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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

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Betrachtung
Ob er mit ihr von gleichem Wehrt? befindet aber alsobald
Den ungemeinen Unterscheid, da jener, ausser der Gestalt,
Die theilbar und veränderlich, imgleichen, ausser dem
Bewegen,
Kein' ander' Eigenschaften hat; da sie, in und an sich,
hingegen
Die Kraft, zu unterscheiden, kennen, imgleichen zu
empfinden, spührt.
So wie sie nun an einer Seiten was schlechters (ihren Leib)
berührt;
So spührt sie an der andern etwas, das größ- und würdiger,
als sie.
Giebt sie sich nun, die Kraft zu brauchen, die sie besitzet, etwas
Müh;
So wird von Ordnung, von der Tugend und von der
Vollenkommenheit
Sich ein' Jdee in ihr erheben, von welcher sie zu gleicher
Zeit
Verspüret, daß sie ausser ihr; woraus sie denn den vesten
Schluß,
Der unumstößlich, machen muß:
Daß das, was ihr so klar sich zeiget, müß' wesentlich und
wirklich seyn,
Weil Nichts sich nicht betrachten läßt. Nun zeigt sich ihr ein
neuer Schein:
Sie hat sich nicht hervorgebracht, ihr Cörper nicht, auch
nicht die Welt,
Nebst allem, was sich ihr darinn so mannigfach vor Augen
stellt,
Da alles ja Materie, so wie ihr Leib; so wird sie schliessen,
Und, daß von einem höhern Wesen sie stamm- und komme,
folgern müssen.
Wie
Betrachtung
Ob er mit ihr von gleichem Wehrt? befindet aber alſobald
Den ungemeinen Unterſcheid, da jener, auſſer der Geſtalt,
Die theilbar und veraͤnderlich, imgleichen, auſſer dem
Bewegen,
Kein’ ander’ Eigenſchaften hat; da ſie, in und an ſich,
hingegen
Die Kraft, zu unterſcheiden, kennen, imgleichen zu
empfinden, ſpuͤhrt.
So wie ſie nun an einer Seiten was ſchlechters (ihren Leib)
beruͤhrt;
So ſpuͤhrt ſie an der andern etwas, das groͤß- und wuͤrdiger,
als ſie.
Giebt ſie ſich nun, die Kraft zu brauchen, die ſie beſitzet, etwas
Muͤh;
So wird von Ordnung, von der Tugend und von der
Vollenkommenheit
Sich ein’ Jdee in ihr erheben, von welcher ſie zu gleicher
Zeit
Verſpuͤret, daß ſie auſſer ihr; woraus ſie denn den veſten
Schluß,
Der unumſtoͤßlich, machen muß:
Daß das, was ihr ſo klar ſich zeiget, muͤß’ weſentlich und
wirklich ſeyn,
Weil Nichts ſich nicht betrachten laͤßt. Nun zeigt ſich ihr ein
neuer Schein:
Sie hat ſich nicht hervorgebracht, ihr Coͤrper nicht, auch
nicht die Welt,
Nebſt allem, was ſich ihr darinn ſo mannigfach vor Augen
ſtellt,
Da alles ja Materie, ſo wie ihr Leib; ſo wird ſie ſchlieſſen,
Und, daß von einem hoͤhern Weſen ſie ſtamm- und komme,
folgern muͤſſen.
Wie
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[150/0168] Betrachtung Ob er mit ihr von gleichem Wehrt? befindet aber alſobald Den ungemeinen Unterſcheid, da jener, auſſer der Geſtalt, Die theilbar und veraͤnderlich, imgleichen, auſſer dem Bewegen, Kein’ ander’ Eigenſchaften hat; da ſie, in und an ſich, hingegen Die Kraft, zu unterſcheiden, kennen, imgleichen zu empfinden, ſpuͤhrt. So wie ſie nun an einer Seiten was ſchlechters (ihren Leib) beruͤhrt; So ſpuͤhrt ſie an der andern etwas, das groͤß- und wuͤrdiger, als ſie. Giebt ſie ſich nun, die Kraft zu brauchen, die ſie beſitzet, etwas Muͤh; So wird von Ordnung, von der Tugend und von der Vollenkommenheit Sich ein’ Jdee in ihr erheben, von welcher ſie zu gleicher Zeit Verſpuͤret, daß ſie auſſer ihr; woraus ſie denn den veſten Schluß, Der unumſtoͤßlich, machen muß: Daß das, was ihr ſo klar ſich zeiget, muͤß’ weſentlich und wirklich ſeyn, Weil Nichts ſich nicht betrachten laͤßt. Nun zeigt ſich ihr ein neuer Schein: Sie hat ſich nicht hervorgebracht, ihr Coͤrper nicht, auch nicht die Welt, Nebſt allem, was ſich ihr darinn ſo mannigfach vor Augen ſtellt, Da alles ja Materie, ſo wie ihr Leib; ſo wird ſie ſchlieſſen, Und, daß von einem hoͤhern Weſen ſie ſtamm- und komme, folgern muͤſſen. Wie

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/168>, abgerufen am 01.05.2024.