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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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gute Behandlung als großen Gehalt sehe, den guten Geruch
aller ihrer Verdienste. Der allgemeine Blumen-Notarius Pub¬
licus Salomons-Siegel bewährte durch seine Theilnahme,
daß sein Name in großem Bezug mit diesem merkwürdigen
Ereignisse stehe. Kurz die Theilnahme aller Kräutlein war
so groß, daß sogar die faule Grethe unter ihnen bemerkt
wurde, der redliche gute Heinrich hatte sie aufgeweckt, daß
auch sie mit ihm dem Alektryo ihr Beileid bezeige.

O wie kindlich, einfältig rührend sprach sich die Theil¬
nahme der frommen Klosterschwestern, Marienkinder genannt,
aus, welche ihr Klösterchen in dem mit Erde erfüllten trocke¬
nen Becken des verfallenen Springbrunnens zu Füßen des
zerbrochenen Liebfrauenbildes bewohnten. Gackeleia nannte
dieses mit lauter Marienpflänzchen überwachsene Brunnenbe¬
cken gewöhnlich ihr Marienklostergärtchen, und pflegte es
besser, als alle anderen Gartenbeete. Alle Marienkäferchen,
die sie fand, setzte sie hinein. Sie hatte sich eine Bank da¬
rin bereitet, und neben dieser stand das Kräutlein Unserlieb-
Frauenbettstroh. Da trieb Gackeleia gewöhnlich ihre Spiele¬
reien. Sie hatte das liebe Dreifaltigkeitsblümchen, das
auch Jelängerjelieber und Denkeli und unnütze Sorge ge¬
nannt wird, zu Füßen des Liebfrauenbildes gepflanzt, weil
die Mutter ihr gesagt hatte, daß dieß Blümchen in Hen¬
negau Jesusblümchen heiße. Da nahm dann Gackeleia
manchmal ein solches Jesusblümchen und legte es auf
das Kräutchen Marienbettstroh und wiegte es hin und her
und sang dazu:

Da oben im Gärtchen,
Da wehet der Wind,
Da sitzet Maria
Und wieget ihr Kind,
Sie wiegt es mit ihrer schneeweißen Hand,
Und brauchet dazu gar kein Wiegenband.
Ich will mich zur lieben Maria vermiethen,
Will helfen ihr Kindlein recht fleißig zu wiegen,

gute Behandlung als großen Gehalt ſehe, den guten Geruch
aller ihrer Verdienſte. Der allgemeine Blumen-Notarius Pub¬
licus Salomons-Siegel bewaͤhrte durch ſeine Theilnahme,
daß ſein Name in großem Bezug mit dieſem merkwuͤrdigen
Ereigniſſe ſtehe. Kurz die Theilnahme aller Kraͤutlein war
ſo groß, daß ſogar die faule Grethe unter ihnen bemerkt
wurde, der redliche gute Heinrich hatte ſie aufgeweckt, daß
auch ſie mit ihm dem Alektryo ihr Beileid bezeige.

O wie kindlich, einfaͤltig ruͤhrend ſprach ſich die Theil¬
nahme der frommen Kloſterſchweſtern, Marienkinder genannt,
aus, welche ihr Kloͤſterchen in dem mit Erde erfuͤllten trocke¬
nen Becken des verfallenen Springbrunnens zu Fuͤßen des
zerbrochenen Liebfrauenbildes bewohnten. Gackeleia nannte
dieſes mit lauter Marienpflaͤnzchen uͤberwachſene Brunnenbe¬
cken gewoͤhnlich ihr Marienkloſtergaͤrtchen, und pflegte es
beſſer, als alle anderen Gartenbeete. Alle Marienkaͤferchen,
die ſie fand, ſetzte ſie hinein. Sie hatte ſich eine Bank da¬
rin bereitet, und neben dieſer ſtand das Kraͤutlein Unſerlieb-
Frauenbettſtroh. Da trieb Gackeleia gewoͤhnlich ihre Spiele¬
reien. Sie hatte das liebe Dreifaltigkeitsbluͤmchen, das
auch Jelaͤngerjelieber und Denkeli und unnuͤtze Sorge ge¬
nannt wird, zu Fuͤßen des Liebfrauenbildes gepflanzt, weil
die Mutter ihr geſagt hatte, daß dieß Bluͤmchen in Hen¬
negau Jeſusbluͤmchen heiße. Da nahm dann Gackeleia
manchmal ein ſolches Jeſusbluͤmchen und legte es auf
das Kraͤutchen Marienbettſtroh und wiegte es hin und her
und ſang dazu:

Da oben im Gaͤrtchen,
Da wehet der Wind,
Da ſitzet Maria
Und wieget ihr Kind,
Sie wiegt es mit ihrer ſchneeweißen Hand,
Und brauchet dazu gar kein Wiegenband.
Ich will mich zur lieben Maria vermiethen,
Will helfen ihr Kindlein recht fleißig zu wiegen,
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[47/0073] gute Behandlung als großen Gehalt ſehe, den guten Geruch aller ihrer Verdienſte. Der allgemeine Blumen-Notarius Pub¬ licus Salomons-Siegel bewaͤhrte durch ſeine Theilnahme, daß ſein Name in großem Bezug mit dieſem merkwuͤrdigen Ereigniſſe ſtehe. Kurz die Theilnahme aller Kraͤutlein war ſo groß, daß ſogar die faule Grethe unter ihnen bemerkt wurde, der redliche gute Heinrich hatte ſie aufgeweckt, daß auch ſie mit ihm dem Alektryo ihr Beileid bezeige. O wie kindlich, einfaͤltig ruͤhrend ſprach ſich die Theil¬ nahme der frommen Kloſterſchweſtern, Marienkinder genannt, aus, welche ihr Kloͤſterchen in dem mit Erde erfuͤllten trocke¬ nen Becken des verfallenen Springbrunnens zu Fuͤßen des zerbrochenen Liebfrauenbildes bewohnten. Gackeleia nannte dieſes mit lauter Marienpflaͤnzchen uͤberwachſene Brunnenbe¬ cken gewoͤhnlich ihr Marienkloſtergaͤrtchen, und pflegte es beſſer, als alle anderen Gartenbeete. Alle Marienkaͤferchen, die ſie fand, ſetzte ſie hinein. Sie hatte ſich eine Bank da¬ rin bereitet, und neben dieſer ſtand das Kraͤutlein Unſerlieb- Frauenbettſtroh. Da trieb Gackeleia gewoͤhnlich ihre Spiele¬ reien. Sie hatte das liebe Dreifaltigkeitsbluͤmchen, das auch Jelaͤngerjelieber und Denkeli und unnuͤtze Sorge ge¬ nannt wird, zu Fuͤßen des Liebfrauenbildes gepflanzt, weil die Mutter ihr geſagt hatte, daß dieß Bluͤmchen in Hen¬ negau Jeſusbluͤmchen heiße. Da nahm dann Gackeleia manchmal ein ſolches Jeſusbluͤmchen und legte es auf das Kraͤutchen Marienbettſtroh und wiegte es hin und her und ſang dazu: Da oben im Gaͤrtchen, Da wehet der Wind, Da ſitzet Maria Und wieget ihr Kind, Sie wiegt es mit ihrer ſchneeweißen Hand, Und brauchet dazu gar kein Wiegenband. Ich will mich zur lieben Maria vermiethen, Will helfen ihr Kindlein recht fleißig zu wiegen,

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/73>, abgerufen am 30.04.2024.