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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

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Sommer-Lust im Winter.
Mein Leser! denke nicht,
Ob sey dieß Kleinigkeit, und nicht der Mühe wehrt:
O nein! es lässet die Figur
Der Blätter, die den Bäumen gleich, die nette Arbeit der
Natur
Vom Grossen uns im Kleinen sehn;
Und was die Anmuht noch vermehrt
Jst, daß zugleich die Farben schön.
Zumahlen, wenn der Schnee dem, was so lieblich grünt,
Zu einem weissen Grunde dient.
Die holde Schönheit geht so weit,
Das frische, recht durchlauchtge Grün
Jst von so reizender und frischer Lieblichkeit,
Daß auch unaufmerksame Augen,
Sich kaum von ihrem Schmuck zu ziehn,
Von ihrem Glanz sich wegzuwenden, taugen.
Wer wollte denn ohn' Aufwand, sonder Geld,
Und ohne Müh', was uns so wohl gefällt,
Den Sommer nicht im Winter sehn?
Wer wollte, mit erlaubter Augen-Lust,
Und mit dadurch gerührter Brust,
Auch selbst im Frost, mit Lust, den Schöpfer nicht erhöhn?


Zum
O o 5
Sommer-Luſt im Winter.
Mein Leſer! denke nicht,
Ob ſey dieß Kleinigkeit, und nicht der Muͤhe wehrt:
O nein! es laͤſſet die Figur
Der Blaͤtter, die den Baͤumen gleich, die nette Arbeit der
Natur
Vom Groſſen uns im Kleinen ſehn;
Und was die Anmuht noch vermehrt
Jſt, daß zugleich die Farben ſchoͤn.
Zumahlen, wenn der Schnee dem, was ſo lieblich gruͤnt,
Zu einem weiſſen Grunde dient.
Die holde Schoͤnheit geht ſo weit,
Das friſche, recht durchlauchtge Gruͤn
Jſt von ſo reizender und friſcher Lieblichkeit,
Daß auch unaufmerkſame Augen,
Sich kaum von ihrem Schmuck zu ziehn,
Von ihrem Glanz ſich wegzuwenden, taugen.
Wer wollte denn ohn’ Aufwand, ſonder Geld,
Und ohne Muͤh’, was uns ſo wohl gefaͤllt,
Den Sommer nicht im Winter ſehn?
Wer wollte, mit erlaubter Augen-Luſt,
Und mit dadurch geruͤhrter Bruſt,
Auch ſelbſt im Froſt, mit Luſt, den Schoͤpfer nicht erhoͤhn?


Zum
O o 5
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[585/0603] Sommer-Luſt im Winter. Mein Leſer! denke nicht, Ob ſey dieß Kleinigkeit, und nicht der Muͤhe wehrt: O nein! es laͤſſet die Figur Der Blaͤtter, die den Baͤumen gleich, die nette Arbeit der Natur Vom Groſſen uns im Kleinen ſehn; Und was die Anmuht noch vermehrt Jſt, daß zugleich die Farben ſchoͤn. Zumahlen, wenn der Schnee dem, was ſo lieblich gruͤnt, Zu einem weiſſen Grunde dient. Die holde Schoͤnheit geht ſo weit, Das friſche, recht durchlauchtge Gruͤn Jſt von ſo reizender und friſcher Lieblichkeit, Daß auch unaufmerkſame Augen, Sich kaum von ihrem Schmuck zu ziehn, Von ihrem Glanz ſich wegzuwenden, taugen. Wer wollte denn ohn’ Aufwand, ſonder Geld, Und ohne Muͤh’, was uns ſo wohl gefaͤllt, Den Sommer nicht im Winter ſehn? Wer wollte, mit erlaubter Augen-Luſt, Und mit dadurch geruͤhrter Bruſt, Auch ſelbſt im Froſt, mit Luſt, den Schoͤpfer nicht erhoͤhn? Zum O o 5

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/603>, abgerufen am 29.04.2024.