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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 90. Das Finanzwesen.
fand unter Ludwig IV. (dem Kinde) um das Jahr 904 eine amt-
liche Untersuchung über die Zölle des Donauverkehrs statt. Damals
wurde zu Raffelstetten, unweit Enns, ein Zollweistum aufgenommen,
welches die Durchgangs- und Marktzölle, namentlich des Salz- und
Sklavenhandels, feststellte, wie sie an der Donau von den Zeiten
Ludwigs des Deutschen bis auf Arnulf erhoben worden waren 48.

Durch königliche Privilegien gelangten zahlreiche Zölle in die
Hände von Unterthanen und wurden zahlreiche Befreiungen von der
Zollpflicht erteilt. Manche Durchgangszölle durften von vornherein
auch Privatpersonen erheben; so die Brückenzölle an Brücken, die je-
mand auf eigene Kosten hergestellt hatte und in stand hielt, während
andererseits diejenigen, deren Dienste für den Bau von öffentlichen
Brücken in Anspruch genommen wurden, an ihnen keinen Brücken-
zoll zu entrichten brauchten 49. Die Zollprivilegien des Königs besassen
zwiefachen Charakter. Entweder eximierten sie den Privilegierten
und seine Leute von der Entrichtung der Zölle an allen oder an ge-
wissen Zollstätten, für eine bestimmte Quantität von Waren oder
auch schlechtweg. Solche Befreiungen erhielten nicht bloss Kirchen,
sondern auch Kaufleute und königliche Schutzjuden 50. Oder aber
das Zollprivilegium verlieh das Erträgnis einer öffentlichen Zollstätte
ganz oder teilweise einer Kirche. Solche Vergünstigung wurde
nicht selten mit der Gewährung der Immunität verbunden 51. Die
Verleihung des Marktzolles geschah entweder so, dass die Einkünfte,
welche der Zoll eines bereits bestehenden Marktes abwarf, ganz oder
teilweise übertragen wurden, oder dass das Recht der Erhebung von
Marktzöllen mit dem Rechte der Anlegung eines neuen Marktes ge-
währt wurde. In beiden Fällen schloss das Privilegium die öffent-
liche Gewalt des Grafen in Sachen des Marktwesens und des Markt-
zolles nicht aus, falls nicht etwa der Marktort Immunitätsgebiet war.

Den Ordnungen des römischen Reiches entstammt auch das Münz-
recht des fränkischen Königs. Die ältesten Merowinger verwendeten

48 LL III 480 ff. UBOE II 54 und bei Gengler, Rechtsdenkmäler S. 385 ff.
Vgl. Dümmler, Gesch. des ostfränk. Reiches III 531 f., und Gengler, Beiträge
zur RG Baierns (1889) I 96.
49 Cap. de functionibus publicis v. J. 820, c. 3, I 294. Urkunde Bouquet
VIII 538, Nr. 130, v. J. 855.
50 Form. imper. 30. 31. 37.
51 Th. Sickel, Beiträge V 40 ff. Auf immunem Gebiete fand die Erhebung der
Zölle durch Beamte des Immunitätsherrn statt. In Pertz, Dipl. M. 23, schenkt
Sigbert II. der Kirche von Stablo neben den Zolleinkünften auch die Zöllner,
offenbar fiskalische Eigenleute, sodass also die Erhebung der Zölle auf die Kirche
überging.
Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 16

§ 90. Das Finanzwesen.
fand unter Ludwig IV. (dem Kinde) um das Jahr 904 eine amt-
liche Untersuchung über die Zölle des Donauverkehrs statt. Damals
wurde zu Raffelstetten, unweit Enns, ein Zollweistum aufgenommen,
welches die Durchgangs- und Marktzölle, namentlich des Salz- und
Sklavenhandels, feststellte, wie sie an der Donau von den Zeiten
Ludwigs des Deutschen bis auf Arnulf erhoben worden waren 48.

Durch königliche Privilegien gelangten zahlreiche Zölle in die
Hände von Unterthanen und wurden zahlreiche Befreiungen von der
Zollpflicht erteilt. Manche Durchgangszölle durften von vornherein
auch Privatpersonen erheben; so die Brückenzölle an Brücken, die je-
mand auf eigene Kosten hergestellt hatte und in stand hielt, während
andererseits diejenigen, deren Dienste für den Bau von öffentlichen
Brücken in Anspruch genommen wurden, an ihnen keinen Brücken-
zoll zu entrichten brauchten 49. Die Zollprivilegien des Königs besaſsen
zwiefachen Charakter. Entweder eximierten sie den Privilegierten
und seine Leute von der Entrichtung der Zölle an allen oder an ge-
wissen Zollstätten, für eine bestimmte Quantität von Waren oder
auch schlechtweg. Solche Befreiungen erhielten nicht bloſs Kirchen,
sondern auch Kaufleute und königliche Schutzjuden 50. Oder aber
das Zollprivilegium verlieh das Erträgnis einer öffentlichen Zollstätte
ganz oder teilweise einer Kirche. Solche Vergünstigung wurde
nicht selten mit der Gewährung der Immunität verbunden 51. Die
Verleihung des Marktzolles geschah entweder so, daſs die Einkünfte,
welche der Zoll eines bereits bestehenden Marktes abwarf, ganz oder
teilweise übertragen wurden, oder daſs das Recht der Erhebung von
Marktzöllen mit dem Rechte der Anlegung eines neuen Marktes ge-
währt wurde. In beiden Fällen schloſs das Privilegium die öffent-
liche Gewalt des Grafen in Sachen des Marktwesens und des Markt-
zolles nicht aus, falls nicht etwa der Marktort Immunitätsgebiet war.

Den Ordnungen des römischen Reiches entstammt auch das Münz-
recht des fränkischen Königs. Die ältesten Merowinger verwendeten

48 LL III 480 ff. UBOE II 54 und bei Gengler, Rechtsdenkmäler S. 385 ff.
Vgl. Dümmler, Gesch. des ostfränk. Reiches III 531 f., und Gengler, Beiträge
zur RG Baierns (1889) I 96.
49 Cap. de functionibus publicis v. J. 820, c. 3, I 294. Urkunde Bouquet
VIII 538, Nr. 130, v. J. 855.
50 Form. imper. 30. 31. 37.
51 Th. Sickel, Beiträge V 40 ff. Auf immunem Gebiete fand die Erhebung der
Zölle durch Beamte des Immunitätsherrn statt. In Pertz, Dipl. M. 23, schenkt
Sigbert II. der Kirche von Stablo neben den Zolleinkünften auch die Zöllner,
offenbar fiskalische Eigenleute, sodaſs also die Erhebung der Zölle auf die Kirche
überging.
Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 16
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[241/0259] § 90. Das Finanzwesen. fand unter Ludwig IV. (dem Kinde) um das Jahr 904 eine amt- liche Untersuchung über die Zölle des Donauverkehrs statt. Damals wurde zu Raffelstetten, unweit Enns, ein Zollweistum aufgenommen, welches die Durchgangs- und Marktzölle, namentlich des Salz- und Sklavenhandels, feststellte, wie sie an der Donau von den Zeiten Ludwigs des Deutschen bis auf Arnulf erhoben worden waren 48. Durch königliche Privilegien gelangten zahlreiche Zölle in die Hände von Unterthanen und wurden zahlreiche Befreiungen von der Zollpflicht erteilt. Manche Durchgangszölle durften von vornherein auch Privatpersonen erheben; so die Brückenzölle an Brücken, die je- mand auf eigene Kosten hergestellt hatte und in stand hielt, während andererseits diejenigen, deren Dienste für den Bau von öffentlichen Brücken in Anspruch genommen wurden, an ihnen keinen Brücken- zoll zu entrichten brauchten 49. Die Zollprivilegien des Königs besaſsen zwiefachen Charakter. Entweder eximierten sie den Privilegierten und seine Leute von der Entrichtung der Zölle an allen oder an ge- wissen Zollstätten, für eine bestimmte Quantität von Waren oder auch schlechtweg. Solche Befreiungen erhielten nicht bloſs Kirchen, sondern auch Kaufleute und königliche Schutzjuden 50. Oder aber das Zollprivilegium verlieh das Erträgnis einer öffentlichen Zollstätte ganz oder teilweise einer Kirche. Solche Vergünstigung wurde nicht selten mit der Gewährung der Immunität verbunden 51. Die Verleihung des Marktzolles geschah entweder so, daſs die Einkünfte, welche der Zoll eines bereits bestehenden Marktes abwarf, ganz oder teilweise übertragen wurden, oder daſs das Recht der Erhebung von Marktzöllen mit dem Rechte der Anlegung eines neuen Marktes ge- währt wurde. In beiden Fällen schloſs das Privilegium die öffent- liche Gewalt des Grafen in Sachen des Marktwesens und des Markt- zolles nicht aus, falls nicht etwa der Marktort Immunitätsgebiet war. Den Ordnungen des römischen Reiches entstammt auch das Münz- recht des fränkischen Königs. Die ältesten Merowinger verwendeten 48 LL III 480 ff. UBOE II 54 und bei Gengler, Rechtsdenkmäler S. 385 ff. Vgl. Dümmler, Gesch. des ostfränk. Reiches III 531 f., und Gengler, Beiträge zur RG Baierns (1889) I 96. 49 Cap. de functionibus publicis v. J. 820, c. 3, I 294. Urkunde Bouquet VIII 538, Nr. 130, v. J. 855. 50 Form. imper. 30. 31. 37. 51 Th. Sickel, Beiträge V 40 ff. Auf immunem Gebiete fand die Erhebung der Zölle durch Beamte des Immunitätsherrn statt. In Pertz, Dipl. M. 23, schenkt Sigbert II. der Kirche von Stablo neben den Zolleinkünften auch die Zöllner, offenbar fiskalische Eigenleute, sodaſs also die Erhebung der Zölle auf die Kirche überging. Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 16

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/259>, abgerufen am 28.04.2024.