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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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dunkles Zimmer das Licht nur durch eine sehr kleine Oeffnung
einfällt, so zeigen sich die außerhalb stehenden Gegenstände, wenn
sie nur lichtvoll genug sind, auf einer in dem dunkeln Raume der
Oeffnung zugekehrten weißen Tafel. Am besten sieht man dies,
wenn die Sonne durch jene kleine Oeffnung auf die Tafel scheint.
Der von der Oeffnung aus sich immer mehr erweiternde Kegel,
den wir als erleuchtet in allen seinen Theilen wahrnehmen, wenn
das Zimmer mit Rauch oder Staub erfüllt ist, bringt auf die
Tafel eine Erleuchtung, die wir ein Sonnenbild nennen können,
einen desto größern erleuchteten Raum, je weiter wir uns mit der
weißen Tafel von der Oeffnung entfernen. Dieses Sonnenbild ist
rund, selbst wenn die Oeffnung, vorausgesetzt, daß sie klein genug
bleibt, nicht rund ist, weil die von den verschiedenen Puncten des
Sonnenrandes einfallenden Strahlen jenen Kegel bestimmen. Die-
sem Umstande ist es zuzuschreiben, daß da, wo die Sonne durch
das Laub von Bäumen scheint, sich allemal runde erhellte Flecke
zeigen, und nur da die Form der Oeffnungen zwischen den Blättern
kenntlich wird, wo diese Oeffnungen schon eine erhebliche Größe
erlangen. Wir sind gewohnt, diese erhellten Flecke immer rund
zu sehen; aber bei einer Sonnenfinsterniß, wenn der noch übrige
Theil der Sonne mondförmig erscheint, zeigen auch jene Sonnen-
bilder sich mondförmig.

Im dunkeln Zimmer, wo die Entfernung alles fremden
Lichtes die Erscheinungen kenntlicher macht, verbindet sich mit
diesem Sonnenbilde sehr leicht noch das Bild erhellter Wolken, und
wir sehen diese im Bilde auf der Tafel von Osten nach Westen
ziehen, wenn sie wirklich ihren Zug von Westen nach Osten nehmen.
Es ist nämlich offenbar, daß eine Wolke, etwas westwärts von der
senkrecht gegen die Tafel durch die Oeffnung gezogenen Linie ste-
hend, ihr Licht von der Westseite her nach der Oeffnung sendet,
und daß dieses also innerhalb des dunkeln Zimmers ostwärts fort-
geht und an der Ostseite jener Senkrechten auf der Tafel aufgefangen
wird. Geht die Wolke nach der Ostseite hinüber, so rückt die von
der Wolke ausgehende Erleuchtung auf der Tafel gegen Westen
fort, und das Bild der Wolke erscheint umgekehrt. Bei der Beob-
achtung glänzender Wolken überzeugt man sich daher leicht, daß
man auf der Tafel ein Bild, und zwar ein umgekehrtes Bild der

dunkles Zimmer das Licht nur durch eine ſehr kleine Oeffnung
einfaͤllt, ſo zeigen ſich die außerhalb ſtehenden Gegenſtaͤnde, wenn
ſie nur lichtvoll genug ſind, auf einer in dem dunkeln Raume der
Oeffnung zugekehrten weißen Tafel. Am beſten ſieht man dies,
wenn die Sonne durch jene kleine Oeffnung auf die Tafel ſcheint.
Der von der Oeffnung aus ſich immer mehr erweiternde Kegel,
den wir als erleuchtet in allen ſeinen Theilen wahrnehmen, wenn
das Zimmer mit Rauch oder Staub erfuͤllt iſt, bringt auf die
Tafel eine Erleuchtung, die wir ein Sonnenbild nennen koͤnnen,
einen deſto groͤßern erleuchteten Raum, je weiter wir uns mit der
weißen Tafel von der Oeffnung entfernen. Dieſes Sonnenbild iſt
rund, ſelbſt wenn die Oeffnung, vorausgeſetzt, daß ſie klein genug
bleibt, nicht rund iſt, weil die von den verſchiedenen Puncten des
Sonnenrandes einfallenden Strahlen jenen Kegel beſtimmen. Die-
ſem Umſtande iſt es zuzuſchreiben, daß da, wo die Sonne durch
das Laub von Baͤumen ſcheint, ſich allemal runde erhellte Flecke
zeigen, und nur da die Form der Oeffnungen zwiſchen den Blaͤttern
kenntlich wird, wo dieſe Oeffnungen ſchon eine erhebliche Groͤße
erlangen. Wir ſind gewohnt, dieſe erhellten Flecke immer rund
zu ſehen; aber bei einer Sonnenfinſterniß, wenn der noch uͤbrige
Theil der Sonne mondfoͤrmig erſcheint, zeigen auch jene Sonnen-
bilder ſich mondfoͤrmig.

Im dunkeln Zimmer, wo die Entfernung alles fremden
Lichtes die Erſcheinungen kenntlicher macht, verbindet ſich mit
dieſem Sonnenbilde ſehr leicht noch das Bild erhellter Wolken, und
wir ſehen dieſe im Bilde auf der Tafel von Oſten nach Weſten
ziehen, wenn ſie wirklich ihren Zug von Weſten nach Oſten nehmen.
Es iſt naͤmlich offenbar, daß eine Wolke, etwas weſtwaͤrts von der
ſenkrecht gegen die Tafel durch die Oeffnung gezogenen Linie ſte-
hend, ihr Licht von der Weſtſeite her nach der Oeffnung ſendet,
und daß dieſes alſo innerhalb des dunkeln Zimmers oſtwaͤrts fort-
geht und an der Oſtſeite jener Senkrechten auf der Tafel aufgefangen
wird. Geht die Wolke nach der Oſtſeite hinuͤber, ſo ruͤckt die von
der Wolke ausgehende Erleuchtung auf der Tafel gegen Weſten
fort, und das Bild der Wolke erſcheint umgekehrt. Bei der Beob-
achtung glaͤnzender Wolken uͤberzeugt man ſich daher leicht, daß
man auf der Tafel ein Bild, und zwar ein umgekehrtes Bild der

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[63/0077] dunkles Zimmer das Licht nur durch eine ſehr kleine Oeffnung einfaͤllt, ſo zeigen ſich die außerhalb ſtehenden Gegenſtaͤnde, wenn ſie nur lichtvoll genug ſind, auf einer in dem dunkeln Raume der Oeffnung zugekehrten weißen Tafel. Am beſten ſieht man dies, wenn die Sonne durch jene kleine Oeffnung auf die Tafel ſcheint. Der von der Oeffnung aus ſich immer mehr erweiternde Kegel, den wir als erleuchtet in allen ſeinen Theilen wahrnehmen, wenn das Zimmer mit Rauch oder Staub erfuͤllt iſt, bringt auf die Tafel eine Erleuchtung, die wir ein Sonnenbild nennen koͤnnen, einen deſto groͤßern erleuchteten Raum, je weiter wir uns mit der weißen Tafel von der Oeffnung entfernen. Dieſes Sonnenbild iſt rund, ſelbſt wenn die Oeffnung, vorausgeſetzt, daß ſie klein genug bleibt, nicht rund iſt, weil die von den verſchiedenen Puncten des Sonnenrandes einfallenden Strahlen jenen Kegel beſtimmen. Die- ſem Umſtande iſt es zuzuſchreiben, daß da, wo die Sonne durch das Laub von Baͤumen ſcheint, ſich allemal runde erhellte Flecke zeigen, und nur da die Form der Oeffnungen zwiſchen den Blaͤttern kenntlich wird, wo dieſe Oeffnungen ſchon eine erhebliche Groͤße erlangen. Wir ſind gewohnt, dieſe erhellten Flecke immer rund zu ſehen; aber bei einer Sonnenfinſterniß, wenn der noch uͤbrige Theil der Sonne mondfoͤrmig erſcheint, zeigen auch jene Sonnen- bilder ſich mondfoͤrmig. Im dunkeln Zimmer, wo die Entfernung alles fremden Lichtes die Erſcheinungen kenntlicher macht, verbindet ſich mit dieſem Sonnenbilde ſehr leicht noch das Bild erhellter Wolken, und wir ſehen dieſe im Bilde auf der Tafel von Oſten nach Weſten ziehen, wenn ſie wirklich ihren Zug von Weſten nach Oſten nehmen. Es iſt naͤmlich offenbar, daß eine Wolke, etwas weſtwaͤrts von der ſenkrecht gegen die Tafel durch die Oeffnung gezogenen Linie ſte- hend, ihr Licht von der Weſtſeite her nach der Oeffnung ſendet, und daß dieſes alſo innerhalb des dunkeln Zimmers oſtwaͤrts fort- geht und an der Oſtſeite jener Senkrechten auf der Tafel aufgefangen wird. Geht die Wolke nach der Oſtſeite hinuͤber, ſo ruͤckt die von der Wolke ausgehende Erleuchtung auf der Tafel gegen Weſten fort, und das Bild der Wolke erſcheint umgekehrt. Bei der Beob- achtung glaͤnzender Wolken uͤberzeugt man ſich daher leicht, daß man auf der Tafel ein Bild, und zwar ein umgekehrtes Bild der

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/77>, abgerufen am 29.04.2024.