Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Art von Flößen, die von dicken Tannenbäumen ge-
macht sind, und eine große Last tragen können. Aber
die große Hitze und große Menge Muskitoes und Flie-
gen sind sehr beschwerlich, und hindern das Vergnü-
gen sehr, das ein Fremder an der Schönheit der Wäl-
der, Flüsse und Seen, indem er durchreiset, haben
würde.

Es kann in der Welt keine Religion gefunden
werden, die es ihren Bekennern schwerer macht, als
die Russische. Denn außer dem, daß sie wöchentlich
zwey Fasttage haben, Mittwochs und Freytags, und
die Tage vor den Festen fasten, an welchen sie sich aller
Arten Fleisches enthalten müssen, und weder Butter,
noch Eyer oder Milch kosten dürfen, so haben sie des
Jahres noch vier Fasten. Die längste dauert sieben
Wochen; die erste davon heißt die Butterwoche, und
da dieses ihr Carneval ist, so haben sie die Freyheit,
alles zu essen, nur keine Fische. Jn dieser Woche
schweifen sie auf eine fast unglaubliche Art aus, und
wenden sie, gleichsam als wenn sie zu der Zubereitung
zu der Fasten von sechs Wochen bestimmt wäre, zu
den größten Ausschweifungen im Brandweintrinken
und geschmolzene Butter zu essen an, die sie so häusig
verschlingen, daß man glauben sollte, daß der gering-
ste Feuerfunke ihre Körper anzünden könnte. Ja sie
sehen sich oft genöthiget, diese Entzündung mit Milch
zu löschen, damit sie nicht auf der Stelle sterben, wel-
ches sich auch oft zuträgt. Wehe den Fremden, der
diesen Trunkenbolden des Nachts entgegen kommt!
Wenn er nicht wohl bedeckt ist, so gehen ihre Grob-
heiten so weit, daß deren jede Nacht eine Menge um-
gebracht werden, diejenigen nicht zu rechnen, die,

wenn

Art von Floͤßen, die von dicken Tannenbaͤumen ge-
macht ſind, und eine große Laſt tragen koͤnnen. Aber
die große Hitze und große Menge Muskitoes und Flie-
gen ſind ſehr beſchwerlich, und hindern das Vergnuͤ-
gen ſehr, das ein Fremder an der Schoͤnheit der Waͤl-
der, Fluͤſſe und Seen, indem er durchreiſet, haben
wuͤrde.

Es kann in der Welt keine Religion gefunden
werden, die es ihren Bekennern ſchwerer macht, als
die Ruſſiſche. Denn außer dem, daß ſie woͤchentlich
zwey Faſttage haben, Mittwochs und Freytags, und
die Tage vor den Feſten faſten, an welchen ſie ſich aller
Arten Fleiſches enthalten muͤſſen, und weder Butter,
noch Eyer oder Milch koſten duͤrfen, ſo haben ſie des
Jahres noch vier Faſten. Die laͤngſte dauert ſieben
Wochen; die erſte davon heißt die Butterwoche, und
da dieſes ihr Carneval iſt, ſo haben ſie die Freyheit,
alles zu eſſen, nur keine Fiſche. Jn dieſer Woche
ſchweifen ſie auf eine faſt unglaubliche Art aus, und
wenden ſie, gleichſam als wenn ſie zu der Zubereitung
zu der Faſten von ſechs Wochen beſtimmt waͤre, zu
den groͤßten Ausſchweifungen im Brandweintrinken
und geſchmolzene Butter zu eſſen an, die ſie ſo haͤuſig
verſchlingen, daß man glauben ſollte, daß der gering-
ſte Feuerfunke ihre Koͤrper anzuͤnden koͤnnte. Ja ſie
ſehen ſich oft genoͤthiget, dieſe Entzuͤndung mit Milch
zu loͤſchen, damit ſie nicht auf der Stelle ſterben, wel-
ches ſich auch oft zutraͤgt. Wehe den Fremden, der
dieſen Trunkenbolden des Nachts entgegen kommt!
Wenn er nicht wohl bedeckt iſt, ſo gehen ihre Grob-
heiten ſo weit, daß deren jede Nacht eine Menge um-
gebracht werden, diejenigen nicht zu rechnen, die,

wenn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0133" n="123"/>
Art von Flo&#x0364;ßen, die von dicken Tannenba&#x0364;umen ge-<lb/>
macht &#x017F;ind, und eine große La&#x017F;t tragen ko&#x0364;nnen. Aber<lb/>
die große Hitze und große Menge Muskitoes und Flie-<lb/>
gen &#x017F;ind &#x017F;ehr be&#x017F;chwerlich, und hindern das Vergnu&#x0364;-<lb/>
gen &#x017F;ehr, das ein Fremder an der Scho&#x0364;nheit der Wa&#x0364;l-<lb/>
der, Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und Seen, indem er durchrei&#x017F;et, haben<lb/>
wu&#x0364;rde.</p><lb/>
        <p>Es kann in der Welt keine Religion gefunden<lb/>
werden, die es ihren Bekennern &#x017F;chwerer macht, als<lb/>
die Ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che. Denn außer dem, daß &#x017F;ie wo&#x0364;chentlich<lb/>
zwey Fa&#x017F;ttage haben, Mittwochs und Freytags, und<lb/>
die Tage vor den Fe&#x017F;ten fa&#x017F;ten, an welchen &#x017F;ie &#x017F;ich aller<lb/>
Arten Flei&#x017F;ches enthalten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, und weder Butter,<lb/>
noch Eyer oder Milch ko&#x017F;ten du&#x0364;rfen, &#x017F;o haben &#x017F;ie des<lb/>
Jahres noch vier Fa&#x017F;ten. Die la&#x0364;ng&#x017F;te dauert &#x017F;ieben<lb/>
Wochen; die er&#x017F;te davon heißt die Butterwoche, und<lb/>
da die&#x017F;es ihr Carneval i&#x017F;t, &#x017F;o haben &#x017F;ie die Freyheit,<lb/>
alles zu e&#x017F;&#x017F;en, nur keine Fi&#x017F;che. Jn die&#x017F;er Woche<lb/>
&#x017F;chweifen &#x017F;ie auf eine fa&#x017F;t unglaubliche Art aus, und<lb/>
wenden &#x017F;ie, gleich&#x017F;am als wenn &#x017F;ie zu der Zubereitung<lb/>
zu der Fa&#x017F;ten von &#x017F;echs Wochen be&#x017F;timmt wa&#x0364;re, zu<lb/>
den gro&#x0364;ßten Aus&#x017F;chweifungen im Brandweintrinken<lb/>
und ge&#x017F;chmolzene Butter zu e&#x017F;&#x017F;en an, die &#x017F;ie &#x017F;o ha&#x0364;u&#x017F;ig<lb/>
ver&#x017F;chlingen, daß man glauben &#x017F;ollte, daß der gering-<lb/>
&#x017F;te Feuerfunke ihre Ko&#x0364;rper anzu&#x0364;nden ko&#x0364;nnte. Ja &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ehen &#x017F;ich oft geno&#x0364;thiget, die&#x017F;e Entzu&#x0364;ndung mit Milch<lb/>
zu lo&#x0364;&#x017F;chen, damit &#x017F;ie nicht auf der Stelle &#x017F;terben, wel-<lb/>
ches &#x017F;ich auch oft zutra&#x0364;gt. Wehe den Fremden, der<lb/>
die&#x017F;en Trunkenbolden des Nachts entgegen kommt!<lb/>
Wenn er nicht wohl bedeckt i&#x017F;t, &#x017F;o gehen ihre Grob-<lb/>
heiten &#x017F;o weit, daß deren jede Nacht eine Menge um-<lb/>
gebracht werden, diejenigen nicht zu rechnen, die,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wenn</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0133] Art von Floͤßen, die von dicken Tannenbaͤumen ge- macht ſind, und eine große Laſt tragen koͤnnen. Aber die große Hitze und große Menge Muskitoes und Flie- gen ſind ſehr beſchwerlich, und hindern das Vergnuͤ- gen ſehr, das ein Fremder an der Schoͤnheit der Waͤl- der, Fluͤſſe und Seen, indem er durchreiſet, haben wuͤrde. Es kann in der Welt keine Religion gefunden werden, die es ihren Bekennern ſchwerer macht, als die Ruſſiſche. Denn außer dem, daß ſie woͤchentlich zwey Faſttage haben, Mittwochs und Freytags, und die Tage vor den Feſten faſten, an welchen ſie ſich aller Arten Fleiſches enthalten muͤſſen, und weder Butter, noch Eyer oder Milch koſten duͤrfen, ſo haben ſie des Jahres noch vier Faſten. Die laͤngſte dauert ſieben Wochen; die erſte davon heißt die Butterwoche, und da dieſes ihr Carneval iſt, ſo haben ſie die Freyheit, alles zu eſſen, nur keine Fiſche. Jn dieſer Woche ſchweifen ſie auf eine faſt unglaubliche Art aus, und wenden ſie, gleichſam als wenn ſie zu der Zubereitung zu der Faſten von ſechs Wochen beſtimmt waͤre, zu den groͤßten Ausſchweifungen im Brandweintrinken und geſchmolzene Butter zu eſſen an, die ſie ſo haͤuſig verſchlingen, daß man glauben ſollte, daß der gering- ſte Feuerfunke ihre Koͤrper anzuͤnden koͤnnte. Ja ſie ſehen ſich oft genoͤthiget, dieſe Entzuͤndung mit Milch zu loͤſchen, damit ſie nicht auf der Stelle ſterben, wel- ches ſich auch oft zutraͤgt. Wehe den Fremden, der dieſen Trunkenbolden des Nachts entgegen kommt! Wenn er nicht wohl bedeckt iſt, ſo gehen ihre Grob- heiten ſo weit, daß deren jede Nacht eine Menge um- gebracht werden, diejenigen nicht zu rechnen, die, wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/133
Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/133>, abgerufen am 29.04.2024.