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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 42. Die Lex Baiuwariorum.

Ausgaben: Merkel in Mon. Germ. LL III 183 ff. v. Mederer, Leges Baiu-
wariorum oder ältestes Gesetzbuch der Baiuuarier (mit Übersetzung und Anmerkun-
gen, auf Grundlage der Ingolstädter Handschrift), 1793.
Litteratur: P. Roth, Über Entstehung der Lex Baiuvariorum, 1848. Merkel,
Das bairische Volksrecht, in Pertz' Archiv XI 533 ff., 1858. De Petigny, De
l'origine et des differentes redactions de la loi des Bavarois, Revue hist. de droit
fr. et etr. II 305, 1856. Gfrörer, Zur Gesch. der deutschen Volksrechte I 322,
1865. A. Quitzmann, Die älteste Rechtsverfassung der Baiwaren, 1866. P. Roth,
Zur Gesch. des bayr. Volksrechts, 1869. F. v. Muth, Das bair. Volksrecht, 1870.
Waitz in den Nachrichten der Göttinger Gesellsch. d. Wissensch. 1869 Nr 8 u. 14
und Verfassungsgeschichte II 1 S 116. Riezler, Über die Entstehungszeit der
Lex Baiuw., in den Forschungen zur deutschen Gesch. XVI 409 ff. Mutzl, Die
Lex Baiw. als geschichtliche u. sprachliche Urkunde, 1859 (unbedeutend).

Über die Entstehungsgeschichte des bairischen Volksrechtes gehen
die Ansichten weit auseinander. Manche betrachten die Lex als ein
einheitliches Ganzes und als das Ergebnis einer einmaligen Satzung1).
Dagegen zerlegt sie die herrschende Ansicht2) in drei oder mehrere
Satzungen verschiedener Entstehungszeit, wobei wieder hinsichtlich
des Umfangs und der Datierung der einzelnen Bestandteile die erheb-
lichsten Meinungsdifferenzen obwalten.

In der handschriftlichen Überlieferung3) findet die herrschende
Theorie keine Stütze. Sie zieht denn auch ihre Schlussfolgerungen
nur aus dem Inhalte der Lex4). Dieselbe enthält nämlich zahlreiche
Stellen in welchen das alamannische, andere in welchen das west-
gotische Volksrecht benutzt ist, während in den zwei ersten Titeln

1) So Eichhorn und die ältere Litteratur; von den Neueren bes. Waitz.
2) Hauptsächlich durch Roth und Merkel vertreten.
3) Unter den Handschriften geht nur Kod. B 1 (Münchener Universitätsbiblio-
thek, früher in Ingolstadt) in das ausgehende 8. Jahrh. hinauf. Wenig Ausbeute
verspricht der Text des jüngst zu Klitschdorf aufgefundenen Kodex (s. oben S X).
4) Ohne sie als verschiedene Satzungen zu unterscheiden hat Merkel drei
Textformen, einen textus primus in 22 Titeln, einen textus secundus in 54 Titeln
und einen textus tertius in 21 Titeln abgedruckt. Von dem textus primus schied
er fünf appendices aus. Aber nur eine derselben, app. II, kann als jüngerer Zu-
satz gelten. Die übrigen vier Anhänge gehören zum ursprünglichen Text. Textus
secundus giebt an einzelnen Stellen bessere Lesarten wie I und III, so in den Buss-
zahlen V 7 (vgl. IV 11, VI 7) und VI 6. Den dritten Text sollen die jüngere
Sprache und die Stellung einzelner Titel charakterisieren. Ein sichtlicher Grund
liegt für die Scheidung der drei Textformen nicht vor. Als solcher kann insbesondere
die Verschiedenheit der Texteinteilung und der Titelrubriken nicht gelten. Denn
die Einteilung in Titel ist der Lex nicht ursprünglich, sondern erst nachträglich
von den Schreibern der Handschriften und zwar in verschiedener Weise durch-
geführt worden.
§ 42. Die Lex Baiuwariorum.

Ausgaben: Merkel in Mon. Germ. LL III 183 ff. v. Mederer, Leges Baiu-
wariorum oder ältestes Gesetzbuch der Baiuuarier (mit Übersetzung und Anmerkun-
gen, auf Grundlage der Ingolstädter Handschrift), 1793.
Litteratur: P. Roth, Über Entstehung der Lex Baiuvariorum, 1848. Merkel,
Das bairische Volksrecht, in Pertz’ Archiv XI 533 ff., 1858. De Pétigny, De
l’origine et des différentes rédactions de la loi des Bavarois, Revue hist. de droit
fr. et étr. II 305, 1856. Gfrörer, Zur Gesch. der deutschen Volksrechte I 322,
1865. A. Quitzmann, Die älteste Rechtsverfassung der Baiwaren, 1866. P. Roth,
Zur Gesch. des bayr. Volksrechts, 1869. F. v. Muth, Das bair. Volksrecht, 1870.
Waitz in den Nachrichten der Göttinger Gesellsch. d. Wissensch. 1869 Nr 8 u. 14
und Verfassungsgeschichte II 1 S 116. Riezler, Über die Entstehungszeit der
Lex Baiuw., in den Forschungen zur deutschen Gesch. XVI 409 ff. Mutzl, Die
Lex Baiw. als geschichtliche u. sprachliche Urkunde, 1859 (unbedeutend).

Über die Entstehungsgeschichte des bairischen Volksrechtes gehen
die Ansichten weit auseinander. Manche betrachten die Lex als ein
einheitliches Ganzes und als das Ergebnis einer einmaligen Satzung1).
Dagegen zerlegt sie die herrschende Ansicht2) in drei oder mehrere
Satzungen verschiedener Entstehungszeit, wobei wieder hinsichtlich
des Umfangs und der Datierung der einzelnen Bestandteile die erheb-
lichsten Meinungsdifferenzen obwalten.

In der handschriftlichen Überlieferung3) findet die herrschende
Theorie keine Stütze. Sie zieht denn auch ihre Schluſsfolgerungen
nur aus dem Inhalte der Lex4). Dieselbe enthält nämlich zahlreiche
Stellen in welchen das alamannische, andere in welchen das west-
gotische Volksrecht benutzt ist, während in den zwei ersten Titeln

1) So Eichhorn und die ältere Litteratur; von den Neueren bes. Waitz.
2) Hauptsächlich durch Roth und Merkel vertreten.
3) Unter den Handschriften geht nur Kod. B 1 (Münchener Universitätsbiblio-
thek, früher in Ingolstadt) in das ausgehende 8. Jahrh. hinauf. Wenig Ausbeute
verspricht der Text des jüngst zu Klitschdorf aufgefundenen Kodex (s. oben S X).
4) Ohne sie als verschiedene Satzungen zu unterscheiden hat Merkel drei
Textformen, einen textus primus in 22 Titeln, einen textus secundus in 54 Titeln
und einen textus tertius in 21 Titeln abgedruckt. Von dem textus primus schied
er fünf appendices aus. Aber nur eine derselben, app. II, kann als jüngerer Zu-
satz gelten. Die übrigen vier Anhänge gehören zum ursprünglichen Text. Textus
secundus giebt an einzelnen Stellen bessere Lesarten wie I und III, so in den Buſs-
zahlen V 7 (vgl. IV 11, VI 7) und VI 6. Den dritten Text sollen die jüngere
Sprache und die Stellung einzelner Titel charakterisieren. Ein sichtlicher Grund
liegt für die Scheidung der drei Textformen nicht vor. Als solcher kann insbesondere
die Verschiedenheit der Texteinteilung und der Titelrubriken nicht gelten. Denn
die Einteilung in Titel ist der Lex nicht ursprünglich, sondern erst nachträglich
von den Schreibern der Handschriften und zwar in verschiedener Weise durch-
geführt worden.
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[313/0331] § 42. Die Lex Baiuwariorum. Ausgaben: Merkel in Mon. Germ. LL III 183 ff. v. Mederer, Leges Baiu- wariorum oder ältestes Gesetzbuch der Baiuuarier (mit Übersetzung und Anmerkun- gen, auf Grundlage der Ingolstädter Handschrift), 1793. Litteratur: P. Roth, Über Entstehung der Lex Baiuvariorum, 1848. Merkel, Das bairische Volksrecht, in Pertz’ Archiv XI 533 ff., 1858. De Pétigny, De l’origine et des différentes rédactions de la loi des Bavarois, Revue hist. de droit fr. et étr. II 305, 1856. Gfrörer, Zur Gesch. der deutschen Volksrechte I 322, 1865. A. Quitzmann, Die älteste Rechtsverfassung der Baiwaren, 1866. P. Roth, Zur Gesch. des bayr. Volksrechts, 1869. F. v. Muth, Das bair. Volksrecht, 1870. Waitz in den Nachrichten der Göttinger Gesellsch. d. Wissensch. 1869 Nr 8 u. 14 und Verfassungsgeschichte II 1 S 116. Riezler, Über die Entstehungszeit der Lex Baiuw., in den Forschungen zur deutschen Gesch. XVI 409 ff. Mutzl, Die Lex Baiw. als geschichtliche u. sprachliche Urkunde, 1859 (unbedeutend). Über die Entstehungsgeschichte des bairischen Volksrechtes gehen die Ansichten weit auseinander. Manche betrachten die Lex als ein einheitliches Ganzes und als das Ergebnis einer einmaligen Satzung 1). Dagegen zerlegt sie die herrschende Ansicht 2) in drei oder mehrere Satzungen verschiedener Entstehungszeit, wobei wieder hinsichtlich des Umfangs und der Datierung der einzelnen Bestandteile die erheb- lichsten Meinungsdifferenzen obwalten. In der handschriftlichen Überlieferung 3) findet die herrschende Theorie keine Stütze. Sie zieht denn auch ihre Schluſsfolgerungen nur aus dem Inhalte der Lex 4). Dieselbe enthält nämlich zahlreiche Stellen in welchen das alamannische, andere in welchen das west- gotische Volksrecht benutzt ist, während in den zwei ersten Titeln 1) So Eichhorn und die ältere Litteratur; von den Neueren bes. Waitz. 2) Hauptsächlich durch Roth und Merkel vertreten. 3) Unter den Handschriften geht nur Kod. B 1 (Münchener Universitätsbiblio- thek, früher in Ingolstadt) in das ausgehende 8. Jahrh. hinauf. Wenig Ausbeute verspricht der Text des jüngst zu Klitschdorf aufgefundenen Kodex (s. oben S X). 4) Ohne sie als verschiedene Satzungen zu unterscheiden hat Merkel drei Textformen, einen textus primus in 22 Titeln, einen textus secundus in 54 Titeln und einen textus tertius in 21 Titeln abgedruckt. Von dem textus primus schied er fünf appendices aus. Aber nur eine derselben, app. II, kann als jüngerer Zu- satz gelten. Die übrigen vier Anhänge gehören zum ursprünglichen Text. Textus secundus giebt an einzelnen Stellen bessere Lesarten wie I und III, so in den Buſs- zahlen V 7 (vgl. IV 11, VI 7) und VI 6. Den dritten Text sollen die jüngere Sprache und die Stellung einzelner Titel charakterisieren. Ein sichtlicher Grund liegt für die Scheidung der drei Textformen nicht vor. Als solcher kann insbesondere die Verschiedenheit der Texteinteilung und der Titelrubriken nicht gelten. Denn die Einteilung in Titel ist der Lex nicht ursprünglich, sondern erst nachträglich von den Schreibern der Handschriften und zwar in verschiedener Weise durch- geführt worden.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/331>, abgerufen am 28.03.2024.