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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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Puncte gefunden wird, die in den beiden Bildern als zusammen-
fallend erscheinen, so kann man auch umgekehrt den Weg beider
von demselben Puncte ausgehenden Strahlen bestimmen. Gelangt
nämlich (Fig. 135.) der in O eintretende Strahl FO als gewöhn-
lich gebrochener und der in E eintretende fE als ungewöhnlich ge-
brochener in der Richtung AB zum Auge B, so sind gewiß OA,
OC
die beiden von O aus in den Crystall eindringenden Strahlen
und OC ist parallel mit EA; der letztere geht nach D fort und
erreicht das Auge nicht, statt daß ein etwas schief auffallender
Strahl Fo ungewöhnlich nach oa gebrochen, in a einen mit Fo
parallelen Strahl aB giebt, welcher das Auge B erreicht.

Diese Zerspaltung des in O eintretenden Strahles FO sieht
man am besten, wenn man einen Sonnenstrahl durch eine sehr
kleine Oeffnung O eintreten läßt, indem dieser theils nach der Rich-
tung AB, theils nach der mit dieser parallelen Richtung CD her-
vorgeht und seinen Weg, den man nur im dunkeln Zimmer gut
sehen kann, so getheilt fortsetzt.

Diese doppelte Brechung hat zu einer nützlichen Anwendung
in Rochon's Micrometer Veranlassung gegeben. Wenn aus
einem doppelt brechenden Körper zwei der äußern Form nach gleiche
Prismen ABC, BCD, (Fig. 136.) geschnitten werden, die man
so, wie die Figur zeigt, verbindet, so wird ein auf AB senkrecht
einfallender Strahl, so fern er der gewöhnlichen Brechung folgt,
ganz ungebrochen durchgehen; der ungewöhnliche Strahl aber kann
eine Brechung erleiden. Zu dem hier beabsichtigten Zwecke schneidet
man das erste Prisma so, daß AB eine gegen die Axe des Crystalles
senkrechte Ebne ist, also AC dieser Axe parallel ist; das zweite
Prisma wird so geschnitten, daß die Axen sowohl in der Ebne BC
als in der Ebne CD liegen, also die Richtung der Axe mit der
auf BCD senkrechten Seitenlinie des Prisma's zusammenfällt.
Aus den Ihnen bekannten Eigenschaften des Crystalles folgt, daß
der bei F oder f senkrecht auf AB eindringende Strahl gar nicht ge-
brochen wird, sondern bis an BC in grader Richtung fortgeht, in-
dem auch die Theile, die sonst der ungewöhnlichen Brechung folgen
könnten, doch, parallel mit der Axe fortgehend, keine Brechung
leiden. Wenn die Strahlen die Oberfläche BC erreichen, so geht
derjenige Theil, welcher der gewöhnlichen Brechung unterworfen ist,

Puncte gefunden wird, die in den beiden Bildern als zuſammen-
fallend erſcheinen, ſo kann man auch umgekehrt den Weg beider
von demſelben Puncte ausgehenden Strahlen beſtimmen. Gelangt
naͤmlich (Fig. 135.) der in O eintretende Strahl FO als gewoͤhn-
lich gebrochener und der in E eintretende fE als ungewoͤhnlich ge-
brochener in der Richtung AB zum Auge B, ſo ſind gewiß OA,
OC
die beiden von O aus in den Cryſtall eindringenden Strahlen
und OC iſt parallel mit EA; der letztere geht nach D fort und
erreicht das Auge nicht, ſtatt daß ein etwas ſchief auffallender
Strahl Fo ungewoͤhnlich nach oa gebrochen, in a einen mit Fo
parallelen Strahl aB giebt, welcher das Auge B erreicht.

Dieſe Zerſpaltung des in O eintretenden Strahles FO ſieht
man am beſten, wenn man einen Sonnenſtrahl durch eine ſehr
kleine Oeffnung O eintreten laͤßt, indem dieſer theils nach der Rich-
tung AB, theils nach der mit dieſer parallelen Richtung CD her-
vorgeht und ſeinen Weg, den man nur im dunkeln Zimmer gut
ſehen kann, ſo getheilt fortſetzt.

Dieſe doppelte Brechung hat zu einer nuͤtzlichen Anwendung
in Rochon's Micrometer Veranlaſſung gegeben. Wenn aus
einem doppelt brechenden Koͤrper zwei der aͤußern Form nach gleiche
Prismen ABC, BCD, (Fig. 136.) geſchnitten werden, die man
ſo, wie die Figur zeigt, verbindet, ſo wird ein auf AB ſenkrecht
einfallender Strahl, ſo fern er der gewoͤhnlichen Brechung folgt,
ganz ungebrochen durchgehen; der ungewoͤhnliche Strahl aber kann
eine Brechung erleiden. Zu dem hier beabſichtigten Zwecke ſchneidet
man das erſte Prisma ſo, daß AB eine gegen die Axe des Cryſtalles
ſenkrechte Ebne iſt, alſo AC dieſer Axe parallel iſt; das zweite
Prisma wird ſo geſchnitten, daß die Axen ſowohl in der Ebne BC
als in der Ebne CD liegen, alſo die Richtung der Axe mit der
auf BCD ſenkrechten Seitenlinie des Prisma's zuſammenfaͤllt.
Aus den Ihnen bekannten Eigenſchaften des Cryſtalles folgt, daß
der bei F oder f ſenkrecht auf AB eindringende Strahl gar nicht ge-
brochen wird, ſondern bis an BC in grader Richtung fortgeht, in-
dem auch die Theile, die ſonſt der ungewoͤhnlichen Brechung folgen
koͤnnten, doch, parallel mit der Axe fortgehend, keine Brechung
leiden. Wenn die Strahlen die Oberflaͤche BC erreichen, ſo geht
derjenige Theil, welcher der gewoͤhnlichen Brechung unterworfen iſt,

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[309/0323] Puncte gefunden wird, die in den beiden Bildern als zuſammen- fallend erſcheinen, ſo kann man auch umgekehrt den Weg beider von demſelben Puncte ausgehenden Strahlen beſtimmen. Gelangt naͤmlich (Fig. 135.) der in O eintretende Strahl FO als gewoͤhn- lich gebrochener und der in E eintretende fE als ungewoͤhnlich ge- brochener in der Richtung AB zum Auge B, ſo ſind gewiß OA, OC die beiden von O aus in den Cryſtall eindringenden Strahlen und OC iſt parallel mit EA; der letztere geht nach D fort und erreicht das Auge nicht, ſtatt daß ein etwas ſchief auffallender Strahl Fo ungewoͤhnlich nach oa gebrochen, in a einen mit Fo parallelen Strahl aB giebt, welcher das Auge B erreicht. Dieſe Zerſpaltung des in O eintretenden Strahles FO ſieht man am beſten, wenn man einen Sonnenſtrahl durch eine ſehr kleine Oeffnung O eintreten laͤßt, indem dieſer theils nach der Rich- tung AB, theils nach der mit dieſer parallelen Richtung CD her- vorgeht und ſeinen Weg, den man nur im dunkeln Zimmer gut ſehen kann, ſo getheilt fortſetzt. Dieſe doppelte Brechung hat zu einer nuͤtzlichen Anwendung in Rochon's Micrometer Veranlaſſung gegeben. Wenn aus einem doppelt brechenden Koͤrper zwei der aͤußern Form nach gleiche Prismen ABC, BCD, (Fig. 136.) geſchnitten werden, die man ſo, wie die Figur zeigt, verbindet, ſo wird ein auf AB ſenkrecht einfallender Strahl, ſo fern er der gewoͤhnlichen Brechung folgt, ganz ungebrochen durchgehen; der ungewoͤhnliche Strahl aber kann eine Brechung erleiden. Zu dem hier beabſichtigten Zwecke ſchneidet man das erſte Prisma ſo, daß AB eine gegen die Axe des Cryſtalles ſenkrechte Ebne iſt, alſo AC dieſer Axe parallel iſt; das zweite Prisma wird ſo geſchnitten, daß die Axen ſowohl in der Ebne BC als in der Ebne CD liegen, alſo die Richtung der Axe mit der auf BCD ſenkrechten Seitenlinie des Prisma's zuſammenfaͤllt. Aus den Ihnen bekannten Eigenſchaften des Cryſtalles folgt, daß der bei F oder f ſenkrecht auf AB eindringende Strahl gar nicht ge- brochen wird, ſondern bis an BC in grader Richtung fortgeht, in- dem auch die Theile, die ſonſt der ungewoͤhnlichen Brechung folgen koͤnnten, doch, parallel mit der Axe fortgehend, keine Brechung leiden. Wenn die Strahlen die Oberflaͤche BC erreichen, ſo geht derjenige Theil, welcher der gewoͤhnlichen Brechung unterworfen iſt,

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/323>, abgerufen am 29.04.2024.