Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Raubthiere. Marder. -- Dachs.

Ein straffes, fast borstenartiges, glänzendes Haar, welches ziemlich lang ist, bedeckt den ganzen
Körper, auch die Ohren gänzlich mit. Seine Färbung ist am Rücken weißgrau und schwarz ge-
mischt, und zwar sind die einzelnen Haare an der Wurzel meist gelblich, in der Mitte schwarz und an
der Spitze weißgrau. An den Körperseiten und am Schwanze geht diese allgemeine Färbung in das
Röthliche über, und Unterseite und Füße sind schwarzbraun. Der Kopf ist weiß, aber ein matter,
schwarzer Streifen verläuft jederseits der Schnauze, verbreitert sich, geht über die Augen und die
weiß behaarten Ohren hinweg und verliert sich allmälig am Nacken. Die Weibchen unterscheiden
sich von den Männchen durch geringere Größe und Breite, sowie durch hellere Färbung, welche
namentlich durch die weißlichen, durchschimmernden Wollhaare bewirkt wird. Sehr selten sind Ab-
oder Spielarten von ganz weißer Farbe und noch seltener solche, welche auf weißem Grunde dunkele
kastanienbraune Flecken zeigen.

Der Dachs bewohnt ganz Europa mit Ausnahme der Jnsel Sardinien und des Nordens von
Skandinavien, sowie Asien von Sirien an, durch Georgien und Persien bis nach Japan und
Sibirien bis zur Lena. Er lebt einsam in Höhlen, welche er selbst mit seinen starken, krummen
Krallen auf der Sonnenseite bewaldeter Hügel ausgräbt, mit vier bis acht Ausgängen und Luft-
löchern versieht und innen aufs Bequemste einrichtet. Die Hauptwohnung im Bau ist der Kessel,
zu welchem mehrere Röhren führen. Er ist so groß, daß er ein geraumiges, weiches Mospolster und
das Thier selbst, unter Umständen auch mit seinen Jungen, aufnehmen kann. Mehrere Röhren führen
zu ihm; die wenigsten derselben aber werden befahren, sondern dienen blos im Falle der größten Noth
als Fluchtröhren oder auch als Luftgänge. Die größte Reinlichkeit und Sauberkeit herrscht überall,
und hierdurch zeigt sich der Dachsbau vor allen übrigen ähnlichen, unterirdischen Behausungen
der Säugethiere aus. Vorhölzer, welche nicht weit von Fluren gelegen sind, ja sogar unbewaldete
Gehänge mitten in der Flur werden zur Anlegung dieser Wohnungen vorgezogen. Jmmer aber sind
es stille und einsame Orte, welche sich der Einsiedler aussucht; denn das Geräusch und der Lärm der
bösen Welt ist ihm in den Tod verhaßt. Er liebt es, ein durchaus beschauliches und gemächliches
Leben zu führen und vor allem seine eigene Selbstständigkeit in der ausgedehntesten Weise zu be-
wahren. Seine Stärke macht es ihm leicht, mit großer Schnelligkeit die unterirdischen Höhlen aus-
zuscharren; wie einige andere unterirdisch lebende Thiere, ist er im Stande, sich in wenig Minuten
vollkommen zu vergraben. Dabei kommen ihm seine starken Vorderfüße, deren Zehen gänzlich ver-
bunden und mit tüchtigen Krallen bewaffnet sind, vortrefflich zustatten. Schon nach sehr kurzer
Zeit bereitet ihm die aufgegrabene Erde große Hindernisse. Nun aber nimmt er seine Hinterfüße zu
Hilfe und wirft mit kräftigen Stößen das Erdreich weit hinter sich zurück. Wenn die Aushöhlung
weiter fortschreitet, muß er aber noch andere Mittel anwenden, um seinen Zweck vollständig zu erreichen.
Jetzt schiebt er, gewaltsam sich entgegenstemmend, die Erde mit seinem Hintertheil nach rückwärts,
und in dieser Weise wird es ihm möglich, auch aus der Tiefe sämmtliche Erde herauszuschaffen.

Unter allen nur halbunterirdisch lebenden Thieren, sowie unter denen, welche blos unter der
Erde schlafen, sieht der Dachs am meisten darauf, daß seine Baue die möglichste Ausdehnung haben
und dabei eine vollkommene Sicherheit gewähren. Fast regelmäßig sind die Gänge, welche von dem
Kessel auslaufen, zwanzig bis dreißig Fuß lang und ihre Mündungen oft dreißig Schritte weit von
einander entfernt. Der Kessel ist gewöhnlich vier bis fünf Fuß tief unter der Erde; ist jedoch die
Steilung, auf welcher der Bau angelegt wurde, bedeutend, so kommt er auch wohl bis auf funfzehn
Fuß unter die Oberfläche zu liegen. Dann aber führen fast regelmäßig einzelne Röhren senkrecht
empor, welche zur Lüftung dienen. Kann der Dachs den Bau im Geklüst anlegen, so ist es ihm um
so lieber. Er genießt dann entschieden größere Sicherheit und Ruhe, und Beides sind Haupt-
bedingungen zu seinem Leben.

Jn diesem Baue bringt der Dachs den größten Theil seines Lebens zu, und nur, wenn die
Nacht vollkommen hereingebrochen ist, verläßt er ihn auf weitere Entfernung. Früher glaubte man,
daß er, solange die Sonne am Himmel stehe, niemals an das Tageslicht komme, doch ist Dieses in

Die Raubthiere. Marder. — Dachs.

Ein ſtraffes, faſt borſtenartiges, glänzendes Haar, welches ziemlich lang iſt, bedeckt den ganzen
Körper, auch die Ohren gänzlich mit. Seine Färbung iſt am Rücken weißgrau und ſchwarz ge-
miſcht, und zwar ſind die einzelnen Haare an der Wurzel meiſt gelblich, in der Mitte ſchwarz und an
der Spitze weißgrau. An den Körperſeiten und am Schwanze geht dieſe allgemeine Färbung in das
Röthliche über, und Unterſeite und Füße ſind ſchwarzbraun. Der Kopf iſt weiß, aber ein matter,
ſchwarzer Streifen verläuft jederſeits der Schnauze, verbreitert ſich, geht über die Augen und die
weiß behaarten Ohren hinweg und verliert ſich allmälig am Nacken. Die Weibchen unterſcheiden
ſich von den Männchen durch geringere Größe und Breite, ſowie durch hellere Färbung, welche
namentlich durch die weißlichen, durchſchimmernden Wollhaare bewirkt wird. Sehr ſelten ſind Ab-
oder Spielarten von ganz weißer Farbe und noch ſeltener ſolche, welche auf weißem Grunde dunkele
kaſtanienbraune Flecken zeigen.

Der Dachs bewohnt ganz Europa mit Ausnahme der Jnſel Sardinien und des Nordens von
Skandinavien, ſowie Aſien von Sirien an, durch Georgien und Perſien bis nach Japan und
Sibirien bis zur Lena. Er lebt einſam in Höhlen, welche er ſelbſt mit ſeinen ſtarken, krummen
Krallen auf der Sonnenſeite bewaldeter Hügel ausgräbt, mit vier bis acht Ausgängen und Luft-
löchern verſieht und innen aufs Bequemſte einrichtet. Die Hauptwohnung im Bau iſt der Keſſel,
zu welchem mehrere Röhren führen. Er iſt ſo groß, daß er ein geraumiges, weiches Mospolſter und
das Thier ſelbſt, unter Umſtänden auch mit ſeinen Jungen, aufnehmen kann. Mehrere Röhren führen
zu ihm; die wenigſten derſelben aber werden befahren, ſondern dienen blos im Falle der größten Noth
als Fluchtröhren oder auch als Luftgänge. Die größte Reinlichkeit und Sauberkeit herrſcht überall,
und hierdurch zeigt ſich der Dachsbau vor allen übrigen ähnlichen, unterirdiſchen Behauſungen
der Säugethiere aus. Vorhölzer, welche nicht weit von Fluren gelegen ſind, ja ſogar unbewaldete
Gehänge mitten in der Flur werden zur Anlegung dieſer Wohnungen vorgezogen. Jmmer aber ſind
es ſtille und einſame Orte, welche ſich der Einſiedler ausſucht; denn das Geräuſch und der Lärm der
böſen Welt iſt ihm in den Tod verhaßt. Er liebt es, ein durchaus beſchauliches und gemächliches
Leben zu führen und vor allem ſeine eigene Selbſtſtändigkeit in der ausgedehnteſten Weiſe zu be-
wahren. Seine Stärke macht es ihm leicht, mit großer Schnelligkeit die unterirdiſchen Höhlen aus-
zuſcharren; wie einige andere unterirdiſch lebende Thiere, iſt er im Stande, ſich in wenig Minuten
vollkommen zu vergraben. Dabei kommen ihm ſeine ſtarken Vorderfüße, deren Zehen gänzlich ver-
bunden und mit tüchtigen Krallen bewaffnet ſind, vortrefflich zuſtatten. Schon nach ſehr kurzer
Zeit bereitet ihm die aufgegrabene Erde große Hinderniſſe. Nun aber nimmt er ſeine Hinterfüße zu
Hilfe und wirft mit kräftigen Stößen das Erdreich weit hinter ſich zurück. Wenn die Aushöhlung
weiter fortſchreitet, muß er aber noch andere Mittel anwenden, um ſeinen Zweck vollſtändig zu erreichen.
Jetzt ſchiebt er, gewaltſam ſich entgegenſtemmend, die Erde mit ſeinem Hintertheil nach rückwärts,
und in dieſer Weiſe wird es ihm möglich, auch aus der Tiefe ſämmtliche Erde herauszuſchaffen.

Unter allen nur halbunterirdiſch lebenden Thieren, ſowie unter denen, welche blos unter der
Erde ſchlafen, ſieht der Dachs am meiſten darauf, daß ſeine Baue die möglichſte Ausdehnung haben
und dabei eine vollkommene Sicherheit gewähren. Faſt regelmäßig ſind die Gänge, welche von dem
Keſſel auslaufen, zwanzig bis dreißig Fuß lang und ihre Mündungen oft dreißig Schritte weit von
einander entfernt. Der Keſſel iſt gewöhnlich vier bis fünf Fuß tief unter der Erde; iſt jedoch die
Steilung, auf welcher der Bau angelegt wurde, bedeutend, ſo kommt er auch wohl bis auf funfzehn
Fuß unter die Oberfläche zu liegen. Dann aber führen faſt regelmäßig einzelne Röhren ſenkrecht
empor, welche zur Lüftung dienen. Kann der Dachs den Bau im Geklüſt anlegen, ſo iſt es ihm um
ſo lieber. Er genießt dann entſchieden größere Sicherheit und Ruhe, und Beides ſind Haupt-
bedingungen zu ſeinem Leben.

Jn dieſem Baue bringt der Dachs den größten Theil ſeines Lebens zu, und nur, wenn die
Nacht vollkommen hereingebrochen iſt, verläßt er ihn auf weitere Entfernung. Früher glaubte man,
daß er, ſolange die Sonne am Himmel ſtehe, niemals an das Tageslicht komme, doch iſt Dieſes in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <pb facs="#f0570" n="496"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Raubthiere.</hi> Marder. &#x2014; <hi rendition="#g">Dachs.</hi></fw><lb/>
          <p>Ein &#x017F;traffes, fa&#x017F;t bor&#x017F;tenartiges, glänzendes Haar, welches ziemlich lang i&#x017F;t, bedeckt den ganzen<lb/>
Körper, auch die Ohren gänzlich mit. Seine Färbung i&#x017F;t am Rücken weißgrau und &#x017F;chwarz ge-<lb/>
mi&#x017F;cht, und zwar &#x017F;ind die einzelnen Haare an der Wurzel mei&#x017F;t gelblich, in der Mitte &#x017F;chwarz und an<lb/>
der Spitze weißgrau. An den Körper&#x017F;eiten und am Schwanze geht die&#x017F;e allgemeine Färbung in das<lb/>
Röthliche über, und Unter&#x017F;eite und Füße &#x017F;ind &#x017F;chwarzbraun. Der Kopf i&#x017F;t weiß, aber ein matter,<lb/>
&#x017F;chwarzer Streifen verläuft jeder&#x017F;eits der Schnauze, verbreitert &#x017F;ich, geht über die Augen und die<lb/>
weiß behaarten Ohren hinweg und verliert &#x017F;ich allmälig am Nacken. Die Weibchen unter&#x017F;cheiden<lb/>
&#x017F;ich von den Männchen durch geringere Größe und Breite, &#x017F;owie durch hellere Färbung, welche<lb/>
namentlich durch die weißlichen, durch&#x017F;chimmernden Wollhaare bewirkt wird. Sehr &#x017F;elten &#x017F;ind Ab-<lb/>
oder Spielarten von ganz weißer Farbe und noch &#x017F;eltener &#x017F;olche, welche auf weißem Grunde dunkele<lb/>
ka&#x017F;tanienbraune Flecken zeigen.</p><lb/>
          <p>Der Dachs bewohnt ganz Europa mit Ausnahme der Jn&#x017F;el Sardinien und des Nordens von<lb/>
Skandinavien, &#x017F;owie A&#x017F;ien von Sirien an, durch Georgien und Per&#x017F;ien bis nach Japan und<lb/>
Sibirien bis zur Lena. Er lebt ein&#x017F;am in Höhlen, welche er &#x017F;elb&#x017F;t mit &#x017F;einen &#x017F;tarken, krummen<lb/>
Krallen auf der Sonnen&#x017F;eite bewaldeter Hügel ausgräbt, mit vier bis acht Ausgängen und Luft-<lb/>
löchern ver&#x017F;ieht und innen aufs Bequem&#x017F;te einrichtet. Die Hauptwohnung im Bau i&#x017F;t der Ke&#x017F;&#x017F;el,<lb/>
zu welchem mehrere Röhren führen. Er i&#x017F;t &#x017F;o groß, daß er ein geraumiges, weiches Mospol&#x017F;ter und<lb/>
das Thier &#x017F;elb&#x017F;t, unter Um&#x017F;tänden auch mit &#x017F;einen Jungen, aufnehmen kann. Mehrere Röhren führen<lb/>
zu ihm; die wenig&#x017F;ten der&#x017F;elben aber werden befahren, &#x017F;ondern dienen blos im Falle der größten Noth<lb/>
als Fluchtröhren oder auch als Luftgänge. Die größte Reinlichkeit und Sauberkeit herr&#x017F;cht überall,<lb/>
und hierdurch zeigt &#x017F;ich der Dachsbau vor allen übrigen ähnlichen, unterirdi&#x017F;chen Behau&#x017F;ungen<lb/>
der Säugethiere aus. Vorhölzer, welche nicht weit von Fluren gelegen &#x017F;ind, ja &#x017F;ogar unbewaldete<lb/>
Gehänge mitten in der Flur werden zur Anlegung die&#x017F;er Wohnungen vorgezogen. Jmmer aber &#x017F;ind<lb/>
es &#x017F;tille und ein&#x017F;ame Orte, welche &#x017F;ich der Ein&#x017F;iedler aus&#x017F;ucht; denn das Geräu&#x017F;ch und der Lärm der<lb/>&#x017F;en Welt i&#x017F;t ihm in den Tod verhaßt. Er liebt es, ein durchaus be&#x017F;chauliches und gemächliches<lb/>
Leben zu führen und vor allem &#x017F;eine eigene Selb&#x017F;t&#x017F;tändigkeit in der ausgedehnte&#x017F;ten Wei&#x017F;e zu be-<lb/>
wahren. Seine Stärke macht es ihm leicht, mit großer Schnelligkeit die unterirdi&#x017F;chen Höhlen aus-<lb/>
zu&#x017F;charren; wie einige andere unterirdi&#x017F;ch lebende Thiere, i&#x017F;t er im Stande, &#x017F;ich in wenig Minuten<lb/>
vollkommen zu vergraben. Dabei kommen ihm &#x017F;eine &#x017F;tarken Vorderfüße, deren Zehen gänzlich ver-<lb/>
bunden und mit tüchtigen Krallen bewaffnet &#x017F;ind, vortrefflich zu&#x017F;tatten. Schon nach &#x017F;ehr kurzer<lb/>
Zeit bereitet ihm die aufgegrabene Erde große Hinderni&#x017F;&#x017F;e. Nun aber nimmt er &#x017F;eine Hinterfüße zu<lb/>
Hilfe und wirft mit kräftigen Stößen das Erdreich weit hinter &#x017F;ich zurück. Wenn die Aushöhlung<lb/>
weiter fort&#x017F;chreitet, muß er aber noch andere Mittel anwenden, um &#x017F;einen Zweck voll&#x017F;tändig zu erreichen.<lb/>
Jetzt &#x017F;chiebt er, gewalt&#x017F;am &#x017F;ich entgegen&#x017F;temmend, die Erde mit &#x017F;einem Hintertheil nach rückwärts,<lb/>
und in die&#x017F;er Wei&#x017F;e wird es ihm möglich, auch aus der Tiefe &#x017F;ämmtliche Erde herauszu&#x017F;chaffen.</p><lb/>
          <p>Unter allen nur halbunterirdi&#x017F;ch lebenden Thieren, &#x017F;owie unter denen, welche blos unter der<lb/>
Erde &#x017F;chlafen, &#x017F;ieht der Dachs am mei&#x017F;ten darauf, daß &#x017F;eine Baue die möglich&#x017F;te Ausdehnung haben<lb/>
und dabei eine vollkommene Sicherheit gewähren. Fa&#x017F;t regelmäßig &#x017F;ind die Gänge, welche von dem<lb/>
Ke&#x017F;&#x017F;el auslaufen, zwanzig bis dreißig Fuß lang und ihre Mündungen oft dreißig Schritte weit von<lb/>
einander entfernt. Der Ke&#x017F;&#x017F;el i&#x017F;t gewöhnlich vier bis fünf Fuß tief unter der Erde; i&#x017F;t jedoch die<lb/>
Steilung, auf welcher der Bau angelegt wurde, bedeutend, &#x017F;o kommt er auch wohl bis auf funfzehn<lb/>
Fuß unter die Oberfläche zu liegen. Dann aber führen fa&#x017F;t regelmäßig einzelne Röhren &#x017F;enkrecht<lb/>
empor, welche zur Lüftung dienen. Kann der Dachs den Bau im Geklü&#x017F;t anlegen, &#x017F;o i&#x017F;t es ihm um<lb/>
&#x017F;o lieber. Er genießt dann ent&#x017F;chieden größere Sicherheit und Ruhe, und Beides &#x017F;ind Haupt-<lb/>
bedingungen zu &#x017F;einem Leben.</p><lb/>
          <p>Jn die&#x017F;em Baue bringt der Dachs den größten Theil &#x017F;eines Lebens zu, und nur, wenn die<lb/>
Nacht vollkommen hereingebrochen i&#x017F;t, verläßt er ihn auf weitere Entfernung. Früher glaubte man,<lb/>
daß er, &#x017F;olange die Sonne am Himmel &#x017F;tehe, niemals an das Tageslicht komme, doch i&#x017F;t Die&#x017F;es in<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[496/0570] Die Raubthiere. Marder. — Dachs. Ein ſtraffes, faſt borſtenartiges, glänzendes Haar, welches ziemlich lang iſt, bedeckt den ganzen Körper, auch die Ohren gänzlich mit. Seine Färbung iſt am Rücken weißgrau und ſchwarz ge- miſcht, und zwar ſind die einzelnen Haare an der Wurzel meiſt gelblich, in der Mitte ſchwarz und an der Spitze weißgrau. An den Körperſeiten und am Schwanze geht dieſe allgemeine Färbung in das Röthliche über, und Unterſeite und Füße ſind ſchwarzbraun. Der Kopf iſt weiß, aber ein matter, ſchwarzer Streifen verläuft jederſeits der Schnauze, verbreitert ſich, geht über die Augen und die weiß behaarten Ohren hinweg und verliert ſich allmälig am Nacken. Die Weibchen unterſcheiden ſich von den Männchen durch geringere Größe und Breite, ſowie durch hellere Färbung, welche namentlich durch die weißlichen, durchſchimmernden Wollhaare bewirkt wird. Sehr ſelten ſind Ab- oder Spielarten von ganz weißer Farbe und noch ſeltener ſolche, welche auf weißem Grunde dunkele kaſtanienbraune Flecken zeigen. Der Dachs bewohnt ganz Europa mit Ausnahme der Jnſel Sardinien und des Nordens von Skandinavien, ſowie Aſien von Sirien an, durch Georgien und Perſien bis nach Japan und Sibirien bis zur Lena. Er lebt einſam in Höhlen, welche er ſelbſt mit ſeinen ſtarken, krummen Krallen auf der Sonnenſeite bewaldeter Hügel ausgräbt, mit vier bis acht Ausgängen und Luft- löchern verſieht und innen aufs Bequemſte einrichtet. Die Hauptwohnung im Bau iſt der Keſſel, zu welchem mehrere Röhren führen. Er iſt ſo groß, daß er ein geraumiges, weiches Mospolſter und das Thier ſelbſt, unter Umſtänden auch mit ſeinen Jungen, aufnehmen kann. Mehrere Röhren führen zu ihm; die wenigſten derſelben aber werden befahren, ſondern dienen blos im Falle der größten Noth als Fluchtröhren oder auch als Luftgänge. Die größte Reinlichkeit und Sauberkeit herrſcht überall, und hierdurch zeigt ſich der Dachsbau vor allen übrigen ähnlichen, unterirdiſchen Behauſungen der Säugethiere aus. Vorhölzer, welche nicht weit von Fluren gelegen ſind, ja ſogar unbewaldete Gehänge mitten in der Flur werden zur Anlegung dieſer Wohnungen vorgezogen. Jmmer aber ſind es ſtille und einſame Orte, welche ſich der Einſiedler ausſucht; denn das Geräuſch und der Lärm der böſen Welt iſt ihm in den Tod verhaßt. Er liebt es, ein durchaus beſchauliches und gemächliches Leben zu führen und vor allem ſeine eigene Selbſtſtändigkeit in der ausgedehnteſten Weiſe zu be- wahren. Seine Stärke macht es ihm leicht, mit großer Schnelligkeit die unterirdiſchen Höhlen aus- zuſcharren; wie einige andere unterirdiſch lebende Thiere, iſt er im Stande, ſich in wenig Minuten vollkommen zu vergraben. Dabei kommen ihm ſeine ſtarken Vorderfüße, deren Zehen gänzlich ver- bunden und mit tüchtigen Krallen bewaffnet ſind, vortrefflich zuſtatten. Schon nach ſehr kurzer Zeit bereitet ihm die aufgegrabene Erde große Hinderniſſe. Nun aber nimmt er ſeine Hinterfüße zu Hilfe und wirft mit kräftigen Stößen das Erdreich weit hinter ſich zurück. Wenn die Aushöhlung weiter fortſchreitet, muß er aber noch andere Mittel anwenden, um ſeinen Zweck vollſtändig zu erreichen. Jetzt ſchiebt er, gewaltſam ſich entgegenſtemmend, die Erde mit ſeinem Hintertheil nach rückwärts, und in dieſer Weiſe wird es ihm möglich, auch aus der Tiefe ſämmtliche Erde herauszuſchaffen. Unter allen nur halbunterirdiſch lebenden Thieren, ſowie unter denen, welche blos unter der Erde ſchlafen, ſieht der Dachs am meiſten darauf, daß ſeine Baue die möglichſte Ausdehnung haben und dabei eine vollkommene Sicherheit gewähren. Faſt regelmäßig ſind die Gänge, welche von dem Keſſel auslaufen, zwanzig bis dreißig Fuß lang und ihre Mündungen oft dreißig Schritte weit von einander entfernt. Der Keſſel iſt gewöhnlich vier bis fünf Fuß tief unter der Erde; iſt jedoch die Steilung, auf welcher der Bau angelegt wurde, bedeutend, ſo kommt er auch wohl bis auf funfzehn Fuß unter die Oberfläche zu liegen. Dann aber führen faſt regelmäßig einzelne Röhren ſenkrecht empor, welche zur Lüftung dienen. Kann der Dachs den Bau im Geklüſt anlegen, ſo iſt es ihm um ſo lieber. Er genießt dann entſchieden größere Sicherheit und Ruhe, und Beides ſind Haupt- bedingungen zu ſeinem Leben. Jn dieſem Baue bringt der Dachs den größten Theil ſeines Lebens zu, und nur, wenn die Nacht vollkommen hereingebrochen iſt, verläßt er ihn auf weitere Entfernung. Früher glaubte man, daß er, ſolange die Sonne am Himmel ſtehe, niemals an das Tageslicht komme, doch iſt Dieſes in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/570
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/570>, abgerufen am 10.06.2024.