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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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gendem viel mehr umfassenden Lehrsatze mit enthalten sind. Wenn
zwei electrische Ströme so neben einander liegen, daß sie die Schen-
kel eines spitzen Winkels bilden, daß sie nämlich verlängert sich
schneiden würden, so ziehen die Ströme sich an, wenn sie beide
NO und PQ (Fig. 162.) von der Spitze R des Winkels ab oder
beide gegen dieselbe zu gehen; dagegen stoßen sie sich ab, wenn der
eine ST (Fig. 163.) gegen die Spitze zu, der andre WX von der
Spitze ab fließt. Auch zu diesem Versuche könnte der wie in Fig.
161.
aufgehängte Leitungsdrath dienen, wenn ein horizontaler
Strom in der Nähe von DE in schiefer Richtung flösse; um aber
ganz der Angabe des Lehrsatzes treu zu bleiben, ist diejenige Ein-
richtung des frei beweglichen Leiters angemessener, die man in
Fig. 164. sieht. Es erhellt leicht, daß der nach beiden Seiten
äquilibrirte Drath, der bei Z, Y in Quecksilber eingetaucht ist,
sich leicht um die Axe ZY dreht. Ist nun in eben der Horizontal-
Ebne, in welcher UX sich bewegt, ein fester horizontaler Lei-
tungsdrath, der so gebogen ist, daß ein Theil von ihm den nicht
ganz bis an U reichenden Schenkel VW des Winkels XUW dar-
stellt, so legt sich UX an VW an, wenn beide Ströme vom
Scheitel ab oder zum Scheitel hin fließen, und im Gegentheil
vergrößert sich der Winkel und sucht sich bis 180° zu vergrößern,
wenn die Ströme entgegengesetzt sind.

Endlich findet noch eine ähnliche Anziehung und Abstoßung
statt, wenn auch die beiden Ströme nicht als Schenkel eines Win-
kels, so nämlich, daß sie verlängert sich schneiden würden, anzu-
sehen sind; sondern wenn sie in zwei sich bei der Verlängerung
nicht schneidenden graden Linien fortfließen; auch dann haben sie
ein Bestreben zur möglichst nahen parallelen Richtung zu gelangen;
sie ziehen sich daher an, wenn sie beide von dem Puncte weg oder
beide gegen den Punct zu fließen, wo sie sich am nächsten kommen,
und es findet dagegen Abstoßung statt, wenn der eine Strom
gegen diesen Punct zu, der andre von ihm ab fließt.

Man kann diese Wirkungen, die bei einem einfachen Strome
sehr schwach sind, verstärken, wenn man einen längern Schließungs-
drath so beugt, daß er mehrmals den Strom in gleicher Richtung
fortführt. Mit Seide umsponnene Dräthe schicken sich hiezu am
besten, weil sie, ohne die Ströme in einander übergehen zu lassen,

Hh 2

gendem viel mehr umfaſſenden Lehrſatze mit enthalten ſind. Wenn
zwei electriſche Stroͤme ſo neben einander liegen, daß ſie die Schen-
kel eines ſpitzen Winkels bilden, daß ſie naͤmlich verlaͤngert ſich
ſchneiden wuͤrden, ſo ziehen die Stroͤme ſich an, wenn ſie beide
NO und PQ (Fig. 162.) von der Spitze R des Winkels ab oder
beide gegen dieſelbe zu gehen; dagegen ſtoßen ſie ſich ab, wenn der
eine ST (Fig. 163.) gegen die Spitze zu, der andre WX von der
Spitze ab fließt. Auch zu dieſem Verſuche koͤnnte der wie in Fig.
161.
aufgehaͤngte Leitungsdrath dienen, wenn ein horizontaler
Strom in der Naͤhe von DE in ſchiefer Richtung floͤſſe; um aber
ganz der Angabe des Lehrſatzes treu zu bleiben, iſt diejenige Ein-
richtung des frei beweglichen Leiters angemeſſener, die man in
Fig. 164. ſieht. Es erhellt leicht, daß der nach beiden Seiten
aͤquilibrirte Drath, der bei Z, Y in Queckſilber eingetaucht iſt,
ſich leicht um die Axe ZY dreht. Iſt nun in eben der Horizontal-
Ebne, in welcher UX ſich bewegt, ein feſter horizontaler Lei-
tungsdrath, der ſo gebogen iſt, daß ein Theil von ihm den nicht
ganz bis an U reichenden Schenkel VW des Winkels XUW dar-
ſtellt, ſo legt ſich UX an VW an, wenn beide Stroͤme vom
Scheitel ab oder zum Scheitel hin fließen, und im Gegentheil
vergroͤßert ſich der Winkel und ſucht ſich bis 180° zu vergroͤßern,
wenn die Stroͤme entgegengeſetzt ſind.

Endlich findet noch eine aͤhnliche Anziehung und Abſtoßung
ſtatt, wenn auch die beiden Stroͤme nicht als Schenkel eines Win-
kels, ſo naͤmlich, daß ſie verlaͤngert ſich ſchneiden wuͤrden, anzu-
ſehen ſind; ſondern wenn ſie in zwei ſich bei der Verlaͤngerung
nicht ſchneidenden graden Linien fortfließen; auch dann haben ſie
ein Beſtreben zur moͤglichſt nahen parallelen Richtung zu gelangen;
ſie ziehen ſich daher an, wenn ſie beide von dem Puncte weg oder
beide gegen den Punct zu fließen, wo ſie ſich am naͤchſten kommen,
und es findet dagegen Abſtoßung ſtatt, wenn der eine Strom
gegen dieſen Punct zu, der andre von ihm ab fließt.

Man kann dieſe Wirkungen, die bei einem einfachen Strome
ſehr ſchwach ſind, verſtaͤrken, wenn man einen laͤngern Schließungs-
drath ſo beugt, daß er mehrmals den Strom in gleicher Richtung
fortfuͤhrt. Mit Seide umſponnene Draͤthe ſchicken ſich hiezu am
beſten, weil ſie, ohne die Stroͤme in einander uͤbergehen zu laſſen,

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[483/0497] gendem viel mehr umfaſſenden Lehrſatze mit enthalten ſind. Wenn zwei electriſche Stroͤme ſo neben einander liegen, daß ſie die Schen- kel eines ſpitzen Winkels bilden, daß ſie naͤmlich verlaͤngert ſich ſchneiden wuͤrden, ſo ziehen die Stroͤme ſich an, wenn ſie beide NO und PQ (Fig. 162.) von der Spitze R des Winkels ab oder beide gegen dieſelbe zu gehen; dagegen ſtoßen ſie ſich ab, wenn der eine ST (Fig. 163.) gegen die Spitze zu, der andre WX von der Spitze ab fließt. Auch zu dieſem Verſuche koͤnnte der wie in Fig. 161. aufgehaͤngte Leitungsdrath dienen, wenn ein horizontaler Strom in der Naͤhe von DE in ſchiefer Richtung floͤſſe; um aber ganz der Angabe des Lehrſatzes treu zu bleiben, iſt diejenige Ein- richtung des frei beweglichen Leiters angemeſſener, die man in Fig. 164. ſieht. Es erhellt leicht, daß der nach beiden Seiten aͤquilibrirte Drath, der bei Z, Y in Queckſilber eingetaucht iſt, ſich leicht um die Axe ZY dreht. Iſt nun in eben der Horizontal- Ebne, in welcher UX ſich bewegt, ein feſter horizontaler Lei- tungsdrath, der ſo gebogen iſt, daß ein Theil von ihm den nicht ganz bis an U reichenden Schenkel VW des Winkels XUW dar- ſtellt, ſo legt ſich UX an VW an, wenn beide Stroͤme vom Scheitel ab oder zum Scheitel hin fließen, und im Gegentheil vergroͤßert ſich der Winkel und ſucht ſich bis 180° zu vergroͤßern, wenn die Stroͤme entgegengeſetzt ſind. Endlich findet noch eine aͤhnliche Anziehung und Abſtoßung ſtatt, wenn auch die beiden Stroͤme nicht als Schenkel eines Win- kels, ſo naͤmlich, daß ſie verlaͤngert ſich ſchneiden wuͤrden, anzu- ſehen ſind; ſondern wenn ſie in zwei ſich bei der Verlaͤngerung nicht ſchneidenden graden Linien fortfließen; auch dann haben ſie ein Beſtreben zur moͤglichſt nahen parallelen Richtung zu gelangen; ſie ziehen ſich daher an, wenn ſie beide von dem Puncte weg oder beide gegen den Punct zu fließen, wo ſie ſich am naͤchſten kommen, und es findet dagegen Abſtoßung ſtatt, wenn der eine Strom gegen dieſen Punct zu, der andre von ihm ab fließt. Man kann dieſe Wirkungen, die bei einem einfachen Strome ſehr ſchwach ſind, verſtaͤrken, wenn man einen laͤngern Schließungs- drath ſo beugt, daß er mehrmals den Strom in gleicher Richtung fortfuͤhrt. Mit Seide umſponnene Draͤthe ſchicken ſich hiezu am beſten, weil ſie, ohne die Stroͤme in einander uͤbergehen zu laſſen, Hh 2

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/497>, abgerufen am 29.04.2024.