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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die stellersche Seekuh oder das nordische Borkenthier.
des Thieres. Wir wollen aber, um es und sein Leben genauer kennen zu lernen, seinen einzigen
Beschreiber, eben unseren Steller, weiter reden lassen.

"Die größten von diesen Thieren," fährt er fort, "sind 4 bis 5 Faden oder 28 bis 35 englische
Fuß lang und an der stärksten Stelle, um die Gegend des Nabels, vierthalb Faden dick. Bis an den
Nabel vergleicht sich dies Thier den Robbenarten, von da bis an den Schwanz einem Fisch. Der
Kopf vom Geripp ist von einem Pferdekopf in der allgemeinen Gestalt nicht unterschieden, wo er
aber mit Fell und Fleisch noch überkleidet ist, gleicht er einigermaßen einem Büffelkopfe, besonders
was die Lippen anbetrifft. Jm Munde hat es statt der Zähne auf jeder Seite zwei breite, läng-
liche, glatte, lockere Knochen, davon der eine oben im Gaumen, der andere inwendig am Unter-
kiefer angeheftet ist. Beide sind mit vielen, schräg im Winkel zusammenlaufenden Furchen und
erhabenen Schwielen versehen, mit welchen das Thier seine gewöhnliche Nahrung, die Seekräuter,
zermalmt. Die Lippen sind mit vielen starken Borsten besetzt, davon die am Unterkiefer dergestalt
dick sind, daß sie Federkiele von Hühnern vorstellen könnten und durch ihre inwendige Höhle den
Bau der Haare klärlich vor Augen legen. Die Augen dieses so großen Thieres sind nicht größer
als Schafsaugen und ohne Augenlider; die Ohrlöcher sind dergestalt klein und verborgen, daß
man sie unter den vielen Gruben und Runzeln der Haut nicht finden und erkennen kann, bevor
man die Haut nicht abgelöst, da dann der Ohrengang durch seine polirte Schwärze in die Augen
fällt, obwohl er kaum so geraum ist, daß eine Erbse darin Platz hat. Von dem äußeren Ohr ist
nicht die geringste Spur vorhanden. Der Kopf ist durch einen kurzen, unabgesetzten Hals mit dem
übrigen Körper verbunden. An der Brust sind die seltsamen Vorderfüße und die Brüste merk-
würdig. Die Füße bestehen aus zwei Gelenken, deren äußeres Ende eine ziemliche Aehnlichkeit mit
einem Pferdefuß hat; sie sind unten wie eine Kratzbürste mit vielen kurzen und dicht gesetzten Bor-
sten versehen. Mit seinen Vordertatzen, woran weder Finger noch Nägel zu unterscheiden, schwimmt
das Thier vorwärts, schlägt die Seekräuter vom steinernen Grunde ab, und wenn es sich zur Be-
gattung, auf dem Rücken liegend, fertig macht, umfaßt eins das andere gleich als mit den Armen.
Unter diesen Vorderfüßen finden sich Brüste mit schwarzen, runzeligen, zwei Zoll langen Warzen
versehen, in deren äußerstes Ende sich unzählige Milchgänge öffnen. Wenn man die Warzen etwas
stark streift, so geben sie eine große Menge Milch von sich, die an Süßigkeit und Fettigkeit die der
Landthiere übertrifft, sonst aber nicht davon verschieden ist. Der Rücken an diesen Thieren ist
ebenfalls wie bei einem Ochsen beschaffen, die Seiten sind länglich rund, der Bauch gerundet und zu
allen Zeiten so voll gestopft, daß bei der geringsten Wunde die Gedärme sogleich mit vielem Pfeifen
heraustreten. Von der Scham an nimmt das Thier auf ein Mal im Umfang sehr stark ab; der
Schwanz selbst aber wird nach der Floßfeder zu, die statt der Hinterfüße ist, noch immer dünner;
doch ist er unmittelbar vor der Floßfeder im Durchschnitt noch zwei Schuh breit. Es hat übrigens
dieses Thier außer der Schwanzflosse keine andere auf dem Rücken, wodurch es von den Walfischen
abgeht. Die Schwanzflosse steht wagrecht, wie bei den Walen und Delfinen."

"Diese Thiere leben, wie das Rindvieh, herdenweise in der See. Gemeiniglich gehen Männ-
lein und Weiblein neben einander, das Junge treiben sie vor sich hin am User umher. Sie sind
mit nichts Anderem, als ihrer Nahrung beschäftigt. Der Rücken und die Hälfte des Leibes ist be-
ständig über dem Wasser zu sehen. Sie fressen, wie die Landthiere, unter langsamer Bewegung vor
sich hin; mit den Füßen scharren sie das Seegras von den Steinen ab und kauen es unauf-
hörlich; doch lehrte mich die Beschaffenheit des Magens, daß sie nicht wiederkäuen, wie ich anfangs
vermuthete. Unter dem Fressen bewegen sie den Kopf und Hals, wie ein Ochse, und je nach Ver-
lauf einiger Minuten erheben sie den Kopf aus dem Wasser und schöpfen mit Räuspern und Schnar-
chen, nach Art der Pferde, frische Luft. Wenn das Wasser fällt, begeben sie sich vom Lande in
die See, mit zunehmendem Wasser aber wieder nach dem Seerande, und kommen oft so nahe,

Die ſtellerſche Seekuh oder das nordiſche Borkenthier.
des Thieres. Wir wollen aber, um es und ſein Leben genauer kennen zu lernen, ſeinen einzigen
Beſchreiber, eben unſeren Steller, weiter reden laſſen.

„Die größten von dieſen Thieren,‟ fährt er fort, „ſind 4 bis 5 Faden oder 28 bis 35 engliſche
Fuß lang und an der ſtärkſten Stelle, um die Gegend des Nabels, vierthalb Faden dick. Bis an den
Nabel vergleicht ſich dies Thier den Robbenarten, von da bis an den Schwanz einem Fiſch. Der
Kopf vom Geripp iſt von einem Pferdekopf in der allgemeinen Geſtalt nicht unterſchieden, wo er
aber mit Fell und Fleiſch noch überkleidet iſt, gleicht er einigermaßen einem Büffelkopfe, beſonders
was die Lippen anbetrifft. Jm Munde hat es ſtatt der Zähne auf jeder Seite zwei breite, läng-
liche, glatte, lockere Knochen, davon der eine oben im Gaumen, der andere inwendig am Unter-
kiefer angeheftet iſt. Beide ſind mit vielen, ſchräg im Winkel zuſammenlaufenden Furchen und
erhabenen Schwielen verſehen, mit welchen das Thier ſeine gewöhnliche Nahrung, die Seekräuter,
zermalmt. Die Lippen ſind mit vielen ſtarken Borſten beſetzt, davon die am Unterkiefer dergeſtalt
dick ſind, daß ſie Federkiele von Hühnern vorſtellen könnten und durch ihre inwendige Höhle den
Bau der Haare klärlich vor Augen legen. Die Augen dieſes ſo großen Thieres ſind nicht größer
als Schafsaugen und ohne Augenlider; die Ohrlöcher ſind dergeſtalt klein und verborgen, daß
man ſie unter den vielen Gruben und Runzeln der Haut nicht finden und erkennen kann, bevor
man die Haut nicht abgelöſt, da dann der Ohrengang durch ſeine polirte Schwärze in die Augen
fällt, obwohl er kaum ſo geraum iſt, daß eine Erbſe darin Platz hat. Von dem äußeren Ohr iſt
nicht die geringſte Spur vorhanden. Der Kopf iſt durch einen kurzen, unabgeſetzten Hals mit dem
übrigen Körper verbunden. An der Bruſt ſind die ſeltſamen Vorderfüße und die Brüſte merk-
würdig. Die Füße beſtehen aus zwei Gelenken, deren äußeres Ende eine ziemliche Aehnlichkeit mit
einem Pferdefuß hat; ſie ſind unten wie eine Kratzbürſte mit vielen kurzen und dicht geſetzten Bor-
ſten verſehen. Mit ſeinen Vordertatzen, woran weder Finger noch Nägel zu unterſcheiden, ſchwimmt
das Thier vorwärts, ſchlägt die Seekräuter vom ſteinernen Grunde ab, und wenn es ſich zur Be-
gattung, auf dem Rücken liegend, fertig macht, umfaßt eins das andere gleich als mit den Armen.
Unter dieſen Vorderfüßen finden ſich Brüſte mit ſchwarzen, runzeligen, zwei Zoll langen Warzen
verſehen, in deren äußerſtes Ende ſich unzählige Milchgänge öffnen. Wenn man die Warzen etwas
ſtark ſtreift, ſo geben ſie eine große Menge Milch von ſich, die an Süßigkeit und Fettigkeit die der
Landthiere übertrifft, ſonſt aber nicht davon verſchieden iſt. Der Rücken an dieſen Thieren iſt
ebenfalls wie bei einem Ochſen beſchaffen, die Seiten ſind länglich rund, der Bauch gerundet und zu
allen Zeiten ſo voll geſtopft, daß bei der geringſten Wunde die Gedärme ſogleich mit vielem Pfeifen
heraustreten. Von der Scham an nimmt das Thier auf ein Mal im Umfang ſehr ſtark ab; der
Schwanz ſelbſt aber wird nach der Floßfeder zu, die ſtatt der Hinterfüße iſt, noch immer dünner;
doch iſt er unmittelbar vor der Floßfeder im Durchſchnitt noch zwei Schuh breit. Es hat übrigens
dieſes Thier außer der Schwanzfloſſe keine andere auf dem Rücken, wodurch es von den Walfiſchen
abgeht. Die Schwanzfloſſe ſteht wagrecht, wie bei den Walen und Delfinen.‟

„Dieſe Thiere leben, wie das Rindvieh, herdenweiſe in der See. Gemeiniglich gehen Männ-
lein und Weiblein neben einander, das Junge treiben ſie vor ſich hin am Uſer umher. Sie ſind
mit nichts Anderem, als ihrer Nahrung beſchäftigt. Der Rücken und die Hälfte des Leibes iſt be-
ſtändig über dem Waſſer zu ſehen. Sie freſſen, wie die Landthiere, unter langſamer Bewegung vor
ſich hin; mit den Füßen ſcharren ſie das Seegras von den Steinen ab und kauen es unauf-
hörlich; doch lehrte mich die Beſchaffenheit des Magens, daß ſie nicht wiederkäuen, wie ich anfangs
vermuthete. Unter dem Freſſen bewegen ſie den Kopf und Hals, wie ein Ochſe, und je nach Ver-
lauf einiger Minuten erheben ſie den Kopf aus dem Waſſer und ſchöpfen mit Räuſpern und Schnar-
chen, nach Art der Pferde, friſche Luft. Wenn das Waſſer fällt, begeben ſie ſich vom Lande in
die See, mit zunehmendem Waſſer aber wieder nach dem Seerande, und kommen oft ſo nahe,

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[823/0871] Die ſtellerſche Seekuh oder das nordiſche Borkenthier. des Thieres. Wir wollen aber, um es und ſein Leben genauer kennen zu lernen, ſeinen einzigen Beſchreiber, eben unſeren Steller, weiter reden laſſen. „Die größten von dieſen Thieren,‟ fährt er fort, „ſind 4 bis 5 Faden oder 28 bis 35 engliſche Fuß lang und an der ſtärkſten Stelle, um die Gegend des Nabels, vierthalb Faden dick. Bis an den Nabel vergleicht ſich dies Thier den Robbenarten, von da bis an den Schwanz einem Fiſch. Der Kopf vom Geripp iſt von einem Pferdekopf in der allgemeinen Geſtalt nicht unterſchieden, wo er aber mit Fell und Fleiſch noch überkleidet iſt, gleicht er einigermaßen einem Büffelkopfe, beſonders was die Lippen anbetrifft. Jm Munde hat es ſtatt der Zähne auf jeder Seite zwei breite, läng- liche, glatte, lockere Knochen, davon der eine oben im Gaumen, der andere inwendig am Unter- kiefer angeheftet iſt. Beide ſind mit vielen, ſchräg im Winkel zuſammenlaufenden Furchen und erhabenen Schwielen verſehen, mit welchen das Thier ſeine gewöhnliche Nahrung, die Seekräuter, zermalmt. Die Lippen ſind mit vielen ſtarken Borſten beſetzt, davon die am Unterkiefer dergeſtalt dick ſind, daß ſie Federkiele von Hühnern vorſtellen könnten und durch ihre inwendige Höhle den Bau der Haare klärlich vor Augen legen. Die Augen dieſes ſo großen Thieres ſind nicht größer als Schafsaugen und ohne Augenlider; die Ohrlöcher ſind dergeſtalt klein und verborgen, daß man ſie unter den vielen Gruben und Runzeln der Haut nicht finden und erkennen kann, bevor man die Haut nicht abgelöſt, da dann der Ohrengang durch ſeine polirte Schwärze in die Augen fällt, obwohl er kaum ſo geraum iſt, daß eine Erbſe darin Platz hat. Von dem äußeren Ohr iſt nicht die geringſte Spur vorhanden. Der Kopf iſt durch einen kurzen, unabgeſetzten Hals mit dem übrigen Körper verbunden. An der Bruſt ſind die ſeltſamen Vorderfüße und die Brüſte merk- würdig. Die Füße beſtehen aus zwei Gelenken, deren äußeres Ende eine ziemliche Aehnlichkeit mit einem Pferdefuß hat; ſie ſind unten wie eine Kratzbürſte mit vielen kurzen und dicht geſetzten Bor- ſten verſehen. Mit ſeinen Vordertatzen, woran weder Finger noch Nägel zu unterſcheiden, ſchwimmt das Thier vorwärts, ſchlägt die Seekräuter vom ſteinernen Grunde ab, und wenn es ſich zur Be- gattung, auf dem Rücken liegend, fertig macht, umfaßt eins das andere gleich als mit den Armen. Unter dieſen Vorderfüßen finden ſich Brüſte mit ſchwarzen, runzeligen, zwei Zoll langen Warzen verſehen, in deren äußerſtes Ende ſich unzählige Milchgänge öffnen. Wenn man die Warzen etwas ſtark ſtreift, ſo geben ſie eine große Menge Milch von ſich, die an Süßigkeit und Fettigkeit die der Landthiere übertrifft, ſonſt aber nicht davon verſchieden iſt. Der Rücken an dieſen Thieren iſt ebenfalls wie bei einem Ochſen beſchaffen, die Seiten ſind länglich rund, der Bauch gerundet und zu allen Zeiten ſo voll geſtopft, daß bei der geringſten Wunde die Gedärme ſogleich mit vielem Pfeifen heraustreten. Von der Scham an nimmt das Thier auf ein Mal im Umfang ſehr ſtark ab; der Schwanz ſelbſt aber wird nach der Floßfeder zu, die ſtatt der Hinterfüße iſt, noch immer dünner; doch iſt er unmittelbar vor der Floßfeder im Durchſchnitt noch zwei Schuh breit. Es hat übrigens dieſes Thier außer der Schwanzfloſſe keine andere auf dem Rücken, wodurch es von den Walfiſchen abgeht. Die Schwanzfloſſe ſteht wagrecht, wie bei den Walen und Delfinen.‟ „Dieſe Thiere leben, wie das Rindvieh, herdenweiſe in der See. Gemeiniglich gehen Männ- lein und Weiblein neben einander, das Junge treiben ſie vor ſich hin am Uſer umher. Sie ſind mit nichts Anderem, als ihrer Nahrung beſchäftigt. Der Rücken und die Hälfte des Leibes iſt be- ſtändig über dem Waſſer zu ſehen. Sie freſſen, wie die Landthiere, unter langſamer Bewegung vor ſich hin; mit den Füßen ſcharren ſie das Seegras von den Steinen ab und kauen es unauf- hörlich; doch lehrte mich die Beſchaffenheit des Magens, daß ſie nicht wiederkäuen, wie ich anfangs vermuthete. Unter dem Freſſen bewegen ſie den Kopf und Hals, wie ein Ochſe, und je nach Ver- lauf einiger Minuten erheben ſie den Kopf aus dem Waſſer und ſchöpfen mit Räuſpern und Schnar- chen, nach Art der Pferde, friſche Luft. Wenn das Waſſer fällt, begeben ſie ſich vom Lande in die See, mit zunehmendem Waſſer aber wieder nach dem Seerande, und kommen oft ſo nahe,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 823. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/871>, abgerufen am 30.04.2024.