Die Vielhufer oder Dickhäuter. -- Das Hausschwein.
Lebens im Freien zubringen, sind gewöhnlich etwas hochbeiniger und magerer, dabei aber viel kräf- tiger, selbständiger und muthiger. Nicht blos in Amerika betreibt man solche Waldzucht, wie man sagen könnte, sondern auch in den meisten Provinzen Rußlands, in den Donautiefländern, in Griechenland, Jtalien, Südfrankreich und Spanien. Jn Skandinavien laufen die Schweine, we- nigstens während des ganzen Sommers, nach ihrem Belieben umher, jedes mit einem kleinen, drei- eckigen Holzkummet um den Hals, welches ihnen das Eindringen in die umhegten Grundstücke ver- wehrt, sie im übrigen aber nicht hindert. Wenn man durch Norwegen reist, sieht man die Schweine mit größter Behaglichkeit und Gemüthlichkeit längs der Landstraßen dahinlaufen und hier sich aller- lei Abfälle aufsuchen und andere Nahrung erwerben. Jm südlichen Ungarn, Kroatien, Slavonien, Bosnien, Serbien, in der Türkei und in Spanien überläßt man die Schweine das ganze Jahr hindurch sich selbst und trägt nur insofern Sorge um sie, daß sie sich nicht verlaufen. Sie nutzen dann die Wälder aus und finden namentlich in den Eichwaldungen höchst geeignete Futterplätze und Mastorte. Jn Spanien steigen sie bis hoch in die Gebirge hinauf; in der Sierra Nevada z. B. bis zu 8000 Fuß über dem Meer, und nutzen dort Oertlichkeiten aus, in welchen andere Thiere nicht viel finden würden. Das freie Leben hat alle ihre leiblichen und geistigen Fähigkeiten sehr ent- wickelt. Sie laufen sehr gewandt, klettern recht gut und sorgen selbst für ihre Sicherheit. Wie muthig sie sein können, habe ich bereits oben bei Beschreibung des Wolfes erwähnt. Bei der sogenannten halbwilden Zucht läßt man die Schweine während des Sommers im Freien, bringt sie aber im Winter in die Ställe.
Mit Unrecht hat man geglaubt, daß dem Schweine zu seinem Wohlbefinden Koth und Schmuz unentbehrlich sei. Auf manchen größeren Gütern hat man bereits, um es dem Schweine recht bequem zu machen, Lachen neben den Ställen errichtet, in denen sich alle Unreinlichkeit sam- melt. Die neueren Erfahrungen haben erwiesen, daß auch das Schwein bei reinlicher Haltung weit besser gedeiht, als wenn es beständig im Schmuze liegt; deshalb pferchen jetzt die gebildeten Thierzüchter ihre Schweine nicht mehr in die greulichen Gefängnisse ein, welche man Schweineställe nennt, sondern weisen ihnen weite, luftige Räume an, welche leicht gereinigt werden können. Sie erziehen sich hier viel gesündere und kräftigere Hausschweine. Am besten ist es, wenn der Boden des Stalles mit großen Steinplatten ausgelegt ist.
Das zahme Hausschwein ähnelt in seinen meisten Eigenschaften der wilden Stammart. Es ist gefräßig, widerspenstig, ungeschickt und zeigt wenig Anhänglichkeit an den Menschen. Doch gibt es Ausnahmen. Hausschweine, welche von Jugend auf mehr in der Familie des Menschen, als für sich allein gelebt haben, wie Dies auf dem Lande nicht selten geschieht, üben ihre geistigen Kräfte, und sind dann weit verständiger, als die Uebrigen ihrer Art. Ein Förster erzählte mir, daß er eine Zeit lang ein kleines, sogenanntes chinesisches Schweinchen besessen habe, welches ihm wie ein Hündchen auf dem Fuße nachlief, auf den Namen hörte, sogleich herbeikam, wenn es gerufen wurde, auf der Treppe mit ihm empor stieg, sich im Zimmer ganz gut betrug und mancherlei Kunststücke machte. Es war gewöhnt, im Walde Morcheln zu suchen und stand diesem Geschäft mit großem Eifer vor. Es konnte in plumper Weise eine Zeit lang Wache stehen und legte sich hin, wenn man zu ihm sagte: komm, du sollst geschlachtet werden. Als Ludwig XI. krank war, wur- den von seinen Hofleuten alle nur erdenklichen Mittel hervorgesucht, um die trüben Gedanken, welche den König beherrschten, zu zerstreuen. Die meisten Versuche waren fruchtlos, einer aber brachte den trübsinnigen König doch zum Lachen. Ein erfindsamer Kopf fiel darauf, Ferkel nach dem Tone eines Dudelsacks zum Tanzen und Springen abzurichten. Er bekleidete die Thiere vom Kopf bis zum Scheitel und ließ sie einher stolziren in schön ausgeputzten Leibröcken, Beinkleidern mit Hut, Schärpe und Degen, kurz mit allen Anhängseln, welche die Stellung eines vornehmen Mannes erfordert. Sie waren sehr gut abgerichtet; nach Befehl sprangen und tanzten sie, ver- beugten sich artig und betrugen sich meisterhaft folgsam. Nur Eins war ihnen unmöglich: der auf- rechte Gang nämlich. So wie sie sich auf zwei Pfoten aufgerichtet hatten, fielen sie sofort unter
Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Das Hausſchwein.
Lebens im Freien zubringen, ſind gewöhnlich etwas hochbeiniger und magerer, dabei aber viel kräf- tiger, ſelbſtändiger und muthiger. Nicht blos in Amerika betreibt man ſolche Waldzucht, wie man ſagen könnte, ſondern auch in den meiſten Provinzen Rußlands, in den Donautiefländern, in Griechenland, Jtalien, Südfrankreich und Spanien. Jn Skandinavien laufen die Schweine, we- nigſtens während des ganzen Sommers, nach ihrem Belieben umher, jedes mit einem kleinen, drei- eckigen Holzkummet um den Hals, welches ihnen das Eindringen in die umhegten Grundſtücke ver- wehrt, ſie im übrigen aber nicht hindert. Wenn man durch Norwegen reiſt, ſieht man die Schweine mit größter Behaglichkeit und Gemüthlichkeit längs der Landſtraßen dahinlaufen und hier ſich aller- lei Abfälle aufſuchen und andere Nahrung erwerben. Jm ſüdlichen Ungarn, Kroatien, Slavonien, Bosnien, Serbien, in der Türkei und in Spanien überläßt man die Schweine das ganze Jahr hindurch ſich ſelbſt und trägt nur inſofern Sorge um ſie, daß ſie ſich nicht verlaufen. Sie nutzen dann die Wälder aus und finden namentlich in den Eichwaldungen höchſt geeignete Futterplätze und Maſtorte. Jn Spanien ſteigen ſie bis hoch in die Gebirge hinauf; in der Sierra Nevada z. B. bis zu 8000 Fuß über dem Meer, und nutzen dort Oertlichkeiten aus, in welchen andere Thiere nicht viel finden würden. Das freie Leben hat alle ihre leiblichen und geiſtigen Fähigkeiten ſehr ent- wickelt. Sie laufen ſehr gewandt, klettern recht gut und ſorgen ſelbſt für ihre Sicherheit. Wie muthig ſie ſein können, habe ich bereits oben bei Beſchreibung des Wolfes erwähnt. Bei der ſogenannten halbwilden Zucht läßt man die Schweine während des Sommers im Freien, bringt ſie aber im Winter in die Ställe.
Mit Unrecht hat man geglaubt, daß dem Schweine zu ſeinem Wohlbefinden Koth und Schmuz unentbehrlich ſei. Auf manchen größeren Gütern hat man bereits, um es dem Schweine recht bequem zu machen, Lachen neben den Ställen errichtet, in denen ſich alle Unreinlichkeit ſam- melt. Die neueren Erfahrungen haben erwieſen, daß auch das Schwein bei reinlicher Haltung weit beſſer gedeiht, als wenn es beſtändig im Schmuze liegt; deshalb pferchen jetzt die gebildeten Thierzüchter ihre Schweine nicht mehr in die greulichen Gefängniſſe ein, welche man Schweineſtälle nennt, ſondern weiſen ihnen weite, luftige Räume an, welche leicht gereinigt werden können. Sie erziehen ſich hier viel geſündere und kräftigere Hausſchweine. Am beſten iſt es, wenn der Boden des Stalles mit großen Steinplatten ausgelegt iſt.
Das zahme Hausſchwein ähnelt in ſeinen meiſten Eigenſchaften der wilden Stammart. Es iſt gefräßig, widerſpenſtig, ungeſchickt und zeigt wenig Anhänglichkeit an den Menſchen. Doch gibt es Ausnahmen. Hausſchweine, welche von Jugend auf mehr in der Familie des Menſchen, als für ſich allein gelebt haben, wie Dies auf dem Lande nicht ſelten geſchieht, üben ihre geiſtigen Kräfte, und ſind dann weit verſtändiger, als die Uebrigen ihrer Art. Ein Förſter erzählte mir, daß er eine Zeit lang ein kleines, ſogenanntes chineſiſches Schweinchen beſeſſen habe, welches ihm wie ein Hündchen auf dem Fuße nachlief, auf den Namen hörte, ſogleich herbeikam, wenn es gerufen wurde, auf der Treppe mit ihm empor ſtieg, ſich im Zimmer ganz gut betrug und mancherlei Kunſtſtücke machte. Es war gewöhnt, im Walde Morcheln zu ſuchen und ſtand dieſem Geſchäft mit großem Eifer vor. Es konnte in plumper Weiſe eine Zeit lang Wache ſtehen und legte ſich hin, wenn man zu ihm ſagte: komm, du ſollſt geſchlachtet werden. Als Ludwig XI. krank war, wur- den von ſeinen Hofleuten alle nur erdenklichen Mittel hervorgeſucht, um die trüben Gedanken, welche den König beherrſchten, zu zerſtreuen. Die meiſten Verſuche waren fruchtlos, einer aber brachte den trübſinnigen König doch zum Lachen. Ein erfindſamer Kopf fiel darauf, Ferkel nach dem Tone eines Dudelſacks zum Tanzen und Springen abzurichten. Er bekleidete die Thiere vom Kopf bis zum Scheitel und ließ ſie einher ſtolziren in ſchön ausgeputzten Leibröcken, Beinkleidern mit Hut, Schärpe und Degen, kurz mit allen Anhängſeln, welche die Stellung eines vornehmen Mannes erfordert. Sie waren ſehr gut abgerichtet; nach Befehl ſprangen und tanzten ſie, ver- beugten ſich artig und betrugen ſich meiſterhaft folgſam. Nur Eins war ihnen unmöglich: der auf- rechte Gang nämlich. So wie ſie ſich auf zwei Pfoten aufgerichtet hatten, fielen ſie ſofort unter
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Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Das Hausſchwein.
Lebens im Freien zubringen, ſind gewöhnlich etwas hochbeiniger und magerer, dabei aber viel kräf-
tiger, ſelbſtändiger und muthiger. Nicht blos in Amerika betreibt man ſolche Waldzucht, wie man
ſagen könnte, ſondern auch in den meiſten Provinzen Rußlands, in den Donautiefländern, in
Griechenland, Jtalien, Südfrankreich und Spanien. Jn Skandinavien laufen die Schweine, we-
nigſtens während des ganzen Sommers, nach ihrem Belieben umher, jedes mit einem kleinen, drei-
eckigen Holzkummet um den Hals, welches ihnen das Eindringen in die umhegten Grundſtücke ver-
wehrt, ſie im übrigen aber nicht hindert. Wenn man durch Norwegen reiſt, ſieht man die Schweine
mit größter Behaglichkeit und Gemüthlichkeit längs der Landſtraßen dahinlaufen und hier ſich aller-
lei Abfälle aufſuchen und andere Nahrung erwerben. Jm ſüdlichen Ungarn, Kroatien, Slavonien,
Bosnien, Serbien, in der Türkei und in Spanien überläßt man die Schweine das ganze Jahr
hindurch ſich ſelbſt und trägt nur inſofern Sorge um ſie, daß ſie ſich nicht verlaufen. Sie nutzen
dann die Wälder aus und finden namentlich in den Eichwaldungen höchſt geeignete Futterplätze
und Maſtorte. Jn Spanien ſteigen ſie bis hoch in die Gebirge hinauf; in der Sierra Nevada z. B.
bis zu 8000 Fuß über dem Meer, und nutzen dort Oertlichkeiten aus, in welchen andere Thiere
nicht viel finden würden. Das freie Leben hat alle ihre leiblichen und geiſtigen Fähigkeiten ſehr ent-
wickelt. Sie laufen ſehr gewandt, klettern recht gut und ſorgen ſelbſt für ihre Sicherheit. Wie
muthig ſie ſein können, habe ich bereits oben bei Beſchreibung des Wolfes erwähnt. Bei der
ſogenannten halbwilden Zucht läßt man die Schweine während des Sommers im Freien, bringt
ſie aber im Winter in die Ställe.
Mit Unrecht hat man geglaubt, daß dem Schweine zu ſeinem Wohlbefinden Koth und
Schmuz unentbehrlich ſei. Auf manchen größeren Gütern hat man bereits, um es dem Schweine
recht bequem zu machen, Lachen neben den Ställen errichtet, in denen ſich alle Unreinlichkeit ſam-
melt. Die neueren Erfahrungen haben erwieſen, daß auch das Schwein bei reinlicher Haltung
weit beſſer gedeiht, als wenn es beſtändig im Schmuze liegt; deshalb pferchen jetzt die gebildeten
Thierzüchter ihre Schweine nicht mehr in die greulichen Gefängniſſe ein, welche man Schweineſtälle
nennt, ſondern weiſen ihnen weite, luftige Räume an, welche leicht gereinigt werden können. Sie
erziehen ſich hier viel geſündere und kräftigere Hausſchweine. Am beſten iſt es, wenn der Boden des
Stalles mit großen Steinplatten ausgelegt iſt.
Das zahme Hausſchwein ähnelt in ſeinen meiſten Eigenſchaften der wilden Stammart. Es
iſt gefräßig, widerſpenſtig, ungeſchickt und zeigt wenig Anhänglichkeit an den Menſchen. Doch
gibt es Ausnahmen. Hausſchweine, welche von Jugend auf mehr in der Familie des Menſchen,
als für ſich allein gelebt haben, wie Dies auf dem Lande nicht ſelten geſchieht, üben ihre geiſtigen
Kräfte, und ſind dann weit verſtändiger, als die Uebrigen ihrer Art. Ein Förſter erzählte mir, daß
er eine Zeit lang ein kleines, ſogenanntes chineſiſches Schweinchen beſeſſen habe, welches ihm wie
ein Hündchen auf dem Fuße nachlief, auf den Namen hörte, ſogleich herbeikam, wenn es gerufen
wurde, auf der Treppe mit ihm empor ſtieg, ſich im Zimmer ganz gut betrug und mancherlei
Kunſtſtücke machte. Es war gewöhnt, im Walde Morcheln zu ſuchen und ſtand dieſem Geſchäft
mit großem Eifer vor. Es konnte in plumper Weiſe eine Zeit lang Wache ſtehen und legte ſich hin,
wenn man zu ihm ſagte: komm, du ſollſt geſchlachtet werden. Als Ludwig XI. krank war, wur-
den von ſeinen Hofleuten alle nur erdenklichen Mittel hervorgeſucht, um die trüben Gedanken,
welche den König beherrſchten, zu zerſtreuen. Die meiſten Verſuche waren fruchtlos, einer aber
brachte den trübſinnigen König doch zum Lachen. Ein erfindſamer Kopf fiel darauf, Ferkel nach
dem Tone eines Dudelſacks zum Tanzen und Springen abzurichten. Er bekleidete die Thiere vom
Kopf bis zum Scheitel und ließ ſie einher ſtolziren in ſchön ausgeputzten Leibröcken, Beinkleidern
mit Hut, Schärpe und Degen, kurz mit allen Anhängſeln, welche die Stellung eines vornehmen
Mannes erfordert. Sie waren ſehr gut abgerichtet; nach Befehl ſprangen und tanzten ſie, ver-
beugten ſich artig und betrugen ſich meiſterhaft folgſam. Nur Eins war ihnen unmöglich: der auf-
rechte Gang nämlich. So wie ſie ſich auf zwei Pfoten aufgerichtet hatten, fielen ſie ſofort unter
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 738. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/780>, abgerufen am 16.06.2024.
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