Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Schranken unsrer Vernunft.
Nicht nur in Thier, auch in Jnsecten, so viel Verstand und
Weisheit senken,
Als wir, ja klügre Geister, haben, ohn eben uns die Kraft zu
gönnen,

Zu fassen, daß er es gethan, und daß es wirklich so, zu denken.
Ja wenn auch eben dieser andre, aus eben diesem Grunde,
schlösse:

Es wäre müglich, daß ein' Auster (so schlecht und elend sie uns
scheint,

Da sie am rauhen Felsen klebt, und gleichsam sich mit ihm
vereint)

Jn diesem so armselgen Stande, doch einer Lebensart genösse,
Voll Anmuth, und Vergnüglichkeit, indem sie von Verhind-
rung leer,

Mit stets erhabenen Gedanken, ohn Unterlaß beschäfftigt wär:
So wird man ja nicht leugnen können, daß Gottes Allmacht
nicht so weit,

Ja noch viel weiter gehen können. Ob wir, sie gleich so zu
befinden,

Aus Stolz, vielleicht nicht einst verlangen. Nach seiner Macht,
Unendlichkeit,

Kann Gott vernünftge Wesen schaffen, und sie, womit er will,
verbinden.



Un-

Schranken unſrer Vernunft.
Nicht nur in Thier, auch in Jnſecten, ſo viel Verſtand und
Weisheit ſenken,
Als wir, ja kluͤgre Geiſter, haben, ohn eben uns die Kraft zu
goͤnnen,

Zu faſſen, daß er es gethan, und daß es wirklich ſo, zu denken.
Ja wenn auch eben dieſer andre, aus eben dieſem Grunde,
ſchloͤſſe:

Es waͤre muͤglich, daß ein’ Auſter (ſo ſchlecht und elend ſie uns
ſcheint,

Da ſie am rauhen Felſen klebt, und gleichſam ſich mit ihm
vereint)

Jn dieſem ſo armſelgen Stande, doch einer Lebensart genoͤſſe,
Voll Anmuth, und Vergnuͤglichkeit, indem ſie von Verhind-
rung leer,

Mit ſtets erhabenen Gedanken, ohn Unterlaß beſchaͤfftigt waͤr:
So wird man ja nicht leugnen koͤnnen, daß Gottes Allmacht
nicht ſo weit,

Ja noch viel weiter gehen koͤnnen. Ob wir, ſie gleich ſo zu
befinden,

Aus Stolz, vielleicht nicht einſt verlangen. Nach ſeiner Macht,
Unendlichkeit,

Kann Gott vernuͤnftge Weſen ſchaffen, und ſie, womit er will,
verbinden.



Un-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg n="4">
            <l><pb facs="#f0624" n="600"/><fw place="top" type="header">Schranken un&#x017F;rer Vernunft.</fw><lb/>
Nicht nur in Thier, auch in Jn&#x017F;ecten, &#x017F;o viel Ver&#x017F;tand und<lb/><hi rendition="#et">Weisheit &#x017F;enken,</hi></l><lb/>
            <l>Als wir, ja klu&#x0364;gre Gei&#x017F;ter, haben, ohn eben uns die Kraft zu<lb/><hi rendition="#et">go&#x0364;nnen,</hi></l><lb/>
            <l>Zu fa&#x017F;&#x017F;en, daß er es gethan, und daß es wirklich &#x017F;o, zu denken.</l><lb/>
            <l>Ja wenn auch eben die&#x017F;er andre, aus eben die&#x017F;em Grunde,<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;e:</hi></l><lb/>
            <l>Es wa&#x0364;re mu&#x0364;glich, daß ein&#x2019; Au&#x017F;ter (&#x017F;o &#x017F;chlecht und elend &#x017F;ie uns<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;cheint,</hi></l><lb/>
            <l>Da &#x017F;ie am rauhen Fel&#x017F;en klebt, und gleich&#x017F;am &#x017F;ich mit ihm<lb/><hi rendition="#et">vereint)</hi></l><lb/>
            <l>Jn die&#x017F;em &#x017F;o arm&#x017F;elgen Stande, doch einer Lebensart geno&#x0364;&#x017F;&#x017F;e,</l><lb/>
            <l>Voll Anmuth, und Vergnu&#x0364;glichkeit, indem &#x017F;ie von Verhind-<lb/><hi rendition="#et">rung leer,</hi></l><lb/>
            <l>Mit &#x017F;tets erhabenen Gedanken, ohn Unterlaß be&#x017F;cha&#x0364;fftigt wa&#x0364;r:</l><lb/>
            <l>So wird man ja nicht leugnen ko&#x0364;nnen, daß Gottes Allmacht<lb/><hi rendition="#et">nicht &#x017F;o weit,</hi></l><lb/>
            <l>Ja noch viel weiter gehen ko&#x0364;nnen. Ob wir, &#x017F;ie gleich &#x017F;o zu<lb/><hi rendition="#et">befinden,</hi></l><lb/>
            <l>Aus Stolz, vielleicht nicht ein&#x017F;t verlangen. Nach &#x017F;einer Macht,<lb/><hi rendition="#et">Unendlichkeit,</hi></l><lb/>
            <l>Kann Gott vernu&#x0364;nftge We&#x017F;en &#x017F;chaffen, und &#x017F;ie, womit er will,<lb/><hi rendition="#et">verbinden.</hi></l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Un-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[600/0624] Schranken unſrer Vernunft. Nicht nur in Thier, auch in Jnſecten, ſo viel Verſtand und Weisheit ſenken, Als wir, ja kluͤgre Geiſter, haben, ohn eben uns die Kraft zu goͤnnen, Zu faſſen, daß er es gethan, und daß es wirklich ſo, zu denken. Ja wenn auch eben dieſer andre, aus eben dieſem Grunde, ſchloͤſſe: Es waͤre muͤglich, daß ein’ Auſter (ſo ſchlecht und elend ſie uns ſcheint, Da ſie am rauhen Felſen klebt, und gleichſam ſich mit ihm vereint) Jn dieſem ſo armſelgen Stande, doch einer Lebensart genoͤſſe, Voll Anmuth, und Vergnuͤglichkeit, indem ſie von Verhind- rung leer, Mit ſtets erhabenen Gedanken, ohn Unterlaß beſchaͤfftigt waͤr: So wird man ja nicht leugnen koͤnnen, daß Gottes Allmacht nicht ſo weit, Ja noch viel weiter gehen koͤnnen. Ob wir, ſie gleich ſo zu befinden, Aus Stolz, vielleicht nicht einſt verlangen. Nach ſeiner Macht, Unendlichkeit, Kann Gott vernuͤnftge Weſen ſchaffen, und ſie, womit er will, verbinden. Un-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/624
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 600. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/624>, abgerufen am 01.05.2024.