Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Suppe.
Der dritte nahm, mit frohem Muth, die ihm gesandte
Schüssel an,

Genoß und kostete dieselbe; empfand, was man daran
gethan;

Verband sein Denken mit der Zunge: fand eine schöne
Harmonie

Jn den so wohl gemengten Theilen; vergnügte sich,
indem er sie,

Mit Lust, bedachtsam niederschluckte, und dankte, fast
bey jedem Bissen,

Dem Geber, welcher ihn erquickt. Nun möcht' ich wohl
die Meynung wissen

Von denen, welche diese Nachricht, mit einigem Be-
dacht, gelesen,

Ob das Betragen von dem Letzten nicht das vernünf-
tigste gewesen?
"Wie vielen werden, von dem Schöpfer, dergleichen
Suppen nicht geschenkt!

"Wie selten findet sich ein Mensch, der, wie der dritte,
speist und denkt!


Beweg-
F f 4
Die Suppe.
Der dritte nahm, mit frohem Muth, die ihm geſandte
Schuͤſſel an,

Genoß und koſtete dieſelbe; empfand, was man daran
gethan;

Verband ſein Denken mit der Zunge: fand eine ſchoͤne
Harmonie

Jn den ſo wohl gemengten Theilen; vergnuͤgte ſich,
indem er ſie,

Mit Luſt, bedachtſam niederſchluckte, und dankte, faſt
bey jedem Biſſen,

Dem Geber, welcher ihn erquickt. Nun moͤcht’ ich wohl
die Meynung wiſſen

Von denen, welche dieſe Nachricht, mit einigem Be-
dacht, geleſen,

Ob das Betragen von dem Letzten nicht das vernuͤnf-
tigſte geweſen?
“Wie vielen werden, von dem Schoͤpfer, dergleichen
Suppen nicht geſchenkt!

“Wie ſelten findet ſich ein Menſch, der, wie der dritte,
ſpeiſt und denkt!


Beweg-
F f 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0469" n="455"/>
              <fw place="top" type="header">Die Suppe.</fw><lb/>
              <lg n="3">
                <l>Der dritte nahm, mit frohem Muth, die ihm ge&#x017F;andte<lb/><hi rendition="#et">Schu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el an,</hi></l><lb/>
                <l>Genoß und ko&#x017F;tete die&#x017F;elbe; empfand, was man daran<lb/><hi rendition="#et">gethan;</hi></l><lb/>
                <l>Verband &#x017F;ein Denken mit der Zunge: fand eine &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/><hi rendition="#et">Harmonie</hi></l><lb/>
                <l>Jn den &#x017F;o wohl gemengten Theilen; vergnu&#x0364;gte &#x017F;ich,<lb/><hi rendition="#et">indem er &#x017F;ie,</hi></l><lb/>
                <l>Mit Lu&#x017F;t, bedacht&#x017F;am nieder&#x017F;chluckte, und dankte, fa&#x017F;t<lb/><hi rendition="#et">bey jedem Bi&#x017F;&#x017F;en,</hi></l><lb/>
                <l>Dem Geber, welcher ihn erquickt. Nun mo&#x0364;cht&#x2019; ich wohl<lb/><hi rendition="#et">die Meynung wi&#x017F;&#x017F;en</hi></l><lb/>
                <l>Von denen, welche die&#x017F;e Nachricht, mit einigem Be-<lb/><hi rendition="#et">dacht, gele&#x017F;en,</hi></l><lb/>
                <l>Ob das Betragen von dem Letzten nicht das vernu&#x0364;nf-<lb/><hi rendition="#et">tig&#x017F;te gewe&#x017F;en?</hi></l>
              </lg><lb/>
              <lg n="4">
                <l>&#x201C;Wie vielen werden, von dem Scho&#x0364;pfer, dergleichen<lb/><hi rendition="#et">Suppen nicht ge&#x017F;chenkt!</hi></l><lb/>
                <l>&#x201C;Wie &#x017F;elten findet &#x017F;ich ein Men&#x017F;ch, der, wie der dritte,<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;pei&#x017F;t und denkt!</hi></l>
              </lg>
            </lg>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">F f 4</fw>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Beweg-</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[455/0469] Die Suppe. Der dritte nahm, mit frohem Muth, die ihm geſandte Schuͤſſel an, Genoß und koſtete dieſelbe; empfand, was man daran gethan; Verband ſein Denken mit der Zunge: fand eine ſchoͤne Harmonie Jn den ſo wohl gemengten Theilen; vergnuͤgte ſich, indem er ſie, Mit Luſt, bedachtſam niederſchluckte, und dankte, faſt bey jedem Biſſen, Dem Geber, welcher ihn erquickt. Nun moͤcht’ ich wohl die Meynung wiſſen Von denen, welche dieſe Nachricht, mit einigem Be- dacht, geleſen, Ob das Betragen von dem Letzten nicht das vernuͤnf- tigſte geweſen? “Wie vielen werden, von dem Schoͤpfer, dergleichen Suppen nicht geſchenkt! “Wie ſelten findet ſich ein Menſch, der, wie der dritte, ſpeiſt und denkt! Beweg- F f 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/469
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/469>, abgerufen am 30.04.2024.