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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Knacker. Rabenvögel. Pisangfresser.
seinem Betragen erinnert der sonderbare Gesell an das Säugethier, welches ihm seinen Namen leihen
mußte. Wie dieses zwängt er sich durch die schmalsten Oeffnungen, wie dieses drängt er sich durch Ver-
zweigungen welche, ihm gerade so viel Raum lassen, daß er seinen Leib eben durchpressen kann. Ein
Flug erscheint an der einen Wand eines solchen Busches, hängt sich einen Augenblick hier fest, findet in
dem nächsten eine Oeffnung und ist nun im Nu verschwunden. Jst man so glücklich, den Busch
umgehen zu können, so gewahrt man, daß nach einiger Zeit an der entgegengesetzten Wand ein Kopf
zum Vorschein kommt, nach dem Kopf der Leib und endlich der ganze Vogel. Ein Schreien wird laut,
alle Köpfe zeigen sich und plötzlich schwirrt der ganze Schwarm geradeaus einem zweiten Busche zu,
um hier in eben derselben Weise zu verschwinden. Wie die Vögel es angestellt haben, um das Jnnere
des Busches zu durchdringen, bleibt dem Beobachter ein Räthsel. Es gehört eben ihre ganze Mäuse-
fertigkeit dazu. Der Flug selbst ist wechselweise ein Schwirren und ein Schweben mit weit aus-
gebreiteten Flügeln und etwas gebreitetem Schwanz, welcher wie eine Schleppe nachschleift. Vaillant
vergleicht den Schwarm überaus treffend mit dahinfliegenden Pfeilen; so, genau so, wie ein durch die
Luft schwirrender Pfeil, sieht der Mäusevogel aus. Zu größeren Höhen steigen die fliegenden Mäuse-
vögel niemals empor, und ebensowenig kommen sie auf den Boden herab. Während des Fliegens
schreit die ganze Bande gemeinschaftlich auf, jeder einzelne läßt einen schrillenden Laut vernehmen,
welcher wie "Kirr kirr" oder "Tri tri" klingt; aber alle schreien zusammen, und so vereinigen
sich die Töne zu einem, mit Worten nicht wieder zu gebenden Geschwirr.

Vaillant erzählt, daß die Mäusevögel sich beim Schlafen klumpenweise an die Zweige hängen,
den Leib nach unten gekehrt, ein Vogel an dem andern, so wie sich bei schwärmenden Bienen eine an
die andere ansetzt. Jch habe Dies nie gesehen; Verreaur aber behauptet, beobachtet zu haben, daß
sich ein Vogel mit einem Bein aufhängt, ein zweiter sich herabhängend an den andern anklammert, ein
dritter an das noch freie Bein des zweiten u. s. f., so daß bisunter Ketten von sechs bis sieben Stücken
an einem Aste herabhängen. Er bestätigt also Vaillant's Angabe vollständig. Nach meinen
Beobachtungen nimmt der Vogel in der Ruhe, also auch im Schlafen eine eigenthümliche Stellung an.
Er sitzt nämlich nicht blos mit den Füßen auf dem Aste, sondern legt sich auch mit der Brust darauf.
Da nun bei dieser Stellung die Fersengelenke sehr gebogen und die Fußwurzeln hart an den Körper
gelegt werden müssen, sieht es allerdings aus, als ob er an dem Aste hänge; im Grunde genommen
klebt er nur an ihm. Während er sich bewegt, nimmt er auch oft die Stellung unserer Meisen
an, indem er sich auf kurze Zeit von unten an den Ast hängt. Dies aber geschieht immer nur
vorübergehend.

Vaillant erzählt nun weiter, daß es keine Mühe verursache, Mäusevögel zu fangen, sobald
man einmal den Schlafplatz ausgekundschaftet habe. Man brauche nachts oder am frühen Morgen
nur zu dem Busche hinzugehen und den ganzen Klumpen wegzunehmen. Die Vögel seien so erstarrt,
daß nicht ein einziger entkomme. Jch brauche wohl kaum zu sagen, daß ich diese Angabe nicht vertreten
mag. Jch habe keine einzige Beobachtung gemacht, welche ein derartiges Betragen der Vögel möglich
erscheinen lassen könnte. Allerdings sind die Mäusevögel niemals scheu. Wenn man sich Mühe gibt,
kann man die ganze Familie nach und nach herabschießen; denn ehe die letzten an die Flucht denken,
hat der geübte Jäger sein Werk beendet. Harmlos und vertrauensselig mag man sie nennen: so
dumm aber, daß sie sich mit Händen greifen ließen, sind sie denn doch nicht. Jhr verstecktes Treiben
in dem dichten, allen Feinden unnahbaren Gebüsch macht sie unvorsichtig; doch wissen sie recht wohl
zwischen einem gefährlichen und einem ungefährlichen Thier zu unterscheiden. Jn den Gärten sind sie
sogar ziemlich vorsichtig.

Die Nahrung scheint auf Pflanzenstoffe beschränkt zu sein. Jch habe früher geglaubt, daß sie
auch Kerbthiere fressen, bei meiner letzten Reise nach Habesch aber in dem Magen aller derjenigen,
welche ich erlegte, nur Blatttheile, namentlich Knospen, Fruchtstücke und weiche Körner gefunden.
Die Früchte des Christusdorns bilden in Mittelafrika ihre Hauptnahrung. Jn den Gärten gehen sie
die Kaktusfeigen und die Trauben an, naschen nach Hartmann's Erfahrungen aber auch die süßen

Die Knacker. Rabenvögel. Piſangfreſſer.
ſeinem Betragen erinnert der ſonderbare Geſell an das Säugethier, welches ihm ſeinen Namen leihen
mußte. Wie dieſes zwängt er ſich durch die ſchmalſten Oeffnungen, wie dieſes drängt er ſich durch Ver-
zweigungen welche, ihm gerade ſo viel Raum laſſen, daß er ſeinen Leib eben durchpreſſen kann. Ein
Flug erſcheint an der einen Wand eines ſolchen Buſches, hängt ſich einen Augenblick hier feſt, findet in
dem nächſten eine Oeffnung und iſt nun im Nu verſchwunden. Jſt man ſo glücklich, den Buſch
umgehen zu können, ſo gewahrt man, daß nach einiger Zeit an der entgegengeſetzten Wand ein Kopf
zum Vorſchein kommt, nach dem Kopf der Leib und endlich der ganze Vogel. Ein Schreien wird laut,
alle Köpfe zeigen ſich und plötzlich ſchwirrt der ganze Schwarm geradeaus einem zweiten Buſche zu,
um hier in eben derſelben Weiſe zu verſchwinden. Wie die Vögel es angeſtellt haben, um das Jnnere
des Buſches zu durchdringen, bleibt dem Beobachter ein Räthſel. Es gehört eben ihre ganze Mäuſe-
fertigkeit dazu. Der Flug ſelbſt iſt wechſelweiſe ein Schwirren und ein Schweben mit weit aus-
gebreiteten Flügeln und etwas gebreitetem Schwanz, welcher wie eine Schleppe nachſchleift. Vaillant
vergleicht den Schwarm überaus treffend mit dahinfliegenden Pfeilen; ſo, genau ſo, wie ein durch die
Luft ſchwirrender Pfeil, ſieht der Mäuſevogel aus. Zu größeren Höhen ſteigen die fliegenden Mäuſe-
vögel niemals empor, und ebenſowenig kommen ſie auf den Boden herab. Während des Fliegens
ſchreit die ganze Bande gemeinſchaftlich auf, jeder einzelne läßt einen ſchrillenden Laut vernehmen,
welcher wie „Kirr kirr‟ oder „Tri tri‟ klingt; aber alle ſchreien zuſammen, und ſo vereinigen
ſich die Töne zu einem, mit Worten nicht wieder zu gebenden Geſchwirr.

Vaillant erzählt, daß die Mäuſevögel ſich beim Schlafen klumpenweiſe an die Zweige hängen,
den Leib nach unten gekehrt, ein Vogel an dem andern, ſo wie ſich bei ſchwärmenden Bienen eine an
die andere anſetzt. Jch habe Dies nie geſehen; Verreaur aber behauptet, beobachtet zu haben, daß
ſich ein Vogel mit einem Bein aufhängt, ein zweiter ſich herabhängend an den andern anklammert, ein
dritter an das noch freie Bein des zweiten u. ſ. f., ſo daß bisunter Ketten von ſechs bis ſieben Stücken
an einem Aſte herabhängen. Er beſtätigt alſo Vaillant’s Angabe vollſtändig. Nach meinen
Beobachtungen nimmt der Vogel in der Ruhe, alſo auch im Schlafen eine eigenthümliche Stellung an.
Er ſitzt nämlich nicht blos mit den Füßen auf dem Aſte, ſondern legt ſich auch mit der Bruſt darauf.
Da nun bei dieſer Stellung die Ferſengelenke ſehr gebogen und die Fußwurzeln hart an den Körper
gelegt werden müſſen, ſieht es allerdings aus, als ob er an dem Aſte hänge; im Grunde genommen
klebt er nur an ihm. Während er ſich bewegt, nimmt er auch oft die Stellung unſerer Meiſen
an, indem er ſich auf kurze Zeit von unten an den Aſt hängt. Dies aber geſchieht immer nur
vorübergehend.

Vaillant erzählt nun weiter, daß es keine Mühe verurſache, Mäuſevögel zu fangen, ſobald
man einmal den Schlafplatz ausgekundſchaftet habe. Man brauche nachts oder am frühen Morgen
nur zu dem Buſche hinzugehen und den ganzen Klumpen wegzunehmen. Die Vögel ſeien ſo erſtarrt,
daß nicht ein einziger entkomme. Jch brauche wohl kaum zu ſagen, daß ich dieſe Angabe nicht vertreten
mag. Jch habe keine einzige Beobachtung gemacht, welche ein derartiges Betragen der Vögel möglich
erſcheinen laſſen könnte. Allerdings ſind die Mäuſevögel niemals ſcheu. Wenn man ſich Mühe gibt,
kann man die ganze Familie nach und nach herabſchießen; denn ehe die letzten an die Flucht denken,
hat der geübte Jäger ſein Werk beendet. Harmlos und vertrauensſelig mag man ſie nennen: ſo
dumm aber, daß ſie ſich mit Händen greifen ließen, ſind ſie denn doch nicht. Jhr verſtecktes Treiben
in dem dichten, allen Feinden unnahbaren Gebüſch macht ſie unvorſichtig; doch wiſſen ſie recht wohl
zwiſchen einem gefährlichen und einem ungefährlichen Thier zu unterſcheiden. Jn den Gärten ſind ſie
ſogar ziemlich vorſichtig.

Die Nahrung ſcheint auf Pflanzenſtoffe beſchränkt zu ſein. Jch habe früher geglaubt, daß ſie
auch Kerbthiere freſſen, bei meiner letzten Reiſe nach Habeſch aber in dem Magen aller derjenigen,
welche ich erlegte, nur Blatttheile, namentlich Knoſpen, Fruchtſtücke und weiche Körner gefunden.
Die Früchte des Chriſtusdorns bilden in Mittelafrika ihre Hauptnahrung. Jn den Gärten gehen ſie
die Kaktusfeigen und die Trauben an, naſchen nach Hartmann’s Erfahrungen aber auch die ſüßen

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[398/0426] Die Knacker. Rabenvögel. Piſangfreſſer. ſeinem Betragen erinnert der ſonderbare Geſell an das Säugethier, welches ihm ſeinen Namen leihen mußte. Wie dieſes zwängt er ſich durch die ſchmalſten Oeffnungen, wie dieſes drängt er ſich durch Ver- zweigungen welche, ihm gerade ſo viel Raum laſſen, daß er ſeinen Leib eben durchpreſſen kann. Ein Flug erſcheint an der einen Wand eines ſolchen Buſches, hängt ſich einen Augenblick hier feſt, findet in dem nächſten eine Oeffnung und iſt nun im Nu verſchwunden. Jſt man ſo glücklich, den Buſch umgehen zu können, ſo gewahrt man, daß nach einiger Zeit an der entgegengeſetzten Wand ein Kopf zum Vorſchein kommt, nach dem Kopf der Leib und endlich der ganze Vogel. Ein Schreien wird laut, alle Köpfe zeigen ſich und plötzlich ſchwirrt der ganze Schwarm geradeaus einem zweiten Buſche zu, um hier in eben derſelben Weiſe zu verſchwinden. Wie die Vögel es angeſtellt haben, um das Jnnere des Buſches zu durchdringen, bleibt dem Beobachter ein Räthſel. Es gehört eben ihre ganze Mäuſe- fertigkeit dazu. Der Flug ſelbſt iſt wechſelweiſe ein Schwirren und ein Schweben mit weit aus- gebreiteten Flügeln und etwas gebreitetem Schwanz, welcher wie eine Schleppe nachſchleift. Vaillant vergleicht den Schwarm überaus treffend mit dahinfliegenden Pfeilen; ſo, genau ſo, wie ein durch die Luft ſchwirrender Pfeil, ſieht der Mäuſevogel aus. Zu größeren Höhen ſteigen die fliegenden Mäuſe- vögel niemals empor, und ebenſowenig kommen ſie auf den Boden herab. Während des Fliegens ſchreit die ganze Bande gemeinſchaftlich auf, jeder einzelne läßt einen ſchrillenden Laut vernehmen, welcher wie „Kirr kirr‟ oder „Tri tri‟ klingt; aber alle ſchreien zuſammen, und ſo vereinigen ſich die Töne zu einem, mit Worten nicht wieder zu gebenden Geſchwirr. Vaillant erzählt, daß die Mäuſevögel ſich beim Schlafen klumpenweiſe an die Zweige hängen, den Leib nach unten gekehrt, ein Vogel an dem andern, ſo wie ſich bei ſchwärmenden Bienen eine an die andere anſetzt. Jch habe Dies nie geſehen; Verreaur aber behauptet, beobachtet zu haben, daß ſich ein Vogel mit einem Bein aufhängt, ein zweiter ſich herabhängend an den andern anklammert, ein dritter an das noch freie Bein des zweiten u. ſ. f., ſo daß bisunter Ketten von ſechs bis ſieben Stücken an einem Aſte herabhängen. Er beſtätigt alſo Vaillant’s Angabe vollſtändig. Nach meinen Beobachtungen nimmt der Vogel in der Ruhe, alſo auch im Schlafen eine eigenthümliche Stellung an. Er ſitzt nämlich nicht blos mit den Füßen auf dem Aſte, ſondern legt ſich auch mit der Bruſt darauf. Da nun bei dieſer Stellung die Ferſengelenke ſehr gebogen und die Fußwurzeln hart an den Körper gelegt werden müſſen, ſieht es allerdings aus, als ob er an dem Aſte hänge; im Grunde genommen klebt er nur an ihm. Während er ſich bewegt, nimmt er auch oft die Stellung unſerer Meiſen an, indem er ſich auf kurze Zeit von unten an den Aſt hängt. Dies aber geſchieht immer nur vorübergehend. Vaillant erzählt nun weiter, daß es keine Mühe verurſache, Mäuſevögel zu fangen, ſobald man einmal den Schlafplatz ausgekundſchaftet habe. Man brauche nachts oder am frühen Morgen nur zu dem Buſche hinzugehen und den ganzen Klumpen wegzunehmen. Die Vögel ſeien ſo erſtarrt, daß nicht ein einziger entkomme. Jch brauche wohl kaum zu ſagen, daß ich dieſe Angabe nicht vertreten mag. Jch habe keine einzige Beobachtung gemacht, welche ein derartiges Betragen der Vögel möglich erſcheinen laſſen könnte. Allerdings ſind die Mäuſevögel niemals ſcheu. Wenn man ſich Mühe gibt, kann man die ganze Familie nach und nach herabſchießen; denn ehe die letzten an die Flucht denken, hat der geübte Jäger ſein Werk beendet. Harmlos und vertrauensſelig mag man ſie nennen: ſo dumm aber, daß ſie ſich mit Händen greifen ließen, ſind ſie denn doch nicht. Jhr verſtecktes Treiben in dem dichten, allen Feinden unnahbaren Gebüſch macht ſie unvorſichtig; doch wiſſen ſie recht wohl zwiſchen einem gefährlichen und einem ungefährlichen Thier zu unterſcheiden. Jn den Gärten ſind ſie ſogar ziemlich vorſichtig. Die Nahrung ſcheint auf Pflanzenſtoffe beſchränkt zu ſein. Jch habe früher geglaubt, daß ſie auch Kerbthiere freſſen, bei meiner letzten Reiſe nach Habeſch aber in dem Magen aller derjenigen, welche ich erlegte, nur Blatttheile, namentlich Knoſpen, Fruchtſtücke und weiche Körner gefunden. Die Früchte des Chriſtusdorns bilden in Mittelafrika ihre Hauptnahrung. Jn den Gärten gehen ſie die Kaktusfeigen und die Trauben an, naſchen nach Hartmann’s Erfahrungen aber auch die ſüßen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/426>, abgerufen am 30.04.2024.