Bewegung ſetzte. Daß ſelbſt die ſproͤden Koͤrper, zum Beiſpiel Glas, elaſtiſch ſind, zeigt ſich in dem Klange, den ſie hervorzu- bringen im Stande ſind; aber ſproͤde Koͤrper verſtatten nur geringe Aenderungen der Geſtalt, und nehmen die vorige Geſtalt in ſchnell auf einander folgenden Oſcillationen, die uns im Klange hoͤrbar werden, wieder an. Sehr merkwuͤrdig iſt es, daß wir bei manchen Koͤrpern die Mittel beſitzen, um ihnen die eine oder die andre dieſer Eigen- ſchaften zu ertheilen. Daß man die Sproͤdigkeit des Glaſes in hohem Grade verſtaͤrken kann, wenn man es ſchnell abkuͤhlt, habe ich ſchon erwaͤhnt. Etwas Aehnliches, aber viel groͤßere Unterſchiede bewirkend, findet bei der Bereitung des Stahles ſtatt, welcher ſeine große Haͤrte und Sproͤdigkeit durch ſchnelles Abkuͤhlen nach dem Gluͤhen erlangt, und den man wieder dieſer Eigenſchaften be- raubt, indem man ihn nach abermaligem Gluͤhen nicht ſo ploͤtzlich abkuͤhlt. Die verſchiedene Behandlung des Eiſens, wobei theils ſeine Beſtandtheile, indem es Kohle aufnimmt, in einem doch nur geringen Grade, geaͤndert werden, theils bloß eine Einwirkung auf die innere Anordnung ſeiner Theile ſtatt findet, giebt ihm viele Verſchiedenheiten ſeiner Eigenſchaften, indem es in einem Zuſtande ſproͤde und daher nicht haͤmmerbar, im andern geſchmeidig, in einem andern hart und elaſtiſch und ſo weiter iſt. Fortin hat durch Verſuche gezeigt, daß der ſchnell abgekuͤhlte oder gehaͤrtete Stahl ein groͤßeres Volumen behaͤlt, als ohne Haͤrtung. Man nimmt genau abgedrehte cylindriſche Stuͤcke ungehaͤrteten Stahls, die genau in einen hohlen Cylinder von Stahl paſſen; wenn man nun jene allein, getrennt von dem hohlen Cylinder haͤrtet, ſo gehen ſie nach dem Abkuͤhlen nicht mehr in jene Hoͤhlung, ſondern haben ein zu großes Volumen behalten. Iſt der hohle Cylinder aus einer andern Materie, die nicht der Veraͤnderung faͤhig iſt, wie der

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/46>, abgerufen am 29.04.2024.