Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite
Gedancken über ein Perspectiv.
2.
Wenn unser Blick von unten aufwärts steiget,
Wird alles irdische so sehr verkleint,
Daß es ein Punct zu werden scheint.
Doch zeigt uns dieser Punct weit mehrers, als man meint;
Jndem sich nah' an ihm, ein Punct des Himmels zeiget,
Der, wenn ihm unser Blick nur folget, sich verbreitet,
Und uns in einen Raum, der unumschräncket, leitet.
3.
Jch freue mich, da ich alhier verspüre,
Wie, durch die sich erhöh'nde Erde,
Der Blick mit ihr sich aufwärts führe,
Und Himmel-wärts geleitet werde.
Ja da mein Blick auf solche Weise steiget,
Werd ich gewahr,
Daß auch so gar
Der Himmel selbst zu uns sich abwärts neiget.
4.
Jndem ich diesen Punct noch ernstlicher betrachte,
Und daß die Linien aus ihm entstehn,
Und alle wieder in ihn gehn,
Mit fröhlicher Bewunderung beachte;
Wird meine Seel' hiedurch recht inniglich gerühret,
Und
Gedancken uͤber ein Perſpectiv.
2.
Wenn unſer Blick von unten aufwaͤrts ſteiget,
Wird alles irdiſche ſo ſehr verkleint,
Daß es ein Punct zu werden ſcheint.
Doch zeigt uns dieſer Punct weit mehrers, als man meint;
Jndem ſich nah’ an ihm, ein Punct des Himmels zeiget,
Der, wenn ihm unſer Blick nur folget, ſich verbreitet,
Und uns in einen Raum, der unumſchraͤncket, leitet.
3.
Jch freue mich, da ich alhier verſpuͤre,
Wie, durch die ſich erhoͤh’nde Erde,
Der Blick mit ihr ſich aufwaͤrts fuͤhre,
Und Himmel-waͤrts geleitet werde.
Ja da mein Blick auf ſolche Weiſe ſteiget,
Werd ich gewahr,
Daß auch ſo gar
Der Himmel ſelbſt zu uns ſich abwaͤrts neiget.
4.
Jndem ich dieſen Punct noch ernſtlicher betrachte,
Und daß die Linien aus ihm entſtehn,
Und alle wieder in ihn gehn,
Mit froͤhlicher Bewunderung beachte;
Wird meine Seel’ hiedurch recht inniglich geruͤhret,
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0320" n="288"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Gedancken u&#x0364;ber ein Per&#x017F;pectiv.</hi> </fw><lb/>
            <lg n="2">
              <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">2.</hi> </hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">W</hi>enn un&#x017F;er Blick von unten aufwa&#x0364;rts &#x017F;teiget,</l><lb/>
              <l>Wird alles irdi&#x017F;che &#x017F;o &#x017F;ehr verkleint,</l><lb/>
              <l>Daß es ein Punct zu werden &#x017F;cheint.</l><lb/>
              <l>Doch zeigt uns die&#x017F;er Punct weit mehrers, als man meint;</l><lb/>
              <l>Jndem &#x017F;ich nah&#x2019; an ihm, ein Punct des Himmels zeiget,</l><lb/>
              <l>Der, wenn ihm un&#x017F;er Blick nur folget, &#x017F;ich verbreitet,</l><lb/>
              <l>Und uns in einen Raum, der unum&#x017F;chra&#x0364;ncket, leitet.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">3.</hi> </hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">J</hi>ch freue mich, da ich alhier ver&#x017F;pu&#x0364;re,</l><lb/>
              <l>Wie, durch die &#x017F;ich erho&#x0364;h&#x2019;nde Erde,</l><lb/>
              <l>Der Blick mit ihr &#x017F;ich aufwa&#x0364;rts fu&#x0364;hre,</l><lb/>
              <l>Und Himmel-wa&#x0364;rts geleitet werde.</l><lb/>
              <l>Ja da mein Blick auf &#x017F;olche Wei&#x017F;e &#x017F;teiget,</l><lb/>
              <l>Werd ich gewahr,</l><lb/>
              <l>Daß auch &#x017F;o gar</l><lb/>
              <l>Der Himmel &#x017F;elb&#x017F;t zu uns &#x017F;ich abwa&#x0364;rts neiget.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">4.</hi> </hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">J</hi>ndem ich die&#x017F;en Punct noch ern&#x017F;tlicher betrachte,</l><lb/>
              <l>Und daß die Linien aus ihm ent&#x017F;tehn,</l><lb/>
              <l>Und alle wieder in ihn gehn,</l><lb/>
              <l>Mit fro&#x0364;hlicher Bewunderung beachte;</l><lb/>
              <l>Wird meine Seel&#x2019; hiedurch recht inniglich geru&#x0364;hret,</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[288/0320] Gedancken uͤber ein Perſpectiv. 2. Wenn unſer Blick von unten aufwaͤrts ſteiget, Wird alles irdiſche ſo ſehr verkleint, Daß es ein Punct zu werden ſcheint. Doch zeigt uns dieſer Punct weit mehrers, als man meint; Jndem ſich nah’ an ihm, ein Punct des Himmels zeiget, Der, wenn ihm unſer Blick nur folget, ſich verbreitet, Und uns in einen Raum, der unumſchraͤncket, leitet. 3. Jch freue mich, da ich alhier verſpuͤre, Wie, durch die ſich erhoͤh’nde Erde, Der Blick mit ihr ſich aufwaͤrts fuͤhre, Und Himmel-waͤrts geleitet werde. Ja da mein Blick auf ſolche Weiſe ſteiget, Werd ich gewahr, Daß auch ſo gar Der Himmel ſelbſt zu uns ſich abwaͤrts neiget. 4. Jndem ich dieſen Punct noch ernſtlicher betrachte, Und daß die Linien aus ihm entſtehn, Und alle wieder in ihn gehn, Mit froͤhlicher Bewunderung beachte; Wird meine Seel’ hiedurch recht inniglich geruͤhret, Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/320
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/320>, abgerufen am 30.04.2024.