Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
An meinem Gebuhrts-Tage.
Wenn wir den Stoff, aus welchem wir besteh'n,
Wenn wir wodurch, worinn, womit, und wie wir leben,
Und wovon wir die Nahrung heben,
Mit einiger Aufmerksamkeit, beseh'n;
Wird uns ein Schauer übergeh'n,
Weil es fast unbegreiflich ist,
Wenn man die Mischungen ermißt,
Nur einen Augenblick gesund zu bleiben,
Wenn wir zugleich den grossen Unterscheid
Der Neigungen, der Absicht, Dürftigkeit,
Der Uebereilungen, der Unvollkommenheit,
Von andern Menschen auch beachten,
Und ihr stets neidisches, geliebtes Jch betrachten;
So ist es wohl Bewunderns wehrt,
Daß auf dem Lebens-Meer, worauf man fährt,
Uns tausend Strudel nicht versenken.
Jch bin, o HErr! durch Deine Güte,
Bisher ohn' Anstoß fortgeschifft,
Und weil mich noch, GOtt Lob! kein schwehrer Unfall trifft,
So lob' und preis' ich dich. Und mein Gemühte
Wird, in der Grösse der Gefahr,
Die Grösse Deiner Gnad' und Huld gewahr.
Noch mehr, aus ungezählten Gaben,
Die wir noch ausser dem von Dir erhalten haben,
Erhellet Deine Lieb' und Gnaden-reiche Treu,
Die bey mir alle Morgen neu.
Es sind dieselben nicht zu zählen,
Doch muß ich eine noch von so viel tausend wählen,
Und dafür, mit gerührter Seelen,
Dir, HErr! ein Freuden-Opfer bringen.
Zu
7 Theil. F f
An meinem Gebuhrts-Tage.
Wenn wir den Stoff, aus welchem wir beſteh’n,
Wenn wir wodurch, worinn, womit, und wie wir leben,
Und wovon wir die Nahrung heben,
Mit einiger Aufmerkſamkeit, beſeh’n;
Wird uns ein Schauer uͤbergeh’n,
Weil es faſt unbegreiflich iſt,
Wenn man die Miſchungen ermißt,
Nur einen Augenblick geſund zu bleiben,
Wenn wir zugleich den groſſen Unterſcheid
Der Neigungen, der Abſicht, Duͤrftigkeit,
Der Uebereilungen, der Unvollkommenheit,
Von andern Menſchen auch beachten,
Und ihr ſtets neidiſches, geliebtes Jch betrachten;
So iſt es wohl Bewunderns wehrt,
Daß auf dem Lebens-Meer, worauf man faͤhrt,
Uns tauſend Strudel nicht verſenken.
Jch bin, o HErr! durch Deine Guͤte,
Bisher ohn’ Anſtoß fortgeſchifft,
Und weil mich noch, GOtt Lob! kein ſchwehrer Unfall trifft,
So lob’ und preiſ’ ich dich. Und mein Gemuͤhte
Wird, in der Groͤſſe der Gefahr,
Die Groͤſſe Deiner Gnad’ und Huld gewahr.
Noch mehr, aus ungezaͤhlten Gaben,
Die wir noch auſſer dem von Dir erhalten haben,
Erhellet Deine Lieb’ und Gnaden-reiche Treu,
Die bey mir alle Morgen neu.
Es ſind dieſelben nicht zu zaͤhlen,
Doch muß ich eine noch von ſo viel tauſend waͤhlen,
Und dafuͤr, mit geruͤhrter Seelen,
Dir, HErr! ein Freuden-Opfer bringen.
Zu
7 Theil. F f
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0467" n="449"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">An meinem Gebuhrts-Tage.</hi> </fw><lb/>
              <lg n="4">
                <l>Wenn wir den Stoff, aus welchem wir be&#x017F;teh&#x2019;n,</l><lb/>
                <l>Wenn wir wodurch, worinn, womit, und wie wir leben,</l><lb/>
                <l>Und wovon wir die Nahrung heben,</l><lb/>
                <l>Mit einiger Aufmerk&#x017F;amkeit, be&#x017F;eh&#x2019;n;</l><lb/>
                <l>Wird uns ein Schauer u&#x0364;bergeh&#x2019;n,</l><lb/>
                <l>Weil es fa&#x017F;t unbegreiflich i&#x017F;t,</l><lb/>
                <l>Wenn man die Mi&#x017F;chungen ermißt,</l><lb/>
                <l>Nur einen Augenblick ge&#x017F;und zu bleiben,</l><lb/>
                <l>Wenn wir zugleich den gro&#x017F;&#x017F;en Unter&#x017F;cheid</l><lb/>
                <l>Der Neigungen, der Ab&#x017F;icht, Du&#x0364;rftigkeit,</l><lb/>
                <l>Der Uebereilungen, der Unvollkommenheit,</l><lb/>
                <l>Von andern Men&#x017F;chen auch beachten,</l><lb/>
                <l>Und ihr &#x017F;tets neidi&#x017F;ches, geliebtes Jch betrachten;</l><lb/>
                <l>So i&#x017F;t es wohl Bewunderns wehrt,</l><lb/>
                <l>Daß auf dem Lebens-Meer, worauf man fa&#x0364;hrt,</l><lb/>
                <l>Uns tau&#x017F;end Strudel nicht ver&#x017F;enken.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="5">
                <l>Jch bin, o HErr! durch Deine Gu&#x0364;te,</l><lb/>
                <l>Bisher ohn&#x2019; An&#x017F;toß fortge&#x017F;chifft,</l><lb/>
                <l>Und weil mich noch, GOtt Lob! kein &#x017F;chwehrer Unfall trifft,</l><lb/>
                <l>So lob&#x2019; und prei&#x017F;&#x2019; ich dich. Und mein Gemu&#x0364;hte</l><lb/>
                <l>Wird, in der Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der Gefahr,</l><lb/>
                <l>Die Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Deiner Gnad&#x2019; und Huld gewahr.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="6">
                <l>Noch mehr, aus ungeza&#x0364;hlten Gaben,</l><lb/>
                <l>Die wir noch au&#x017F;&#x017F;er dem von Dir erhalten haben,</l><lb/>
                <l>Erhellet Deine Lieb&#x2019; und Gnaden-reiche Treu,</l><lb/>
                <l>Die bey mir alle Morgen neu.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="7">
                <l>Es &#x017F;ind die&#x017F;elben nicht zu za&#x0364;hlen,</l><lb/>
                <l>Doch muß ich eine noch von &#x017F;o viel tau&#x017F;end wa&#x0364;hlen,</l><lb/>
                <l>Und dafu&#x0364;r, mit geru&#x0364;hrter Seelen,</l><lb/>
                <l>Dir, HErr! ein Freuden-Opfer bringen.</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">7 <hi rendition="#fr">Theil.</hi> F f</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Zu</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[449/0467] An meinem Gebuhrts-Tage. Wenn wir den Stoff, aus welchem wir beſteh’n, Wenn wir wodurch, worinn, womit, und wie wir leben, Und wovon wir die Nahrung heben, Mit einiger Aufmerkſamkeit, beſeh’n; Wird uns ein Schauer uͤbergeh’n, Weil es faſt unbegreiflich iſt, Wenn man die Miſchungen ermißt, Nur einen Augenblick geſund zu bleiben, Wenn wir zugleich den groſſen Unterſcheid Der Neigungen, der Abſicht, Duͤrftigkeit, Der Uebereilungen, der Unvollkommenheit, Von andern Menſchen auch beachten, Und ihr ſtets neidiſches, geliebtes Jch betrachten; So iſt es wohl Bewunderns wehrt, Daß auf dem Lebens-Meer, worauf man faͤhrt, Uns tauſend Strudel nicht verſenken. Jch bin, o HErr! durch Deine Guͤte, Bisher ohn’ Anſtoß fortgeſchifft, Und weil mich noch, GOtt Lob! kein ſchwehrer Unfall trifft, So lob’ und preiſ’ ich dich. Und mein Gemuͤhte Wird, in der Groͤſſe der Gefahr, Die Groͤſſe Deiner Gnad’ und Huld gewahr. Noch mehr, aus ungezaͤhlten Gaben, Die wir noch auſſer dem von Dir erhalten haben, Erhellet Deine Lieb’ und Gnaden-reiche Treu, Die bey mir alle Morgen neu. Es ſind dieſelben nicht zu zaͤhlen, Doch muß ich eine noch von ſo viel tauſend waͤhlen, Und dafuͤr, mit geruͤhrter Seelen, Dir, HErr! ein Freuden-Opfer bringen. Zu 7 Theil. F f

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/467
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/467>, abgerufen am 03.05.2024.