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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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um zu uns zu gelangen, so daß wir, obgleich die Verfinsterung
später von uns gesehen wird, als sie eintritt, doch diesen Zeitverlust
in der Zwischenzeit der Verfinsterungen nicht wahrnehmen. Ist
hingegen die Erde nach G gekommen, wo sie sich von F nach G
vom Jupiter täglich mehr entfernt, so verspätet sich der beobachtete
Anfang der Verfinsterung bei jeder folgenden Verfinsterung immer
mehr. Zwischen zwei nächsten Verfinsterungen des ersten Mondes
vergehen 42 Stunden und 28 bis 29 Minuten, und in dieser Zeit
vergrößert sich die Entfernung der Erde vom Jupiter ungefähr um
630000 Meilen; gebrauchte also der letzte, vor der Verfinsterung
von dem Monde ausgehende Lichtstrahl eine gewisse Zeit, um nach
F zu gelangen, so braucht er bei der folgenden Verfinsterung etwas
mehr Zeit, um nach G zu gelangen, und die Zwischenzeit des
Anfanges der Finsternisse ist daher größer. Diese Vergrößerung
der Zwischenzeit beträgt ungefähr 15 Secunden, und so viel Zeit
verwendet also das Licht, um 630000 Meilen zu durchlaufen. Die
entgegengesetzte Beobachtung findet statt, wenn die Erde sich in der
Gegend HK ihrer Bahn dem unterdeß langsam fortrückenden Ju-
piter nähert; hier sehen wir jede folgende Verfinsterung etwas eher
eintreten, und der Zeit-Unterschied ist eben so der unterdeß erfolgten
Annäherung der Erde zum Jupiter angemessen, wie im andern
Falle der größer werdenden Entfernung. Und indem wir so zu der
Kenntniß gelangt sind, daß das Licht ungefähr 40000 Meilen in
einer Secunde durchläuft, ergiebt nun jede Beobachtung eine Prü-
fung und eine Bestätigung dieser Angabe. Wir wissen nämlich
nun, daß wir in E den Eintritt in den Schatten oder den Austritt
aus dem Schatten auch nicht dann sehen, wenn er statt findet,
sondern ungefähr 35 Minuten später; wir berechnen diese Verzö-
gerung für die in F, G, L, beobachteten Austritte aus dem Schatten
und für die in M, H, K, beobachteten Eintritte in den Schatten
nach dem Maaße der jedesmaligen Entfernung, und die Beobach-
tung zeigt, daß diese berechnete Zeit, wobei auf die Fortpflanzung
des Lichtes Rücksicht genommen ist, wirklich die ist, die der Wahr-
heit gemäß ist.

Der Himmel bietet uns noch eine Erscheinung dar, welche
uns über die zwar sehr schnelle, aber doch allmählige Fortpflanzung
des Lichtes belehrt, nämlich die Aberration des Lichtes der

II. E

um zu uns zu gelangen, ſo daß wir, obgleich die Verfinſterung
ſpaͤter von uns geſehen wird, als ſie eintritt, doch dieſen Zeitverluſt
in der Zwiſchenzeit der Verfinſterungen nicht wahrnehmen. Iſt
hingegen die Erde nach G gekommen, wo ſie ſich von F nach G
vom Jupiter taͤglich mehr entfernt, ſo verſpaͤtet ſich der beobachtete
Anfang der Verfinſterung bei jeder folgenden Verfinſterung immer
mehr. Zwiſchen zwei naͤchſten Verfinſterungen des erſten Mondes
vergehen 42 Stunden und 28 bis 29 Minuten, und in dieſer Zeit
vergroͤßert ſich die Entfernung der Erde vom Jupiter ungefaͤhr um
630000 Meilen; gebrauchte alſo der letzte, vor der Verfinſterung
von dem Monde ausgehende Lichtſtrahl eine gewiſſe Zeit, um nach
F zu gelangen, ſo braucht er bei der folgenden Verfinſterung etwas
mehr Zeit, um nach G zu gelangen, und die Zwiſchenzeit des
Anfanges der Finſterniſſe iſt daher groͤßer. Dieſe Vergroͤßerung
der Zwiſchenzeit betraͤgt ungefaͤhr 15 Secunden, und ſo viel Zeit
verwendet alſo das Licht, um 630000 Meilen zu durchlaufen. Die
entgegengeſetzte Beobachtung findet ſtatt, wenn die Erde ſich in der
Gegend HK ihrer Bahn dem unterdeß langſam fortruͤckenden Ju-
piter naͤhert; hier ſehen wir jede folgende Verfinſterung etwas eher
eintreten, und der Zeit-Unterſchied iſt eben ſo der unterdeß erfolgten
Annaͤherung der Erde zum Jupiter angemeſſen, wie im andern
Falle der groͤßer werdenden Entfernung. Und indem wir ſo zu der
Kenntniß gelangt ſind, daß das Licht ungefaͤhr 40000 Meilen in
einer Secunde durchlaͤuft, ergiebt nun jede Beobachtung eine Pruͤ-
fung und eine Beſtaͤtigung dieſer Angabe. Wir wiſſen naͤmlich
nun, daß wir in E den Eintritt in den Schatten oder den Austritt
aus dem Schatten auch nicht dann ſehen, wenn er ſtatt findet,
ſondern ungefaͤhr 35 Minuten ſpaͤter; wir berechnen dieſe Verzoͤ-
gerung fuͤr die in F, G, L, beobachteten Austritte aus dem Schatten
und fuͤr die in M, H, K, beobachteten Eintritte in den Schatten
nach dem Maaße der jedesmaligen Entfernung, und die Beobach-
tung zeigt, daß dieſe berechnete Zeit, wobei auf die Fortpflanzung
des Lichtes Ruͤckſicht genommen iſt, wirklich die iſt, die der Wahr-
heit gemaͤß iſt.

Der Himmel bietet uns noch eine Erſcheinung dar, welche
uns uͤber die zwar ſehr ſchnelle, aber doch allmaͤhlige Fortpflanzung
des Lichtes belehrt, naͤmlich die Aberration des Lichtes der

II. E
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[65/0079] um zu uns zu gelangen, ſo daß wir, obgleich die Verfinſterung ſpaͤter von uns geſehen wird, als ſie eintritt, doch dieſen Zeitverluſt in der Zwiſchenzeit der Verfinſterungen nicht wahrnehmen. Iſt hingegen die Erde nach G gekommen, wo ſie ſich von F nach G vom Jupiter taͤglich mehr entfernt, ſo verſpaͤtet ſich der beobachtete Anfang der Verfinſterung bei jeder folgenden Verfinſterung immer mehr. Zwiſchen zwei naͤchſten Verfinſterungen des erſten Mondes vergehen 42 Stunden und 28 bis 29 Minuten, und in dieſer Zeit vergroͤßert ſich die Entfernung der Erde vom Jupiter ungefaͤhr um 630000 Meilen; gebrauchte alſo der letzte, vor der Verfinſterung von dem Monde ausgehende Lichtſtrahl eine gewiſſe Zeit, um nach F zu gelangen, ſo braucht er bei der folgenden Verfinſterung etwas mehr Zeit, um nach G zu gelangen, und die Zwiſchenzeit des Anfanges der Finſterniſſe iſt daher groͤßer. Dieſe Vergroͤßerung der Zwiſchenzeit betraͤgt ungefaͤhr 15 Secunden, und ſo viel Zeit verwendet alſo das Licht, um 630000 Meilen zu durchlaufen. Die entgegengeſetzte Beobachtung findet ſtatt, wenn die Erde ſich in der Gegend HK ihrer Bahn dem unterdeß langſam fortruͤckenden Ju- piter naͤhert; hier ſehen wir jede folgende Verfinſterung etwas eher eintreten, und der Zeit-Unterſchied iſt eben ſo der unterdeß erfolgten Annaͤherung der Erde zum Jupiter angemeſſen, wie im andern Falle der groͤßer werdenden Entfernung. Und indem wir ſo zu der Kenntniß gelangt ſind, daß das Licht ungefaͤhr 40000 Meilen in einer Secunde durchlaͤuft, ergiebt nun jede Beobachtung eine Pruͤ- fung und eine Beſtaͤtigung dieſer Angabe. Wir wiſſen naͤmlich nun, daß wir in E den Eintritt in den Schatten oder den Austritt aus dem Schatten auch nicht dann ſehen, wenn er ſtatt findet, ſondern ungefaͤhr 35 Minuten ſpaͤter; wir berechnen dieſe Verzoͤ- gerung fuͤr die in F, G, L, beobachteten Austritte aus dem Schatten und fuͤr die in M, H, K, beobachteten Eintritte in den Schatten nach dem Maaße der jedesmaligen Entfernung, und die Beobach- tung zeigt, daß dieſe berechnete Zeit, wobei auf die Fortpflanzung des Lichtes Ruͤckſicht genommen iſt, wirklich die iſt, die der Wahr- heit gemaͤß iſt. Der Himmel bietet uns noch eine Erſcheinung dar, welche uns uͤber die zwar ſehr ſchnelle, aber doch allmaͤhlige Fortpflanzung des Lichtes belehrt, naͤmlich die Aberration des Lichtes der II. E

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/79>, abgerufen am 28.04.2024.