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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

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Die gelbe Rose.
Er alle Creatur, sammt ihrem Schmuck, verachtet,
Und, blind für alles, nichts als Gold
Zu sehn, und zu erlangen trachtet,)
Beschloß sie, sich noch einmahl zu bemühn,
Und, üm, durch diesen Weg, ihn zu sich her zu ziehn,
Die Rosen-Blätter zu vergülden.

Man sahe sie demnach die gelbe Rose bilden:
Ein neues Wunder, dessen Pracht
Und Schein im solchem gelb- und schönen Feuer glühen,
Daß der fast güldne Glantz Chrysanders Augen
Auf eine Zeitlang gar auf sich zu ziehen,
Und durch den gelben Schein, ihn zu ergetzen taugen,
Zumahl er ein gedoppeltes Vergnügen
Auf ihrer Blätter Fläch' erblickt,
Da auswärts Cronen-Gold,
Und inwärts (dem er noch am meisten hold)
So gar Ducaten-Gold sie schmückt.
Allein, indem es nur gar kurtze Zeit
(Weil dieses Gold nicht klang) mit seiner Freude währte,

Und er nicht die Natur, nicht ihren Schöpfer ehrte;
Schien ihr aufs neu ihr Unternehmen leid:
Und, aus gerechter Reu und bill'ger Traurigkeit,
Erweckt sie einen Wurm, der dieser Rosen Pracht,
Als wie ihr steter Feind, fast stets zu nichte macht.
Daher man sie denn ietzt gar selten recht geründet,
Und in der lieblichen Vollkommenheit,
So wie vorher, nur ihrer wenig findet.
Mich deucht, daß ich hierin zugleich noch eine Lehre
Und für den Geitz ein schreckend Sinn-Bild finde.
Es

Die gelbe Roſe.
Er alle Creatur, ſammt ihrem Schmuck, verachtet,
Und, blind fuͤr alles, nichts als Gold
Zu ſehn, und zu erlangen trachtet,)
Beſchloß ſie, ſich noch einmahl zu bemuͤhn,
Und, uͤm, durch dieſen Weg, ihn zu ſich her zu ziehn,
Die Roſen-Blaͤtter zu verguͤlden.

Man ſahe ſie demnach die gelbe Roſe bilden:
Ein neues Wunder, deſſen Pracht
Und Schein im ſolchem gelb- und ſchoͤnen Feuer gluͤhen,
Daß der faſt guͤldne Glantz Chryſanders Augen
Auf eine Zeitlang gar auf ſich zu ziehen,
Und durch den gelben Schein, ihn zu ergetzen taugen,
Zumahl er ein gedoppeltes Vergnuͤgen
Auf ihrer Blaͤtter Flaͤch’ erblickt,
Da auswaͤrts Cronen-Gold,
Und inwaͤrts (dem er noch am meiſten hold)
So gar Ducaten-Gold ſie ſchmuͤckt.
Allein, indem es nur gar kurtze Zeit
(Weil dieſes Gold nicht klang) mit ſeiner Freude waͤhrte,

Und er nicht die Natur, nicht ihren Schoͤpfer ehrte;
Schien ihr aufs neu ihr Unternehmen leid:
Und, aus gerechter Reu und bill’ger Traurigkeit,
Erweckt ſie einen Wurm, der dieſer Roſen Pracht,
Als wie ihr ſteter Feind, faſt ſtets zu nichte macht.
Daher man ſie denn ietzt gar ſelten recht geruͤndet,
Und in der lieblichen Vollkommenheit,
So wie vorher, nur ihrer wenig findet.
Mich deucht, daß ich hierin zugleich noch eine Lehre
Und fuͤr den Geitz ein ſchreckend Sinn-Bild finde.
Es
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[70/0102] Die gelbe Roſe. Er alle Creatur, ſammt ihrem Schmuck, verachtet, Und, blind fuͤr alles, nichts als Gold Zu ſehn, und zu erlangen trachtet,) Beſchloß ſie, ſich noch einmahl zu bemuͤhn, Und, uͤm, durch dieſen Weg, ihn zu ſich her zu ziehn, Die Roſen-Blaͤtter zu verguͤlden. Man ſahe ſie demnach die gelbe Roſe bilden: Ein neues Wunder, deſſen Pracht Und Schein im ſolchem gelb- und ſchoͤnen Feuer gluͤhen, Daß der faſt guͤldne Glantz Chryſanders Augen Auf eine Zeitlang gar auf ſich zu ziehen, Und durch den gelben Schein, ihn zu ergetzen taugen, Zumahl er ein gedoppeltes Vergnuͤgen Auf ihrer Blaͤtter Flaͤch’ erblickt, Da auswaͤrts Cronen-Gold, Und inwaͤrts (dem er noch am meiſten hold) So gar Ducaten-Gold ſie ſchmuͤckt. Allein, indem es nur gar kurtze Zeit (Weil dieſes Gold nicht klang) mit ſeiner Freude waͤhrte, Und er nicht die Natur, nicht ihren Schoͤpfer ehrte; Schien ihr aufs neu ihr Unternehmen leid: Und, aus gerechter Reu und bill’ger Traurigkeit, Erweckt ſie einen Wurm, der dieſer Roſen Pracht, Als wie ihr ſteter Feind, faſt ſtets zu nichte macht. Daher man ſie denn ietzt gar ſelten recht geruͤndet, Und in der lieblichen Vollkommenheit, So wie vorher, nur ihrer wenig findet. Mich deucht, daß ich hierin zugleich noch eine Lehre Und fuͤr den Geitz ein ſchreckend Sinn-Bild finde. Es

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/102>, abgerufen am 05.05.2024.