Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Spinnenartige Schildassel. Bandasseln.
einander gleich und sämmtlich mehr nach hinten gerichtet. Das vorletzte Paar erscheint länger,
in noch erhöhterem Maße aber das über die Hinterleibsspitze gerade hinausstehende letzte, an dessen
kräftigem Schenkeltheile meist zahlreiche Zähne sitzen, sodaß durch Bewehrung und Richtung diese
Beine das Ansehen eines Fangapparates annehmen, wozu sie unter Umständen auch verwendet
werden. Jeder Körperring besteht aus einer Rücken- und einer Bauchplatte, welche beide an den
Seiten durch eine weiche Haut, die gleichzeitig eine Trägerin für die Beine und an einem Gliede
um das andere für die Luftlöcher ist, verbunden werden. Der weibliche Eierstock tritt als
einzelner, sehr lauger und darmartiger Schlauch auf, dem bald ein, bald zwei kurze Eileiter
entspringen, welche jedoch mit doppelter Samentasche versehen sind; ihr Ausgang befindet sich am
letzten Hinterleibsgliede wie die männlichen Geschlechtswerkzeuge, denen äußere Haftorgane behufs
der Paarung fehlen. Eine solche erfolgt nach Fabre's Beobachtung auch nicht, sondern die
Männchen setzen ihre Samenflüssigkeit an Fäden, die sie nach Spinnenart am Erdboden ziehen,
ab, damit sie von den Weibchen in die Geschlechtsöffnung aufgenommen werden könne. Die
Chilopoden bewegen sich unter schlangenförmigen Biegungen ihres Körpers sehr schnell auf den
Beinen dahin, wenn sie in ihren Verstecken aufgescheucht werden, und suchen sofort die Dunkelheit
von Neuem auf. Jhre Nahrung besteht vorzugsweise aus Spinnen, Milben, kleinen Kerfen aller
Art, welche sich in ihrer Nachbarschaft umhertreiben, und schnell von ihrem giftigen Bisse sterben.

Jn mehr denn einer Beziehung stehen die Schildasseln (Scutigera) unter allen Tausend-
füßlern einzig da durch die vorquellenden zusammengesetzten Augen, die überaus langen Fühler
und Beine, welche nach hinten zu immer größer werden, bis die letzten gleich zwei langen Fäden
den Körper mehr als ein Mal an Länge übertreffen, und durch die oben auf der Mittellinie des
Rückens an den Spitzen der einzelnen Platten augebrachten Lustlöcher. Der Kopf ist zwischen den
Fühlern und beiderseits hinter den Augen aufgetrieben, der Körper in seiner Gliederzahl verschieden,
je nachdem sie von oben oder von unten bestimmt wird. Man unterscheidet nämlich acht Rücken-
und fünfzehn schmale, den Seitenrand nicht erreichende Bauchplatten. Ueberdies fallen vom dritten
bis fünften Gliede der Beine scharfe Enddornen auf. Die Schildasseln sind in wenigen Arten
über alle Erdtheile ausgebreitet, kommen mit Ausnahme zweier europäischer nur in den wärmeren
Gegenden vor, und halten sich gern in altem Holzwerk auf; mit großer Behendigkeit kriechen sie
an senkrechten Wänden in die Höhe, verlassen aber nur des Nachts ihre Verstecke. Die Beine
gehen ihnen sehr leicht verloren und daher eignen sich diese Thiere im getrockneten Zustande wenig
zur Aufbewahrung in den Sammlungen.

Die spinnenartige Schildassel (Sc. coleoptrata oder Cermatia araneoides), welche noch
eine lange Reihe anderer Namen führt, lebt im südlichen Europa und nördlichen Afrika, wurde
jedoch von Perleb auch in Fridburg (Würtemberg) unter Dielen aufgesunden. Der blaßgelbe,
auf dem Rücken mit drei blauschwarzen Längslinien gezeichnete Körper mißt 1 Zoll in der Länge;
an allen Beinen ist das dritte, an den hinteren auch das vierte Glied blauschwarz geringelt.



Die Bandassel, welche sich in Deutschland überall in faulenden Baumstämmen, oder an
seuchten, dumpfen Stellen zwischen abgefallenem Laube unter Steinen findet, und zwar nicht nur
in der Ebene, sondern auch auf höheren Gebirgsgipfeln, wie in den Alpen, gehört der Gattung
Lithobius an. Unterhaltend sind die schlangenförmigen Windungen und die Eile, mit welcher sich
das gestörte Thier dem Lichte zu entziehen sucht, dabei auch, wenn man es berührt, mit gleicher
Gewandtheit rückwärts geht, indem es die für gewöhnlich nachgeschleppten vier Hinterbeine zu Hilfe

Taschenberg, wirbellose Thiere. (Brehm, Thierleben. VI.) 35

Spinnenartige Schildaſſel. Bandaſſeln.
einander gleich und ſämmtlich mehr nach hinten gerichtet. Das vorletzte Paar erſcheint länger,
in noch erhöhterem Maße aber das über die Hinterleibsſpitze gerade hinausſtehende letzte, an deſſen
kräftigem Schenkeltheile meiſt zahlreiche Zähne ſitzen, ſodaß durch Bewehrung und Richtung dieſe
Beine das Anſehen eines Fangapparates annehmen, wozu ſie unter Umſtänden auch verwendet
werden. Jeder Körperring beſteht aus einer Rücken- und einer Bauchplatte, welche beide an den
Seiten durch eine weiche Haut, die gleichzeitig eine Trägerin für die Beine und an einem Gliede
um das andere für die Luftlöcher iſt, verbunden werden. Der weibliche Eierſtock tritt als
einzelner, ſehr lauger und darmartiger Schlauch auf, dem bald ein, bald zwei kurze Eileiter
entſpringen, welche jedoch mit doppelter Samentaſche verſehen ſind; ihr Ausgang befindet ſich am
letzten Hinterleibsgliede wie die männlichen Geſchlechtswerkzeuge, denen äußere Haftorgane behufs
der Paarung fehlen. Eine ſolche erfolgt nach Fabre’s Beobachtung auch nicht, ſondern die
Männchen ſetzen ihre Samenflüſſigkeit an Fäden, die ſie nach Spinnenart am Erdboden ziehen,
ab, damit ſie von den Weibchen in die Geſchlechtsöffnung aufgenommen werden könne. Die
Chilopoden bewegen ſich unter ſchlangenförmigen Biegungen ihres Körpers ſehr ſchnell auf den
Beinen dahin, wenn ſie in ihren Verſtecken aufgeſcheucht werden, und ſuchen ſofort die Dunkelheit
von Neuem auf. Jhre Nahrung beſteht vorzugsweiſe aus Spinnen, Milben, kleinen Kerfen aller
Art, welche ſich in ihrer Nachbarſchaft umhertreiben, und ſchnell von ihrem giftigen Biſſe ſterben.

Jn mehr denn einer Beziehung ſtehen die Schildaſſeln (Scutigera) unter allen Tauſend-
füßlern einzig da durch die vorquellenden zuſammengeſetzten Augen, die überaus langen Fühler
und Beine, welche nach hinten zu immer größer werden, bis die letzten gleich zwei langen Fäden
den Körper mehr als ein Mal an Länge übertreffen, und durch die oben auf der Mittellinie des
Rückens an den Spitzen der einzelnen Platten augebrachten Luſtlöcher. Der Kopf iſt zwiſchen den
Fühlern und beiderſeits hinter den Augen aufgetrieben, der Körper in ſeiner Gliederzahl verſchieden,
je nachdem ſie von oben oder von unten beſtimmt wird. Man unterſcheidet nämlich acht Rücken-
und fünfzehn ſchmale, den Seitenrand nicht erreichende Bauchplatten. Ueberdies fallen vom dritten
bis fünften Gliede der Beine ſcharfe Enddornen auf. Die Schildaſſeln ſind in wenigen Arten
über alle Erdtheile ausgebreitet, kommen mit Ausnahme zweier europäiſcher nur in den wärmeren
Gegenden vor, und halten ſich gern in altem Holzwerk auf; mit großer Behendigkeit kriechen ſie
an ſenkrechten Wänden in die Höhe, verlaſſen aber nur des Nachts ihre Verſtecke. Die Beine
gehen ihnen ſehr leicht verloren und daher eignen ſich dieſe Thiere im getrockneten Zuſtande wenig
zur Aufbewahrung in den Sammlungen.

Die ſpinnenartige Schildaſſel (Sc. coleoptrata oder Cermatia araneoides), welche noch
eine lange Reihe anderer Namen führt, lebt im ſüdlichen Europa und nördlichen Afrika, wurde
jedoch von Perleb auch in Fridburg (Würtemberg) unter Dielen aufgeſunden. Der blaßgelbe,
auf dem Rücken mit drei blauſchwarzen Längslinien gezeichnete Körper mißt 1 Zoll in der Länge;
an allen Beinen iſt das dritte, an den hinteren auch das vierte Glied blauſchwarz geringelt.



Die Bandaſſel, welche ſich in Deutſchland überall in faulenden Baumſtämmen, oder an
ſeuchten, dumpfen Stellen zwiſchen abgefallenem Laube unter Steinen findet, und zwar nicht nur
in der Ebene, ſondern auch auf höheren Gebirgsgipfeln, wie in den Alpen, gehört der Gattung
Lithobius an. Unterhaltend ſind die ſchlangenförmigen Windungen und die Eile, mit welcher ſich
das geſtörte Thier dem Lichte zu entziehen ſucht, dabei auch, wenn man es berührt, mit gleicher
Gewandtheit rückwärts geht, indem es die für gewöhnlich nachgeſchleppten vier Hinterbeine zu Hilfe

Taſchenberg, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben. VI.) 35
<TEI>
  <text>
    <body>
      <floatingText>
        <body>
          <div n="1">
            <div n="2">
              <div n="3">
                <p><pb facs="#f0581" n="545"/><fw place="top" type="header">Spinnenartige Schilda&#x017F;&#x017F;el. Banda&#x017F;&#x017F;eln.</fw><lb/>
einander gleich und &#x017F;ämmtlich mehr nach hinten gerichtet. Das vorletzte Paar er&#x017F;cheint länger,<lb/>
in noch erhöhterem Maße aber das über die Hinterleibs&#x017F;pitze gerade hinaus&#x017F;tehende letzte, an de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
kräftigem Schenkeltheile mei&#x017F;t zahlreiche Zähne &#x017F;itzen, &#x017F;odaß durch Bewehrung und Richtung die&#x017F;e<lb/>
Beine das An&#x017F;ehen eines Fangapparates annehmen, wozu &#x017F;ie unter Um&#x017F;tänden auch verwendet<lb/>
werden. Jeder Körperring be&#x017F;teht aus einer Rücken- und einer Bauchplatte, welche beide an den<lb/>
Seiten durch eine weiche Haut, die gleichzeitig eine Trägerin für die Beine und an einem Gliede<lb/>
um das andere für die Luftlöcher i&#x017F;t, verbunden werden. Der weibliche Eier&#x017F;tock tritt als<lb/><hi rendition="#g">einzelner</hi>, &#x017F;ehr lauger und darmartiger Schlauch auf, dem bald ein, bald zwei kurze Eileiter<lb/>
ent&#x017F;pringen, welche jedoch mit doppelter Samenta&#x017F;che ver&#x017F;ehen &#x017F;ind; ihr Ausgang befindet &#x017F;ich am<lb/>
letzten Hinterleibsgliede wie die männlichen Ge&#x017F;chlechtswerkzeuge, denen äußere Haftorgane behufs<lb/>
der Paarung fehlen. Eine &#x017F;olche erfolgt nach <hi rendition="#g">Fabre</hi>&#x2019;s Beobachtung auch nicht, &#x017F;ondern die<lb/>
Männchen &#x017F;etzen ihre Samenflü&#x017F;&#x017F;igkeit an Fäden, die &#x017F;ie nach Spinnenart am Erdboden ziehen,<lb/>
ab, damit &#x017F;ie von den Weibchen in die Ge&#x017F;chlechtsöffnung aufgenommen werden könne. Die<lb/>
Chilopoden bewegen &#x017F;ich unter &#x017F;chlangenförmigen Biegungen ihres Körpers &#x017F;ehr &#x017F;chnell auf den<lb/>
Beinen dahin, wenn &#x017F;ie in ihren Ver&#x017F;tecken aufge&#x017F;cheucht werden, und &#x017F;uchen &#x017F;ofort die Dunkelheit<lb/>
von Neuem auf. Jhre Nahrung be&#x017F;teht vorzugswei&#x017F;e aus Spinnen, Milben, kleinen Kerfen aller<lb/>
Art, welche &#x017F;ich in ihrer Nachbar&#x017F;chaft umhertreiben, und &#x017F;chnell von ihrem giftigen Bi&#x017F;&#x017F;e &#x017F;terben.</p><lb/>
                <p>Jn mehr denn einer Beziehung &#x017F;tehen die <hi rendition="#g">Schilda&#x017F;&#x017F;eln</hi> (<hi rendition="#aq">Scutigera</hi>) unter allen Tau&#x017F;end-<lb/>
füßlern einzig da durch die vorquellenden <hi rendition="#g">zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten</hi> Augen, die überaus langen Fühler<lb/>
und Beine, welche nach hinten zu immer größer werden, bis die letzten gleich zwei langen Fäden<lb/>
den Körper mehr als <hi rendition="#g">ein</hi> Mal an Länge übertreffen, und durch die oben auf der Mittellinie des<lb/>
Rückens an den Spitzen der einzelnen Platten augebrachten Lu&#x017F;tlöcher. Der Kopf i&#x017F;t zwi&#x017F;chen den<lb/>
Fühlern und beider&#x017F;eits hinter den Augen aufgetrieben, der Körper in &#x017F;einer Gliederzahl ver&#x017F;chieden,<lb/>
je nachdem &#x017F;ie von oben oder von unten be&#x017F;timmt wird. Man unter&#x017F;cheidet nämlich acht Rücken-<lb/>
und fünfzehn &#x017F;chmale, den Seitenrand nicht erreichende Bauchplatten. Ueberdies fallen vom dritten<lb/>
bis fünften Gliede der Beine &#x017F;charfe Enddornen auf. Die Schilda&#x017F;&#x017F;eln &#x017F;ind in wenigen Arten<lb/>
über alle Erdtheile ausgebreitet, kommen mit Ausnahme zweier europäi&#x017F;cher nur in den wärmeren<lb/>
Gegenden vor, und halten &#x017F;ich gern in altem Holzwerk auf; mit großer Behendigkeit kriechen &#x017F;ie<lb/>
an &#x017F;enkrechten Wänden in die Höhe, verla&#x017F;&#x017F;en aber nur des Nachts ihre Ver&#x017F;tecke. Die Beine<lb/>
gehen ihnen &#x017F;ehr leicht verloren und daher eignen &#x017F;ich die&#x017F;e Thiere im getrockneten Zu&#x017F;tande wenig<lb/>
zur Aufbewahrung in den Sammlungen.</p><lb/>
                <p>Die <hi rendition="#g">&#x017F;pinnenartige Schilda&#x017F;&#x017F;el</hi> (<hi rendition="#aq">Sc. coleoptrata</hi> oder <hi rendition="#aq">Cermatia araneoides</hi>), welche noch<lb/>
eine lange Reihe anderer Namen führt, lebt im &#x017F;üdlichen Europa und nördlichen Afrika, wurde<lb/>
jedoch von <hi rendition="#g">Perleb</hi> auch in Fridburg (Würtemberg) unter Dielen aufge&#x017F;unden. Der blaßgelbe,<lb/>
auf dem Rücken mit drei blau&#x017F;chwarzen Längslinien gezeichnete Körper mißt 1 Zoll in der Länge;<lb/>
an allen Beinen i&#x017F;t das dritte, an den hinteren auch das vierte Glied blau&#x017F;chwarz geringelt.</p><lb/>
                <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
                <p>Die Banda&#x017F;&#x017F;el, welche &#x017F;ich in Deut&#x017F;chland überall in faulenden Baum&#x017F;tämmen, oder an<lb/>
&#x017F;euchten, dumpfen Stellen zwi&#x017F;chen abgefallenem Laube unter Steinen findet, und zwar nicht nur<lb/>
in der Ebene, &#x017F;ondern auch auf höheren Gebirgsgipfeln, wie in den Alpen, gehört der Gattung<lb/><hi rendition="#aq">Lithobius</hi> an. Unterhaltend &#x017F;ind die &#x017F;chlangenförmigen Windungen und die Eile, mit welcher &#x017F;ich<lb/>
das ge&#x017F;törte Thier dem Lichte zu entziehen &#x017F;ucht, dabei auch, wenn man es berührt, mit gleicher<lb/>
Gewandtheit rückwärts geht, indem es die für gewöhnlich nachge&#x017F;chleppten vier Hinterbeine zu Hilfe<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Ta&#x017F;chenberg</hi>, wirbello&#x017F;e Thiere. (<hi rendition="#g">Brehm</hi>, Thierleben. <hi rendition="#aq">VI.</hi>) 35</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </body>
      </floatingText>
    </body>
  </text>
</TEI>
[545/0581] Spinnenartige Schildaſſel. Bandaſſeln. einander gleich und ſämmtlich mehr nach hinten gerichtet. Das vorletzte Paar erſcheint länger, in noch erhöhterem Maße aber das über die Hinterleibsſpitze gerade hinausſtehende letzte, an deſſen kräftigem Schenkeltheile meiſt zahlreiche Zähne ſitzen, ſodaß durch Bewehrung und Richtung dieſe Beine das Anſehen eines Fangapparates annehmen, wozu ſie unter Umſtänden auch verwendet werden. Jeder Körperring beſteht aus einer Rücken- und einer Bauchplatte, welche beide an den Seiten durch eine weiche Haut, die gleichzeitig eine Trägerin für die Beine und an einem Gliede um das andere für die Luftlöcher iſt, verbunden werden. Der weibliche Eierſtock tritt als einzelner, ſehr lauger und darmartiger Schlauch auf, dem bald ein, bald zwei kurze Eileiter entſpringen, welche jedoch mit doppelter Samentaſche verſehen ſind; ihr Ausgang befindet ſich am letzten Hinterleibsgliede wie die männlichen Geſchlechtswerkzeuge, denen äußere Haftorgane behufs der Paarung fehlen. Eine ſolche erfolgt nach Fabre’s Beobachtung auch nicht, ſondern die Männchen ſetzen ihre Samenflüſſigkeit an Fäden, die ſie nach Spinnenart am Erdboden ziehen, ab, damit ſie von den Weibchen in die Geſchlechtsöffnung aufgenommen werden könne. Die Chilopoden bewegen ſich unter ſchlangenförmigen Biegungen ihres Körpers ſehr ſchnell auf den Beinen dahin, wenn ſie in ihren Verſtecken aufgeſcheucht werden, und ſuchen ſofort die Dunkelheit von Neuem auf. Jhre Nahrung beſteht vorzugsweiſe aus Spinnen, Milben, kleinen Kerfen aller Art, welche ſich in ihrer Nachbarſchaft umhertreiben, und ſchnell von ihrem giftigen Biſſe ſterben. Jn mehr denn einer Beziehung ſtehen die Schildaſſeln (Scutigera) unter allen Tauſend- füßlern einzig da durch die vorquellenden zuſammengeſetzten Augen, die überaus langen Fühler und Beine, welche nach hinten zu immer größer werden, bis die letzten gleich zwei langen Fäden den Körper mehr als ein Mal an Länge übertreffen, und durch die oben auf der Mittellinie des Rückens an den Spitzen der einzelnen Platten augebrachten Luſtlöcher. Der Kopf iſt zwiſchen den Fühlern und beiderſeits hinter den Augen aufgetrieben, der Körper in ſeiner Gliederzahl verſchieden, je nachdem ſie von oben oder von unten beſtimmt wird. Man unterſcheidet nämlich acht Rücken- und fünfzehn ſchmale, den Seitenrand nicht erreichende Bauchplatten. Ueberdies fallen vom dritten bis fünften Gliede der Beine ſcharfe Enddornen auf. Die Schildaſſeln ſind in wenigen Arten über alle Erdtheile ausgebreitet, kommen mit Ausnahme zweier europäiſcher nur in den wärmeren Gegenden vor, und halten ſich gern in altem Holzwerk auf; mit großer Behendigkeit kriechen ſie an ſenkrechten Wänden in die Höhe, verlaſſen aber nur des Nachts ihre Verſtecke. Die Beine gehen ihnen ſehr leicht verloren und daher eignen ſich dieſe Thiere im getrockneten Zuſtande wenig zur Aufbewahrung in den Sammlungen. Die ſpinnenartige Schildaſſel (Sc. coleoptrata oder Cermatia araneoides), welche noch eine lange Reihe anderer Namen führt, lebt im ſüdlichen Europa und nördlichen Afrika, wurde jedoch von Perleb auch in Fridburg (Würtemberg) unter Dielen aufgeſunden. Der blaßgelbe, auf dem Rücken mit drei blauſchwarzen Längslinien gezeichnete Körper mißt 1 Zoll in der Länge; an allen Beinen iſt das dritte, an den hinteren auch das vierte Glied blauſchwarz geringelt. Die Bandaſſel, welche ſich in Deutſchland überall in faulenden Baumſtämmen, oder an ſeuchten, dumpfen Stellen zwiſchen abgefallenem Laube unter Steinen findet, und zwar nicht nur in der Ebene, ſondern auch auf höheren Gebirgsgipfeln, wie in den Alpen, gehört der Gattung Lithobius an. Unterhaltend ſind die ſchlangenförmigen Windungen und die Eile, mit welcher ſich das geſtörte Thier dem Lichte zu entziehen ſucht, dabei auch, wenn man es berührt, mit gleicher Gewandtheit rückwärts geht, indem es die für gewöhnlich nachgeſchleppten vier Hinterbeine zu Hilfe Taſchenberg, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben. VI.) 35

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/581
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/581>, abgerufen am 26.04.2024.