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Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

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Seeleute gekleidet giengen, und auf diese Art etliche
Tage lang durch die Straßen in Moskau mit einer
Gesellschaft Musikanten, von eines Großen Hause zu
dem andern fuhren, wo große Gastgebote für sie an-
gestellt waren. Die Kanonen der Jacht wurden bey
jedem Hause abgefeuert, wo sie anhielten. Alle
Straßen der Stadt wurden jede Nacht erleuchtet.
Dieses Gepränge war den Einwohnern sehr ange-
nehm, indem sie noch niemals ein Schiff gesehen hat-
ten. Während dieser ganzen Zeit dachten alle Ein-
wohner von allen Ständen auf nichts als auf Ver-
gnügen, bis eine neue und unvermuthete Sache ihre
ganze Freude unterbrach.

Es wurde nämlich den 22sten Februar 17221722.
ein Befehl durch Trompeten bekannt gemacht, wo-
durch allen Eingebohrnen des Russischen Reichs, und
allen damals darinnen befindlichen Ausländern an-
befohlen wurde, einen Eid zu schwören und zu unter-
zeichnen, daß sie diejenige Person, die Jhre Majestät
zu ihrem Nachfolger ernennen würde, nach ihrem
Tode als Thronfolger erkennen wollten. Dieser Be-
fehl machte alle Gemüther niedergeschlagen, wenn sie
an das Recht des jungen Peters, des Kaisers En-
kel, und einzigen männlichen Erben der Kaiserlichen
Familie gedachten, der ein so viel versprechender und
hoffnungsvoller Prinz war, als einer von seinem
Alter nur seyn konnte. Sie mußten indessen dem
Befehle gehorchen, ob er gleich von vielen mit widri-
gen Herzen vollzogen wurde, indem der unschuldige
Prinz nichts vor seines Vaters Vergehungen konnte.
Alle Officiers von unsrer Division wurden in verschie-

dene
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Seeleute gekleidet giengen, und auf dieſe Art etliche
Tage lang durch die Straßen in Moskau mit einer
Geſellſchaft Muſikanten, von eines Großen Hauſe zu
dem andern fuhren, wo große Gaſtgebote fuͤr ſie an-
geſtellt waren. Die Kanonen der Jacht wurden bey
jedem Hauſe abgefeuert, wo ſie anhielten. Alle
Straßen der Stadt wurden jede Nacht erleuchtet.
Dieſes Gepraͤnge war den Einwohnern ſehr ange-
nehm, indem ſie noch niemals ein Schiff geſehen hat-
ten. Waͤhrend dieſer ganzen Zeit dachten alle Ein-
wohner von allen Staͤnden auf nichts als auf Ver-
gnuͤgen, bis eine neue und unvermuthete Sache ihre
ganze Freude unterbrach.

Es wurde naͤmlich den 22ſten Februar 17221722.
ein Befehl durch Trompeten bekannt gemacht, wo-
durch allen Eingebohrnen des Ruſſiſchen Reichs, und
allen damals darinnen befindlichen Auslaͤndern an-
befohlen wurde, einen Eid zu ſchwoͤren und zu unter-
zeichnen, daß ſie diejenige Perſon, die Jhre Majeſtaͤt
zu ihrem Nachfolger ernennen wuͤrde, nach ihrem
Tode als Thronfolger erkennen wollten. Dieſer Be-
fehl machte alle Gemuͤther niedergeſchlagen, wenn ſie
an das Recht des jungen Peters, des Kaiſers En-
kel, und einzigen maͤnnlichen Erben der Kaiſerlichen
Familie gedachten, der ein ſo viel verſprechender und
hoffnungsvoller Prinz war, als einer von ſeinem
Alter nur ſeyn konnte. Sie mußten indeſſen dem
Befehle gehorchen, ob er gleich von vielen mit widri-
gen Herzen vollzogen wurde, indem der unſchuldige
Prinz nichts vor ſeines Vaters Vergehungen konnte.
Alle Officiers von unſrer Diviſion wurden in verſchie-

dene
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[265/0275] Seeleute gekleidet giengen, und auf dieſe Art etliche Tage lang durch die Straßen in Moskau mit einer Geſellſchaft Muſikanten, von eines Großen Hauſe zu dem andern fuhren, wo große Gaſtgebote fuͤr ſie an- geſtellt waren. Die Kanonen der Jacht wurden bey jedem Hauſe abgefeuert, wo ſie anhielten. Alle Straßen der Stadt wurden jede Nacht erleuchtet. Dieſes Gepraͤnge war den Einwohnern ſehr ange- nehm, indem ſie noch niemals ein Schiff geſehen hat- ten. Waͤhrend dieſer ganzen Zeit dachten alle Ein- wohner von allen Staͤnden auf nichts als auf Ver- gnuͤgen, bis eine neue und unvermuthete Sache ihre ganze Freude unterbrach. Es wurde naͤmlich den 22ſten Februar 1722 ein Befehl durch Trompeten bekannt gemacht, wo- durch allen Eingebohrnen des Ruſſiſchen Reichs, und allen damals darinnen befindlichen Auslaͤndern an- befohlen wurde, einen Eid zu ſchwoͤren und zu unter- zeichnen, daß ſie diejenige Perſon, die Jhre Majeſtaͤt zu ihrem Nachfolger ernennen wuͤrde, nach ihrem Tode als Thronfolger erkennen wollten. Dieſer Be- fehl machte alle Gemuͤther niedergeſchlagen, wenn ſie an das Recht des jungen Peters, des Kaiſers En- kel, und einzigen maͤnnlichen Erben der Kaiſerlichen Familie gedachten, der ein ſo viel verſprechender und hoffnungsvoller Prinz war, als einer von ſeinem Alter nur ſeyn konnte. Sie mußten indeſſen dem Befehle gehorchen, ob er gleich von vielen mit widri- gen Herzen vollzogen wurde, indem der unſchuldige Prinz nichts vor ſeines Vaters Vergehungen konnte. Alle Officiers von unſrer Diviſion wurden in verſchie- dene 1722. R 5

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Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/275>, abgerufen am 29.04.2024.