Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
Denn diese hadern unter mir,
Jch aber richte unter Dir.
Laß, wenn der Sachen Eigenschafft;
Und ihre Fälle zweifelhafft,
Mich mehr geneigt seyn, loßzuzählen,
Als strenge Straffen zu erwählen.
Es sey mein Ansehn nie durch schelten, schnarchen, pochen,
Und närrschen Amts-Trutz unterbrochen!
Gieb, daß mit aufgeklärt- und heiterem Gesichte,
Jch nicht als ein Tyrann, nein, als ein Vater richte!
Und daß ich voller Lieb' und Sanff tmuth jedem zeige
Daß ich ihm Gutes gönn' und doch das Recht nicht beuge!
Gieb, daß die Sanfftmuth auch so weit sich nicht er-
strecke,
Daß ein Gewaltiger mich schrecke,
Und mich, auch in dem kleinsten Dinge,
Den Niedrigen zu unterdrücken zwinge!
Gieb, daß ich dergestalt gelassen,
Bemüht sey, so das Urtheil abzufassen,
Daß niemand Ursach haben möge,
Wenn Leidenschafften mich verführen,
Von mir an mich zu appelliren.
Laß mich mit Niederträchtigkeit
Mein wichtig Amt niemahls beflecken|,
Doch aber auch zu keiner Zeit
Mich höher, als mein Amt geht, strecken!
Gieb, daß im Strudel-reichen Meer,
Der offt nur gar zu sehr gedehneten Gesetze,
Mit Vorbedacht nicht nur, auch nicht von ungefehr,
Jch andre nicht, auch nicht mich selbst verletze!
Ach laß mich nicht der mancherley Beschwerden,
Noch der Gerichts-Zeit, müde werden!
Gieb,
X x 2
Denn dieſe hadern unter mir,
Jch aber richte unter Dir.
Laß, wenn der Sachen Eigenſchafft;
Und ihre Faͤlle zweifelhafft,
Mich mehr geneigt ſeyn, loßzuzaͤhlen,
Als ſtrenge Straffen zu erwaͤhlen.
Es ſey mein Anſehn nie durch ſchelten, ſchnarchen, pochen,
Und naͤrrſchen Amts-Trutz unterbrochen!
Gieb, daß mit aufgeklaͤrt- und heiterem Geſichte,
Jch nicht als ein Tyrann, nein, als ein Vater richte!
Und daß ich voller Lieb’ und Sanff tmuth jedem zeige
Daß ich ihm Gutes goͤnn’ und doch das Recht nicht beuge!
Gieb, daß die Sanfftmuth auch ſo weit ſich nicht er-
ſtrecke,
Daß ein Gewaltiger mich ſchrecke,
Und mich, auch in dem kleinſten Dinge,
Den Niedrigen zu unterdruͤcken zwinge!
Gieb, daß ich dergeſtalt gelaſſen,
Bemuͤht ſey, ſo das Urtheil abzufaſſen,
Daß niemand Urſach haben moͤge,
Wenn Leidenſchafften mich verfuͤhren,
Von mir an mich zu appelliren.
Laß mich mit Niedertraͤchtigkeit
Mein wichtig Amt niemahls beflecken|,
Doch aber auch zu keiner Zeit
Mich hoͤher, als mein Amt geht, ſtrecken!
Gieb, daß im Strudel-reichen Meer,
Der offt nur gar zu ſehr gedehneten Geſetze,
Mit Vorbedacht nicht nur, auch nicht von ungefehr,
Jch andre nicht, auch nicht mich ſelbſt verletze!
Ach laß mich nicht der mancherley Beſchwerden,
Noch der Gerichts-Zeit, muͤde werden!
Gieb,
X x 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0721" n="691"/>
          <lg type="poem">
            <l>Denn die&#x017F;e hadern unter mir,</l><lb/>
            <l>Jch aber richte unter Dir.</l><lb/>
            <l>Laß, wenn der Sachen Eigen&#x017F;chafft;</l><lb/>
            <l>Und ihre Fa&#x0364;lle zweifelhafft,</l><lb/>
            <l>Mich mehr geneigt &#x017F;eyn, loßzuza&#x0364;hlen,</l><lb/>
            <l>Als &#x017F;trenge Straffen zu erwa&#x0364;hlen.</l><lb/>
            <l>Es &#x017F;ey mein An&#x017F;ehn nie durch &#x017F;chelten, &#x017F;chnarchen, pochen,</l><lb/>
            <l>Und na&#x0364;rr&#x017F;chen Amts-Trutz unterbrochen!</l><lb/>
            <l>Gieb, daß mit aufgekla&#x0364;rt- und heiterem Ge&#x017F;ichte,</l><lb/>
            <l>Jch nicht als ein Tyrann, nein, als ein Vater richte!</l><lb/>
            <l>Und daß ich voller Lieb&#x2019; und Sanff tmuth jedem zeige</l><lb/>
            <l>Daß ich ihm Gutes go&#x0364;nn&#x2019; und doch das Recht nicht beuge!</l><lb/>
            <l>Gieb, daß die Sanfftmuth auch &#x017F;o weit &#x017F;ich nicht er-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;trecke,</hi> </l><lb/>
            <l>Daß ein Gewaltiger mich &#x017F;chrecke,</l><lb/>
            <l>Und mich, auch in dem klein&#x017F;ten Dinge,</l><lb/>
            <l>Den Niedrigen zu unterdru&#x0364;cken zwinge!</l><lb/>
            <l>Gieb, daß ich derge&#x017F;talt gela&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Bemu&#x0364;ht &#x017F;ey, &#x017F;o das Urtheil abzufa&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Daß niemand Ur&#x017F;ach haben mo&#x0364;ge,</l><lb/>
            <l>Wenn Leiden&#x017F;chafften mich verfu&#x0364;hren,</l><lb/>
            <l>Von mir an mich zu appelliren.</l><lb/>
            <l>Laß mich mit Niedertra&#x0364;chtigkeit</l><lb/>
            <l>Mein wichtig Amt niemahls beflecken|,</l><lb/>
            <l>Doch aber auch zu keiner Zeit</l><lb/>
            <l>Mich ho&#x0364;her, als mein Amt geht, &#x017F;trecken!</l><lb/>
            <l>Gieb, daß im Strudel-reichen Meer,</l><lb/>
            <l>Der offt nur gar zu &#x017F;ehr gedehneten Ge&#x017F;etze,</l><lb/>
            <l>Mit Vorbedacht nicht nur, auch nicht von ungefehr,</l><lb/>
            <l>Jch andre nicht, auch nicht mich &#x017F;elb&#x017F;t verletze!</l><lb/>
            <l>Ach laß mich nicht der mancherley Be&#x017F;chwerden,</l><lb/>
            <l>Noch der Gerichts-Zeit, mu&#x0364;de werden!</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">X x 2</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Gieb,</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[691/0721] Denn dieſe hadern unter mir, Jch aber richte unter Dir. Laß, wenn der Sachen Eigenſchafft; Und ihre Faͤlle zweifelhafft, Mich mehr geneigt ſeyn, loßzuzaͤhlen, Als ſtrenge Straffen zu erwaͤhlen. Es ſey mein Anſehn nie durch ſchelten, ſchnarchen, pochen, Und naͤrrſchen Amts-Trutz unterbrochen! Gieb, daß mit aufgeklaͤrt- und heiterem Geſichte, Jch nicht als ein Tyrann, nein, als ein Vater richte! Und daß ich voller Lieb’ und Sanff tmuth jedem zeige Daß ich ihm Gutes goͤnn’ und doch das Recht nicht beuge! Gieb, daß die Sanfftmuth auch ſo weit ſich nicht er- ſtrecke, Daß ein Gewaltiger mich ſchrecke, Und mich, auch in dem kleinſten Dinge, Den Niedrigen zu unterdruͤcken zwinge! Gieb, daß ich dergeſtalt gelaſſen, Bemuͤht ſey, ſo das Urtheil abzufaſſen, Daß niemand Urſach haben moͤge, Wenn Leidenſchafften mich verfuͤhren, Von mir an mich zu appelliren. Laß mich mit Niedertraͤchtigkeit Mein wichtig Amt niemahls beflecken|, Doch aber auch zu keiner Zeit Mich hoͤher, als mein Amt geht, ſtrecken! Gieb, daß im Strudel-reichen Meer, Der offt nur gar zu ſehr gedehneten Geſetze, Mit Vorbedacht nicht nur, auch nicht von ungefehr, Jch andre nicht, auch nicht mich ſelbſt verletze! Ach laß mich nicht der mancherley Beſchwerden, Noch der Gerichts-Zeit, muͤde werden! Gieb, X x 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/721
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 691. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/721>, abgerufen am 03.05.2024.