Es haben ebenfalls, auch im Bewegen, So Hitz als Frost durchaus nicht gleiche Gründe: Die Hitze stammt aus der Bewegung in der Nünde; Der Frost entsteht, wenn sich gerade Striche regen. Das werden wir gewahr, wenn der beeiste Nord, So wild, als grausamlich, das Feld verheert. Die Lufft muß im geraden Strich Sodann mit seinem Wüten fort, Sie drehet sich nicht mehr im Circkel: es erstarrt Selbst die Natur durchs Winters Gegenwart.
Mit dieser Wahrheit scheint recht überein zu kommen, Was uns Aesopus dort in kluger Fabel sagt: Von einem Wald-Gott ward, aus Mitleid, aufgenommen Ein Reisender, den Frost und Hunger plagt: Er haucht in seine Hand, um minder Frost zu fühlen; Er bläset auch beym Tisch, die heisse Kost zu kühlen. Der Wald-Gott, der den Handel nicht verstunde, War gantz bestürtzt und ausser sich, zu sehn, So kalt und warm aus einem Munde Und fast in selbiger Minute gehn. Derselbe Hauch geschah nur auf verschiedne Weise, Jndem er langsam haucht, und bläst den Athem leise; Erwärmt er seine Hand, die gantz durch Frost erstarrt. An statt, daß da die Lufft aus seiner Lunge Durch einen Stoß gerad' und hefftig drunge, Der Speisen heisser Dampff dadurch verjaget ward.
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Von der Hitze und Kaͤlte.
Es haben ebenfalls, auch im Bewegen, So Hitz als Froſt durchaus nicht gleiche Gruͤnde: Die Hitze ſtammt aus der Bewegung in der Nuͤnde; Der Froſt entſteht, wenn ſich gerade Striche regen. Das werden wir gewahr, wenn der beeiſte Nord, So wild, als grauſamlich, das Feld verheert. Die Lufft muß im geraden Strich Sodann mit ſeinem Wuͤten fort, Sie drehet ſich nicht mehr im Circkel: es erſtarrt Selbſt die Natur durchs Winters Gegenwart.
Mit dieſer Wahrheit ſcheint recht uͤberein zu kommen, Was uns Aeſopus dort in kluger Fabel ſagt: Von einem Wald-Gott ward, aus Mitleid, aufgenommen Ein Reiſender, den Froſt und Hunger plagt: Er haucht in ſeine Hand, um minder Froſt zu fuͤhlen; Er blaͤſet auch beym Tiſch, die heiſſe Koſt zu kuͤhlen. Der Wald-Gott, der den Handel nicht verſtunde, War gantz beſtuͤrtzt und auſſer ſich, zu ſehn, So kalt und warm aus einem Munde Und faſt in ſelbiger Minute gehn. Derſelbe Hauch geſchah nur auf verſchiedne Weiſe, Jndem er langſam haucht, und blaͤſt den Athem leiſe; Erwaͤrmt er ſeine Hand, die gantz durch Froſt erſtarrt. An ſtatt, daß da die Lufft aus ſeiner Lunge Durch einen Stoß gerad’ und hefftig drunge, Der Speiſen heiſſer Dampff dadurch verjaget ward.
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Von der Hitze und Kaͤlte.
Es haben ebenfalls, auch im Bewegen,
So Hitz als Froſt durchaus nicht gleiche Gruͤnde:
Die Hitze ſtammt aus der Bewegung in der Nuͤnde;
Der Froſt entſteht, wenn ſich gerade Striche regen.
Das werden wir gewahr, wenn der beeiſte Nord,
So wild, als grauſamlich, das Feld verheert.
Die Lufft muß im geraden Strich
Sodann mit ſeinem Wuͤten fort,
Sie drehet ſich nicht mehr im Circkel: es erſtarrt
Selbſt die Natur durchs Winters Gegenwart.
Mit dieſer Wahrheit ſcheint recht uͤberein zu kommen,
Was uns Aeſopus dort in kluger Fabel ſagt:
Von einem Wald-Gott ward, aus Mitleid, aufgenommen
Ein Reiſender, den Froſt und Hunger plagt:
Er haucht in ſeine Hand, um minder Froſt zu fuͤhlen;
Er blaͤſet auch beym Tiſch, die heiſſe Koſt zu kuͤhlen.
Der Wald-Gott, der den Handel nicht verſtunde,
War gantz beſtuͤrtzt und auſſer ſich, zu ſehn,
So kalt und warm aus einem Munde
Und faſt in ſelbiger Minute gehn.
Derſelbe Hauch geſchah nur auf verſchiedne Weiſe,
Jndem er langſam haucht, und blaͤſt den Athem leiſe;
Erwaͤrmt er ſeine Hand, die gantz durch Froſt erſtarrt.
An ſtatt, daß da die Lufft aus ſeiner Lunge
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/353>, abgerufen am 16.06.2024.
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