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Bremscheid, Matthias von. Der christliche Mann in seinem Glauben und Leben. Mainz, 1901.

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sie einige vergnügte Stunden zubringen will? O nein;
sie eilt in ein ödes, dumpfes, enges Zimmer, wo ein
verlassener Pestkranker dem Tode nahe ist. Ihn pflegt
sie mit unerschrockenem Heldenmuthe und mit der
treuesten Sorgfalt, obgleich sie merkt, das das Gift der
Krankheit auch bereits ihren eigenen Körper erfaßt hat,
und man sie vielleicht selbst in wenigen Tagen zu Grabe
trägt. Woher hat sie diesen Opfersinn? für wen nimmt
sie muthig und freudig all' diese Mühen, Entbehrungen
und Lebensgefahren auf sich, sie, die doch einer vor-
nehmen Familie entstammt, und der die Welt lachend
zu Füßen lag und die glänzendsten Anerbietungen
machte? Auf der Brust trägt sie ein Kreuz aus ein-
fachem Metall. Dieses Kreuz gibt uns die Antwort.
Aus Liebe zu Jesus Christus hat die barmherzige
Schwester ihren schweren Beruf erwählt und aus Liebe
zu ihm erträgt sie ihr Leben lang mit Freudigkeit die
harten Entbehrungen und Opfer desselben.

Dort steht am Ufer des Meeres ein junger, gut
talentirter Mann, der, wie man ihm gesagt hat, in
der Welt sein Glück machen könnte. Er hat soeben der
theueren Mutter, deren Liebling er war, zum letzten
Male die Hand gedrückt, hat unter Thränen von seinem
guten Vater und seinen Geschwistern Abschied genommen.
Jetzt steht er im Begriffe, das Schiff zu besteigen, über
den stürmischen Ocean zu fahren und sich in ein weit
entlegenes, unbekanntes Land zu begeben, wo noch wilde
Sitten herrschen und Menschen den falschen Göttern
geschlachtet und geopfert werden. Er geht nicht hin, um

sie einige vergnügte Stunden zubringen will? O nein;
sie eilt in ein ödes, dumpfes, enges Zimmer, wo ein
verlassener Pestkranker dem Tode nahe ist. Ihn pflegt
sie mit unerschrockenem Heldenmuthe und mit der
treuesten Sorgfalt, obgleich sie merkt, das das Gift der
Krankheit auch bereits ihren eigenen Körper erfaßt hat,
und man sie vielleicht selbst in wenigen Tagen zu Grabe
trägt. Woher hat sie diesen Opfersinn? für wen nimmt
sie muthig und freudig all' diese Mühen, Entbehrungen
und Lebensgefahren auf sich, sie, die doch einer vor-
nehmen Familie entstammt, und der die Welt lachend
zu Füßen lag und die glänzendsten Anerbietungen
machte? Auf der Brust trägt sie ein Kreuz aus ein-
fachem Metall. Dieses Kreuz gibt uns die Antwort.
Aus Liebe zu Jesus Christus hat die barmherzige
Schwester ihren schweren Beruf erwählt und aus Liebe
zu ihm erträgt sie ihr Leben lang mit Freudigkeit die
harten Entbehrungen und Opfer desselben.

Dort steht am Ufer des Meeres ein junger, gut
talentirter Mann, der, wie man ihm gesagt hat, in
der Welt sein Glück machen könnte. Er hat soeben der
theueren Mutter, deren Liebling er war, zum letzten
Male die Hand gedrückt, hat unter Thränen von seinem
guten Vater und seinen Geschwistern Abschied genommen.
Jetzt steht er im Begriffe, das Schiff zu besteigen, über
den stürmischen Ocean zu fahren und sich in ein weit
entlegenes, unbekanntes Land zu begeben, wo noch wilde
Sitten herrschen und Menschen den falschen Göttern
geschlachtet und geopfert werden. Er geht nicht hin, um

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[78/0090] sie einige vergnügte Stunden zubringen will? O nein; sie eilt in ein ödes, dumpfes, enges Zimmer, wo ein verlassener Pestkranker dem Tode nahe ist. Ihn pflegt sie mit unerschrockenem Heldenmuthe und mit der treuesten Sorgfalt, obgleich sie merkt, das das Gift der Krankheit auch bereits ihren eigenen Körper erfaßt hat, und man sie vielleicht selbst in wenigen Tagen zu Grabe trägt. Woher hat sie diesen Opfersinn? für wen nimmt sie muthig und freudig all' diese Mühen, Entbehrungen und Lebensgefahren auf sich, sie, die doch einer vor- nehmen Familie entstammt, und der die Welt lachend zu Füßen lag und die glänzendsten Anerbietungen machte? Auf der Brust trägt sie ein Kreuz aus ein- fachem Metall. Dieses Kreuz gibt uns die Antwort. Aus Liebe zu Jesus Christus hat die barmherzige Schwester ihren schweren Beruf erwählt und aus Liebe zu ihm erträgt sie ihr Leben lang mit Freudigkeit die harten Entbehrungen und Opfer desselben. Dort steht am Ufer des Meeres ein junger, gut talentirter Mann, der, wie man ihm gesagt hat, in der Welt sein Glück machen könnte. Er hat soeben der theueren Mutter, deren Liebling er war, zum letzten Male die Hand gedrückt, hat unter Thränen von seinem guten Vater und seinen Geschwistern Abschied genommen. Jetzt steht er im Begriffe, das Schiff zu besteigen, über den stürmischen Ocean zu fahren und sich in ein weit entlegenes, unbekanntes Land zu begeben, wo noch wilde Sitten herrschen und Menschen den falschen Göttern geschlachtet und geopfert werden. Er geht nicht hin, um

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Zitationshilfe: Bremscheid, Matthias von. Der christliche Mann in seinem Glauben und Leben. Mainz, 1901, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bremscheid_mann_1901/90>, abgerufen am 09.05.2024.