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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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eintreten werde; -- und doch sind beide Vermuthungen nicht in
dem Sinne richtig, daß eine von ihnen für alle Fälle paßte.

Wir wollen zwei ganz gleiche Crystalle nehmen und diese so
über einander stellen, daß die stumpfen Winkel der Grundflächen
genau über einander stehen und die Axen der Crystalle unter sich
parallel sind. Wenn dann (Fig. 138.) ein Lichtstrahl BA senkrecht
auf die obere Fläche fällt, so zerspaltet sich, wie Sie wissen, in A
der Strahl; der gewöhnlich gebrochene, der durch den ersten Crystall
ungebrochen ging, trifft den zweiten senkrecht und geht auch hier
ungebrochen und unzerspalten durch; der ungewöhnlich gebrochene
AE wird in E beim Hervorgehen in die Luft wieder mit Ao pa-
rallel, in e, beim Eintritt in den zweiten Crystall, erleidet er,
ohne gespalten zu werden, die ungewöhnliche Brechung und gelangt
so nach p. Dies scheint grade nicht unerwartet; aber wir wollen
einen zweiten Fall betrachten. Noch immer sei die Lage beider Cry-
stalle so, daß ihre oberen und unteren Seiten horizontal bleiben;
aber die Axe des einen liege in einer Vertical-Ebne, die senkrecht
gegen diejenige ist, in welcher die Axe des andern liegt; so findet
bei einem senkrecht auffallenden Strahle DC im ersten Crystalle
die Spaltung wie gewöhnlich statt; aber obgleich der im ersten
Crystalle gewöhnlich gebrochene Strahl DG auch auf den zweiten
Crystall senkrecht gegen die Brechungs-Ebne trifft, so geht er
dennoch hier nicht ungebrochen durch, sondern folgt den Gesetzen
der ungewöhnlichen Brechung, jedoch ohne aufs neue gespalten zu
werden; und gelangt nach H, der ungewöhnlich gebrochene, aus
dem ersten Crystall hervorkommende Strahl LI dagegen folgt nun
im zweiten Crystalle den Gesetzen der gewöhnlichen Brechung. In
diesen zwei Fällen, wo jene Hauptschnitte beider Crystalle mit ein-
ander parallel oder auf einander senkrecht waren, zerspalten beide
Strahlen sich nicht aufs neue; aber nun wollen wir den einen
Crystall ein wenig zu drehen anfangen, während seine obere und
untere Seitenfläche noch immer horizontal bleiben. Sobald dies
geschieht, fangen beide aus dem ersten Crystall hervorgegangenen
Strahlen an, sich im zweiten wieder zu zerspalten; so lange die
Abweichung der Hauptschnitte von der parallelen Lage geringe ist,
zeigen sich unter den vier nun aus dem zweiten Crystall hervorge-
henden Strahlen zwei schwache und zwei stärkere, indem der als

eintreten werde; — und doch ſind beide Vermuthungen nicht in
dem Sinne richtig, daß eine von ihnen fuͤr alle Faͤlle paßte.

Wir wollen zwei ganz gleiche Cryſtalle nehmen und dieſe ſo
uͤber einander ſtellen, daß die ſtumpfen Winkel der Grundflaͤchen
genau uͤber einander ſtehen und die Axen der Cryſtalle unter ſich
parallel ſind. Wenn dann (Fig. 138.) ein Lichtſtrahl BA ſenkrecht
auf die obere Flaͤche faͤllt, ſo zerſpaltet ſich, wie Sie wiſſen, in A
der Strahl; der gewoͤhnlich gebrochene, der durch den erſten Cryſtall
ungebrochen ging, trifft den zweiten ſenkrecht und geht auch hier
ungebrochen und unzerſpalten durch; der ungewoͤhnlich gebrochene
AE wird in E beim Hervorgehen in die Luft wieder mit Ao pa-
rallel, in e, beim Eintritt in den zweiten Cryſtall, erleidet er,
ohne geſpalten zu werden, die ungewoͤhnliche Brechung und gelangt
ſo nach p. Dies ſcheint grade nicht unerwartet; aber wir wollen
einen zweiten Fall betrachten. Noch immer ſei die Lage beider Cry-
ſtalle ſo, daß ihre oberen und unteren Seiten horizontal bleiben;
aber die Axe des einen liege in einer Vertical-Ebne, die ſenkrecht
gegen diejenige iſt, in welcher die Axe des andern liegt; ſo findet
bei einem ſenkrecht auffallenden Strahle DC im erſten Cryſtalle
die Spaltung wie gewoͤhnlich ſtatt; aber obgleich der im erſten
Cryſtalle gewoͤhnlich gebrochene Strahl DG auch auf den zweiten
Cryſtall ſenkrecht gegen die Brechungs-Ebne trifft, ſo geht er
dennoch hier nicht ungebrochen durch, ſondern folgt den Geſetzen
der ungewoͤhnlichen Brechung, jedoch ohne aufs neue geſpalten zu
werden; und gelangt nach H, der ungewoͤhnlich gebrochene, aus
dem erſten Cryſtall hervorkommende Strahl LI dagegen folgt nun
im zweiten Cryſtalle den Geſetzen der gewoͤhnlichen Brechung. In
dieſen zwei Faͤllen, wo jene Hauptſchnitte beider Cryſtalle mit ein-
ander parallel oder auf einander ſenkrecht waren, zerſpalten beide
Strahlen ſich nicht aufs neue; aber nun wollen wir den einen
Cryſtall ein wenig zu drehen anfangen, waͤhrend ſeine obere und
untere Seitenflaͤche noch immer horizontal bleiben. Sobald dies
geſchieht, fangen beide aus dem erſten Cryſtall hervorgegangenen
Strahlen an, ſich im zweiten wieder zu zerſpalten; ſo lange die
Abweichung der Hauptſchnitte von der parallelen Lage geringe iſt,
zeigen ſich unter den vier nun aus dem zweiten Cryſtall hervorge-
henden Strahlen zwei ſchwache und zwei ſtaͤrkere, indem der als

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[311/0325] eintreten werde; — und doch ſind beide Vermuthungen nicht in dem Sinne richtig, daß eine von ihnen fuͤr alle Faͤlle paßte. Wir wollen zwei ganz gleiche Cryſtalle nehmen und dieſe ſo uͤber einander ſtellen, daß die ſtumpfen Winkel der Grundflaͤchen genau uͤber einander ſtehen und die Axen der Cryſtalle unter ſich parallel ſind. Wenn dann (Fig. 138.) ein Lichtſtrahl BA ſenkrecht auf die obere Flaͤche faͤllt, ſo zerſpaltet ſich, wie Sie wiſſen, in A der Strahl; der gewoͤhnlich gebrochene, der durch den erſten Cryſtall ungebrochen ging, trifft den zweiten ſenkrecht und geht auch hier ungebrochen und unzerſpalten durch; der ungewoͤhnlich gebrochene AE wird in E beim Hervorgehen in die Luft wieder mit Ao pa- rallel, in e, beim Eintritt in den zweiten Cryſtall, erleidet er, ohne geſpalten zu werden, die ungewoͤhnliche Brechung und gelangt ſo nach p. Dies ſcheint grade nicht unerwartet; aber wir wollen einen zweiten Fall betrachten. Noch immer ſei die Lage beider Cry- ſtalle ſo, daß ihre oberen und unteren Seiten horizontal bleiben; aber die Axe des einen liege in einer Vertical-Ebne, die ſenkrecht gegen diejenige iſt, in welcher die Axe des andern liegt; ſo findet bei einem ſenkrecht auffallenden Strahle DC im erſten Cryſtalle die Spaltung wie gewoͤhnlich ſtatt; aber obgleich der im erſten Cryſtalle gewoͤhnlich gebrochene Strahl DG auch auf den zweiten Cryſtall ſenkrecht gegen die Brechungs-Ebne trifft, ſo geht er dennoch hier nicht ungebrochen durch, ſondern folgt den Geſetzen der ungewoͤhnlichen Brechung, jedoch ohne aufs neue geſpalten zu werden; und gelangt nach H, der ungewoͤhnlich gebrochene, aus dem erſten Cryſtall hervorkommende Strahl LI dagegen folgt nun im zweiten Cryſtalle den Geſetzen der gewoͤhnlichen Brechung. In dieſen zwei Faͤllen, wo jene Hauptſchnitte beider Cryſtalle mit ein- ander parallel oder auf einander ſenkrecht waren, zerſpalten beide Strahlen ſich nicht aufs neue; aber nun wollen wir den einen Cryſtall ein wenig zu drehen anfangen, waͤhrend ſeine obere und untere Seitenflaͤche noch immer horizontal bleiben. Sobald dies geſchieht, fangen beide aus dem erſten Cryſtall hervorgegangenen Strahlen an, ſich im zweiten wieder zu zerſpalten; ſo lange die Abweichung der Hauptſchnitte von der parallelen Lage geringe iſt, zeigen ſich unter den vier nun aus dem zweiten Cryſtall hervorge- henden Strahlen zwei ſchwache und zwei ſtaͤrkere, indem der als

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/325>, abgerufen am 29.04.2024.