So spüret man, daß sich bis ins Gehirne spielen Die leichten Cörperlein, so durch die Lüffte eilen. Man riecht die Süßigkeit der Bäume, wenn sie blühen. Von ihren Früchten auch, die reiff geworden seyn, Kan man den süssen Dufft mit Anmuth an sich ziehen. Wir finden, daß ein edler Wein, Der unsrer Zunge lieblich schmecket, Jn einem Dufft sich aus dem Glase strecket, Der unserm Geiste Lust erwecket. Bevor noch der Geschmack gerührt wird, macht ein Dufft, Der sehr subtil und zart, daß jedermann Schon von desselben Güt' ein Urtheil fällen kan.
Wenn nun aus dem, woraus ein süsses Riechen dringet, Ein lieblicher Geschmack uns mehrentheils entspringet: So stammet solches blos aus GOTTES Ordnung her, Der durch dies zärtliche Gefühl es so gefuget, Daß jedes Thier dadurch geschickt und fähig wär, Jn seiner Kost, die ihn so nähret, als vergnüget, Den Unterscheid, und was ihm dienlich, zu ergrunden, Auch solche leichter noch zu finden.
Man kan auf den begrasten Auen, So wild, als zahme Thiere, schauen, Wie sie, durch einen Trieb, (den, als sie GOTT gemacht, Er ihnen beygebracht;) Jn Kräutern, ohne daß sie fehlen, Geschickt und fähig sind zu wehlen, Viel sicherer, als wir, mit unserm Witz.
Auf
Von dem Geruch.
So ſpuͤret man, daß ſich bis ins Gehirne ſpielen Die leichten Coͤrperlein, ſo durch die Luͤffte eilen. Man riecht die Suͤßigkeit der Baͤume, wenn ſie bluͤhen. Von ihren Fruͤchten auch, die reiff geworden ſeyn, Kan man den ſuͤſſen Dufft mit Anmuth an ſich ziehen. Wir finden, daß ein edler Wein, Der unſrer Zunge lieblich ſchmecket, Jn einem Dufft ſich aus dem Glaſe ſtrecket, Der unſerm Geiſte Luſt erwecket. Bevor noch der Geſchmack geruͤhrt wird, macht ein Dufft, Der ſehr ſubtil und zart, daß jedermann Schon von deſſelben Guͤt’ ein Urtheil faͤllen kan.
Wenn nun aus dem, woraus ein ſuͤſſes Riechen dringet, Ein lieblicher Geſchmack uns mehrentheils entſpringet: So ſtammet ſolches blos aus GOTTES Ordnung her, Der durch dies zaͤrtliche Gefuͤhl es ſo gefuget, Daß jedes Thier dadurch geſchickt und faͤhig waͤr, Jn ſeiner Koſt, die ihn ſo naͤhret, als vergnuͤget, Den Unterſcheid, und was ihm dienlich, zu ergrunden, Auch ſolche leichter noch zu finden.
Man kan auf den begraſten Auen, So wild, als zahme Thiere, ſchauen, Wie ſie, durch einen Trieb, (den, als ſie GOTT gemacht, Er ihnen beygebracht;) Jn Kraͤutern, ohne daß ſie fehlen, Geſchickt und faͤhig ſind zu wehlen, Viel ſicherer, als wir, mit unſerm Witz.
Auf
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Von dem Geruch.
So ſpuͤret man, daß ſich bis ins Gehirne ſpielen
Die leichten Coͤrperlein, ſo durch die Luͤffte eilen.
Man riecht die Suͤßigkeit der Baͤume, wenn ſie bluͤhen.
Von ihren Fruͤchten auch, die reiff geworden ſeyn,
Kan man den ſuͤſſen Dufft mit Anmuth an ſich ziehen.
Wir finden, daß ein edler Wein,
Der unſrer Zunge lieblich ſchmecket,
Jn einem Dufft ſich aus dem Glaſe ſtrecket,
Der unſerm Geiſte Luſt erwecket.
Bevor noch der Geſchmack geruͤhrt wird, macht ein Dufft,
Der ſehr ſubtil und zart, daß jedermann
Schon von deſſelben Guͤt’ ein Urtheil faͤllen kan.
Wenn nun aus dem, woraus ein ſuͤſſes Riechen dringet,
Ein lieblicher Geſchmack uns mehrentheils entſpringet:
So ſtammet ſolches blos aus GOTTES Ordnung her,
Der durch dies zaͤrtliche Gefuͤhl es ſo gefuget,
Daß jedes Thier dadurch geſchickt und faͤhig waͤr,
Jn ſeiner Koſt, die ihn ſo naͤhret, als vergnuͤget,
Den Unterſcheid, und was ihm dienlich, zu ergrunden,
Auch ſolche leichter noch zu finden.
Man kan auf den begraſten Auen,
So wild, als zahme Thiere, ſchauen,
Wie ſie, durch einen Trieb, (den, als ſie GOTT gemacht,
Er ihnen beygebracht;)
Jn Kraͤutern, ohne daß ſie fehlen,
Geſchickt und faͤhig ſind zu wehlen,
Viel ſicherer, als wir, mit unſerm Witz.
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/377>, abgerufen am 17.06.2024.
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