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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

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ein Schmidt seines Unglücks.
Jdeen, die uns widrig sind, vertreiben, angenehme wählen.
Wie kömmt es, daß wir dieser Kraft, die wir wahrhaftig in
uns hegen,

Nicht, als uns selbst zu plagen, brauchen? vergnügte schnell
verfliegen lassen,

Und die, so uns mit Bitterkeit und Gram erfüllen, fertig fassen,
Beständig uns mit ihnen schleppen u. plagen, ja mit allen Kräften
Die regen Kinder unsrer Seelen an widerwärtge Vorwürf heften?
Sprich nicht: Es stehet dieses ja, zu ändern, nicht in un-
srer Macht.

Wer kann doch die Gedanken zwingen? Denn, wo die Men-
schen dieß nicht können:

So können sie nicht sündigen; und was sie freyen Willen nennen,
Fällt alles weg; wofern sie nicht dasjenige, so sie gedacht,
Durch Denken selbst zu ändern fähig, und dieß Vermögen nicht
in ihnen.

Daß aber es so leicht nicht ist, kann zur Entschuldigung
nicht dienen,

Weil wir viel Dinge lernen müssen, nur bloß ums Brodt, die
schwerer seyn.

Liegt alles menschliche Vergnügen denn in dem Denken bloß
allein,

Wie es wahrhaftig bloß nur liegt: So laßt uns doch, zu Got-
tes Ehren,

Und uns zum Besten, künftighin von unserm Unsinn uns ent-
fernen,

Und beym vernünftigen Empfinden, beym Riechen, Schme-
cken, Sehn und Hören,

Aufs Gute länger, als vorhin, doch die Gedanken heften lernen;
Jedoch dabey, daß Gott das Wollen und das Vollbringen geb,
ermessen,

Und darum, ihn um seiner Gnad oft anzuflehen, nicht vergessen.
Die
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ein Schmidt ſeines Ungluͤcks.
Jdeen, die uns widrig ſind, vertreiben, angenehme waͤhlen.
Wie koͤmmt es, daß wir dieſer Kraft, die wir wahrhaftig in
uns hegen,

Nicht, als uns ſelbſt zu plagen, brauchen? vergnuͤgte ſchnell
verfliegen laſſen,

Und die, ſo uns mit Bitterkeit und Gram erfuͤllen, fertig faſſen,
Beſtaͤndig uns mit ihnen ſchleppen u. plagen, ja mit allen Kraͤften
Die regen Kinder unſrer Seelen an widerwaͤrtge Vorwuͤrf heften?
Sprich nicht: Es ſtehet dieſes ja, zu aͤndern, nicht in un-
ſrer Macht.

Wer kann doch die Gedanken zwingen? Denn, wo die Men-
ſchen dieß nicht koͤnnen:

So koͤnnen ſie nicht ſuͤndigen; und was ſie freyen Willen nennen,
Faͤllt alles weg; wofern ſie nicht dasjenige, ſo ſie gedacht,
Durch Denken ſelbſt zu aͤndern faͤhig, und dieß Vermoͤgen nicht
in ihnen.

Daß aber es ſo leicht nicht iſt, kann zur Entſchuldigung
nicht dienen,

Weil wir viel Dinge lernen muͤſſen, nur bloß ums Brodt, die
ſchwerer ſeyn.

Liegt alles menſchliche Vergnuͤgen denn in dem Denken bloß
allein,

Wie es wahrhaftig bloß nur liegt: So laßt uns doch, zu Got-
tes Ehren,

Und uns zum Beſten, kuͤnftighin von unſerm Unſinn uns ent-
fernen,

Und beym vernuͤnftigen Empfinden, beym Riechen, Schme-
cken, Sehn und Hoͤren,

Aufs Gute laͤnger, als vorhin, doch die Gedanken heften lernen;
Jedoch dabey, daß Gott das Wollen und das Vollbringen geb,
ermeſſen,

Und darum, ihn um ſeiner Gnad oft anzuflehen, nicht vergeſſen.
Die
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[341/0365] ein Schmidt ſeines Ungluͤcks. Jdeen, die uns widrig ſind, vertreiben, angenehme waͤhlen. Wie koͤmmt es, daß wir dieſer Kraft, die wir wahrhaftig in uns hegen, Nicht, als uns ſelbſt zu plagen, brauchen? vergnuͤgte ſchnell verfliegen laſſen, Und die, ſo uns mit Bitterkeit und Gram erfuͤllen, fertig faſſen, Beſtaͤndig uns mit ihnen ſchleppen u. plagen, ja mit allen Kraͤften Die regen Kinder unſrer Seelen an widerwaͤrtge Vorwuͤrf heften? Sprich nicht: Es ſtehet dieſes ja, zu aͤndern, nicht in un- ſrer Macht. Wer kann doch die Gedanken zwingen? Denn, wo die Men- ſchen dieß nicht koͤnnen: So koͤnnen ſie nicht ſuͤndigen; und was ſie freyen Willen nennen, Faͤllt alles weg; wofern ſie nicht dasjenige, ſo ſie gedacht, Durch Denken ſelbſt zu aͤndern faͤhig, und dieß Vermoͤgen nicht in ihnen. Daß aber es ſo leicht nicht iſt, kann zur Entſchuldigung nicht dienen, Weil wir viel Dinge lernen muͤſſen, nur bloß ums Brodt, die ſchwerer ſeyn. Liegt alles menſchliche Vergnuͤgen denn in dem Denken bloß allein, Wie es wahrhaftig bloß nur liegt: So laßt uns doch, zu Got- tes Ehren, Und uns zum Beſten, kuͤnftighin von unſerm Unſinn uns ent- fernen, Und beym vernuͤnftigen Empfinden, beym Riechen, Schme- cken, Sehn und Hoͤren, Aufs Gute laͤnger, als vorhin, doch die Gedanken heften lernen; Jedoch dabey, daß Gott das Wollen und das Vollbringen geb, ermeſſen, Und darum, ihn um ſeiner Gnad oft anzuflehen, nicht vergeſſen. Die Y 3

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/365>, abgerufen am 29.04.2024.