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Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

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durch den Tod der Prinzessinn, die ihn zur WeltTod der
Prinzessinn.

gebracht hatte, wieder unterbrochen, indem sie den
9ten Tag nach ihrer Niederkunft, im 21sten Jahre
ihres Alters verstarb, nachdem sie 4 Jahre und 6
Tage an einen Gemahl, der einer so tugendhaften
und würdigen Prinzessinn gänzlich unwürdig war,
vermählt gewesen war. Als sie überzeugt war, daß
sich ihr Ende herannahe, so verlangte sie den Czar
zu sprechen, von dem sie, als er zu ihr kam, auf die
rührendste Art Abschied nahm, und ihre zwey Kinder
seiner Sorgfalt und ihre Bedienten seinem Schutze
empfahl. Nachdem sie ihre Kinder umarmet und
mit den Thränen mütterlicher Liebe benetzt hatte, so
übergab sie selbige dem Czarowitz, der sie in seine Zim-
mer trug, aber nicht wieder zurück kam, oder sich im
geringsten nach ihrer Mutter und seiner liebenswürdi-
gen Gemahlinn erkundigte. Er hatte seit dem Tage
ihrer Vermählung bis an ihren Tod niemals, auch
nicht einmal bey der gegenwärtigen rührenden Scene,
die geringste zärtliche Hochachtung oder Sorgfalt für
sie bezeiget, daß man also von ihr sagen kann, daß
sie wirklich unglücklich gewesen ist. Als ihr die Aerz-
te einige Arzeney einzunehmen riethen, sagte sie mit
einiger Bewegung des Gemüths: Quälen sie mich
nicht mehr, lassen sie mich ruhig sterben, denn ich
will nicht länger leben. Sie starb den ersten Novem-
ber, und ihr entseelter Leichnam wurde, weil sie es
verlangt hatte, den 7ten in der großen Kirche der
Festung, mit allem ihrer Geburt gehörigen Pomp und
Ehrenbezeugungen, ohne einbalsamiret zu werden,
beygesetzt.

Gleich

durch den Tod der Prinzeſſinn, die ihn zur WeltTod der
Prinzeſſinn.

gebracht hatte, wieder unterbrochen, indem ſie den
9ten Tag nach ihrer Niederkunft, im 21ſten Jahre
ihres Alters verſtarb, nachdem ſie 4 Jahre und 6
Tage an einen Gemahl, der einer ſo tugendhaften
und wuͤrdigen Prinzeſſinn gaͤnzlich unwuͤrdig war,
vermaͤhlt geweſen war. Als ſie uͤberzeugt war, daß
ſich ihr Ende herannahe, ſo verlangte ſie den Czar
zu ſprechen, von dem ſie, als er zu ihr kam, auf die
ruͤhrendſte Art Abſchied nahm, und ihre zwey Kinder
ſeiner Sorgfalt und ihre Bedienten ſeinem Schutze
empfahl. Nachdem ſie ihre Kinder umarmet und
mit den Thraͤnen muͤtterlicher Liebe benetzt hatte, ſo
uͤbergab ſie ſelbige dem Czarowitz, der ſie in ſeine Zim-
mer trug, aber nicht wieder zuruͤck kam, oder ſich im
geringſten nach ihrer Mutter und ſeiner liebenswuͤrdi-
gen Gemahlinn erkundigte. Er hatte ſeit dem Tage
ihrer Vermaͤhlung bis an ihren Tod niemals, auch
nicht einmal bey der gegenwaͤrtigen ruͤhrenden Scene,
die geringſte zaͤrtliche Hochachtung oder Sorgfalt fuͤr
ſie bezeiget, daß man alſo von ihr ſagen kann, daß
ſie wirklich ungluͤcklich geweſen iſt. Als ihr die Aerz-
te einige Arzeney einzunehmen riethen, ſagte ſie mit
einiger Bewegung des Gemuͤths: Quaͤlen ſie mich
nicht mehr, laſſen ſie mich ruhig ſterben, denn ich
will nicht laͤnger leben. Sie ſtarb den erſten Novem-
ber, und ihr entſeelter Leichnam wurde, weil ſie es
verlangt hatte, den 7ten in der großen Kirche der
Feſtung, mit allem ihrer Geburt gehoͤrigen Pomp und
Ehrenbezeugungen, ohne einbalſamiret zu werden,
beygeſetzt.

Gleich
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[171/0181] durch den Tod der Prinzeſſinn, die ihn zur Welt gebracht hatte, wieder unterbrochen, indem ſie den 9ten Tag nach ihrer Niederkunft, im 21ſten Jahre ihres Alters verſtarb, nachdem ſie 4 Jahre und 6 Tage an einen Gemahl, der einer ſo tugendhaften und wuͤrdigen Prinzeſſinn gaͤnzlich unwuͤrdig war, vermaͤhlt geweſen war. Als ſie uͤberzeugt war, daß ſich ihr Ende herannahe, ſo verlangte ſie den Czar zu ſprechen, von dem ſie, als er zu ihr kam, auf die ruͤhrendſte Art Abſchied nahm, und ihre zwey Kinder ſeiner Sorgfalt und ihre Bedienten ſeinem Schutze empfahl. Nachdem ſie ihre Kinder umarmet und mit den Thraͤnen muͤtterlicher Liebe benetzt hatte, ſo uͤbergab ſie ſelbige dem Czarowitz, der ſie in ſeine Zim- mer trug, aber nicht wieder zuruͤck kam, oder ſich im geringſten nach ihrer Mutter und ſeiner liebenswuͤrdi- gen Gemahlinn erkundigte. Er hatte ſeit dem Tage ihrer Vermaͤhlung bis an ihren Tod niemals, auch nicht einmal bey der gegenwaͤrtigen ruͤhrenden Scene, die geringſte zaͤrtliche Hochachtung oder Sorgfalt fuͤr ſie bezeiget, daß man alſo von ihr ſagen kann, daß ſie wirklich ungluͤcklich geweſen iſt. Als ihr die Aerz- te einige Arzeney einzunehmen riethen, ſagte ſie mit einiger Bewegung des Gemuͤths: Quaͤlen ſie mich nicht mehr, laſſen ſie mich ruhig ſterben, denn ich will nicht laͤnger leben. Sie ſtarb den erſten Novem- ber, und ihr entſeelter Leichnam wurde, weil ſie es verlangt hatte, den 7ten in der großen Kirche der Feſtung, mit allem ihrer Geburt gehoͤrigen Pomp und Ehrenbezeugungen, ohne einbalſamiret zu werden, beygeſetzt. Tod der Prinzeſſinn. Gleich

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Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/181>, abgerufen am 27.04.2024.