Wenn es mit scharffen Druck die Nerven rühret; Wird mehrentheils auch Lust dadurch verspüret. Es schmeichelt dem Geschmack, es reitzt ihn, es erweckt Und machet, daß es dann den meisten schmeckt. Weiß man an Speisen Saltz, ohn Uberfluß, zu geben; Jst es derselben Seel und Leben.
Was nun die Kunst auch immer thut, So mancherley Geschmack noch immer zu verbessern, Sammt allem, was man uns daher bringt, wo die Gluht Der Sonnen sich erhebt, auch da, woselbst sie ruht, Um die Empfindlichkeit im Schmecken zu vergrössern, So Pfeffer, als Muscat, Caneel und Nägelein, Die von den Schiffern uns, durch mancherley Gefahr Der ungestümen Wind' und Wellen, Gebracht und zugeführet seyn; Was hat es sonst der Zung annehmlichs vorzustellen, Derselben sanfft zu schmeicheln, ja so gar Zu reitzen? als nur blos die heisse Krafft allein, Womit sie Jndien und Afriea beschencken. Aus kleinen Cörperlein, die fertig sich zu lencken, Bestehn dieselbigen, die durch der Sonnen Hitze Geründet und zugleich versehn mit mancher Spitze, Wodurch sie Zung und Gaum durchdringen, kützeln, stechen, Und machen, daß gar offt, um schnöder Wollust Tand, Wir der Gesundheit gantz vergessen und sie schwächen.
Lasst
Von dem Geſchmack.
Wenn es mit ſcharffen Druck die Nerven ruͤhret; Wird mehrentheils auch Luſt dadurch verſpuͤret. Es ſchmeichelt dem Geſchmack, es reitzt ihn, es erweckt Und machet, daß es dann den meiſten ſchmeckt. Weiß man an Speiſen Saltz, ohn Uberfluß, zu geben; Jſt es derſelben Seel und Leben.
Was nun die Kunſt auch immer thut, So mancherley Geſchmack noch immer zu verbeſſern, Sammt allem, was man uns daher bringt, wo die Gluht Der Sonnen ſich erhebt, auch da, woſelbſt ſie ruht, Um die Empfindlichkeit im Schmecken zu vergroͤſſern, So Pfeffer, als Muſcat, Caneel und Naͤgelein, Die von den Schiffern uns, durch mancherley Gefahr Der ungeſtuͤmen Wind’ und Wellen, Gebracht und zugefuͤhret ſeyn; Was hat es ſonſt der Zung annehmlichs vorzuſtellen, Derſelben ſanfft zu ſchmeicheln, ja ſo gar Zu reitzen? als nur blos die heiſſe Krafft allein, Womit ſie Jndien und Afriea beſchencken. Aus kleinen Coͤrperlein, die fertig ſich zu lencken, Beſtehn dieſelbigen, die durch der Sonnen Hitze Geruͤndet und zugleich verſehn mit mancher Spitze, Wodurch ſie Zung und Gaum durchdringen, kuͤtzeln, ſtechen, Und machen, daß gar offt, um ſchnoͤder Wolluſt Tand, Wir der Geſundheit gantz vergeſſen und ſie ſchwaͤchen.
Laſſt
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Von dem Geſchmack.
Wenn es mit ſcharffen Druck die Nerven ruͤhret;
Wird mehrentheils auch Luſt dadurch verſpuͤret.
Es ſchmeichelt dem Geſchmack, es reitzt ihn, es erweckt
Und machet, daß es dann den meiſten ſchmeckt.
Weiß man an Speiſen Saltz, ohn Uberfluß, zu geben;
Jſt es derſelben Seel und Leben.
Was nun die Kunſt auch immer thut,
So mancherley Geſchmack noch immer zu verbeſſern,
Sammt allem, was man uns daher bringt, wo die Gluht
Der Sonnen ſich erhebt, auch da, woſelbſt ſie ruht,
Um die Empfindlichkeit im Schmecken zu vergroͤſſern,
So Pfeffer, als Muſcat, Caneel und Naͤgelein,
Die von den Schiffern uns, durch mancherley Gefahr
Der ungeſtuͤmen Wind’ und Wellen,
Gebracht und zugefuͤhret ſeyn;
Was hat es ſonſt der Zung annehmlichs vorzuſtellen,
Derſelben ſanfft zu ſchmeicheln, ja ſo gar
Zu reitzen? als nur blos die heiſſe Krafft allein,
Womit ſie Jndien und Afriea beſchencken.
Aus kleinen Coͤrperlein, die fertig ſich zu lencken,
Beſtehn dieſelbigen, die durch der Sonnen Hitze
Geruͤndet und zugleich verſehn mit mancher Spitze,
Wodurch ſie Zung und Gaum durchdringen, kuͤtzeln, ſtechen,
Und machen, daß gar offt, um ſchnoͤder Wolluſt Tand,
Wir der Geſundheit gantz vergeſſen und ſie ſchwaͤchen.
Laſſt
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/365>, abgerufen am 16.06.2024.
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