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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 108. Das Beweisverfahren.
nach älterem salischem Rechte seine Sache, den Kessel zu heizen, der
zum Kesselfang dient 80. Hat der Beweisführer die dem Feuerordal
eigentümliche Ordalhandlung vorgenommen, so wird sein Arm, bezw.
seine Hand, oder werden seine Füsse verbunden und der Verband
versiegelt 81. Erst nach Ablauf von drei Tagen öffnete man den
Verband und entschied sich die Probe 82. Bei dem Wasserordal
sollen Kläger und Beklagte ihr Antlitz gegen Osten richten, den
Sunnestab in der Hand 83. Der Körper des Beweisführers muss bis
zu einer bestimmten Tiefe in das Wasser tauchen 84. Sinkt er
soweit, so wird er an dem Stricke wieder heraufgezogen, an dem er
befestigt ist, und das Ordal gilt für gelungen. Bei dem Loosordal
verwendete man Stäbchen, welche mit Zeichen versehen und bei den
Friesen in weisse Wolle gehüllt 85 wurden. Nach dem Edikte König
Chilperichs hat der Gegner des Beweisführers das Recht, mit sechs
Genossen gegenwärtig zu sein 86. Das Friedensgesetz Chlothars I. ver-
langt, dass von beiden Seiten je drei Personen ausgewählt werden, um
das Loosordal zu beaufsichtigen 87.

Der gerichtliche Zweikampf findet nach den deutschen Rechten

80 Lex Sal. 106.
81 Zeumer, Formulae S. 614: postea cum magna diligentia sic fiat involuta
manus sub sigillo iudicis signata usque in die tertio, quo visa sit viris idoneis et
aestimata. S. 653: et statim sigilletur manus eius usque in diem tercium. S. 715:
manus sigilletur, sub sigillo servetur et post tres noctes aperiatur. S. 720: manus
sub sigillo triduum tegatur. Vgl. S. 616. 648. 651. Aethelstan II 23, § 1: so
sollen drei Nächte vergehen, ehe man die Hand aufmacht. Westerlauwersches
Sendrecht § 17, Rh. Rqu. S. 405: nu schelma dis tredda deis da hand schoya
... Nach Sunesen 99 wird das Feuerordal am Mittwoch vorgenommen. Incon-
tinenti vel pedes (bei dem Pflugscharengang) vel manus (bei dem Handeisen) panno
aliquo involventur, cui diligenter astricto sigillum eciam apponetur .. hoc velamen
in pedibus vel manibus usque ad sabbatum (also drei Tage) permanebit. -- In In-
dien wird die Hand in ein mit dem Siegel des Fürsten versehenes Gefäss ein-
geschlossen. Erst nach drei Tagen ist dem Beweisführer gestattet, die Hand
herauszuziehen. Kaegi S. 50.
82 Rezepte für das Gelingen von Feuerordalien giebt Albertus Magnus, De
mirabilibus mundi, Du Cange III 239. In einem derselben spielen neben Eibisch,
Rettich und Flohkrautsamen besonders Eiweiss und Kalk eine Rolle, Mittel, die
man früher häufig gegen Brandwunden anwendete.
83 Zeumer, Formulae S. 628. Siehe oben I 179, Anm. 6.
84 Anderthalb Ellen nach Aethelstan II 23, § 1. Nach der Formel Zeumer
S. 719 bezeichnet ein in das Seil geschlungener Knoten die Tiefe, bis zu welcher
der Körper das Seil in das Wasser ziehen muss.
85 Lex Fris. 14, 1.
86 Ed. Chilp. c. 8, Cap. I 9.
87 Pactus pro tenore pacis Child. et Chloth. c. 10, Cap. I 6.

§ 108. Das Beweisverfahren.
nach älterem salischem Rechte seine Sache, den Kessel zu heizen, der
zum Kesselfang dient 80. Hat der Beweisführer die dem Feuerordal
eigentümliche Ordalhandlung vorgenommen, so wird sein Arm, bezw.
seine Hand, oder werden seine Füſse verbunden und der Verband
versiegelt 81. Erst nach Ablauf von drei Tagen öffnete man den
Verband und entschied sich die Probe 82. Bei dem Wasserordal
sollen Kläger und Beklagte ihr Antlitz gegen Osten richten, den
Sunnestab in der Hand 83. Der Körper des Beweisführers muſs bis
zu einer bestimmten Tiefe in das Wasser tauchen 84. Sinkt er
soweit, so wird er an dem Stricke wieder heraufgezogen, an dem er
befestigt ist, und das Ordal gilt für gelungen. Bei dem Loosordal
verwendete man Stäbchen, welche mit Zeichen versehen und bei den
Friesen in weiſse Wolle gehüllt 85 wurden. Nach dem Edikte König
Chilperichs hat der Gegner des Beweisführers das Recht, mit sechs
Genossen gegenwärtig zu sein 86. Das Friedensgesetz Chlothars I. ver-
langt, daſs von beiden Seiten je drei Personen ausgewählt werden, um
das Loosordal zu beaufsichtigen 87.

Der gerichtliche Zweikampf findet nach den deutschen Rechten

80 Lex Sal. 106.
81 Zeumer, Formulae S. 614: postea cum magna diligentia sic fiat involuta
manus sub sigillo iudicis signata usque in die tertio, quo visa sit viris idoneis et
aestimata. S. 653: et statim sigilletur manus eius usque in diem tercium. S. 715:
manus sigilletur, sub sigillo servetur et post tres noctes aperiatur. S. 720: manus
sub sigillo triduum tegatur. Vgl. S. 616. 648. 651. Aethelstan II 23, § 1: so
sollen drei Nächte vergehen, ehe man die Hand aufmacht. Westerlauwersches
Sendrecht § 17, Rh. Rqu. S. 405: nu schelma dis tredda deis da hand schoya
… Nach Sunesen 99 wird das Feuerordal am Mittwoch vorgenommen. Incon-
tinenti vel pedes (bei dem Pflugscharengang) vel manus (bei dem Handeisen) panno
aliquo involventur, cui diligenter astricto sigillum eciam apponetur .. hoc velamen
in pedibus vel manibus usque ad sabbatum (also drei Tage) permanebit. — In In-
dien wird die Hand in ein mit dem Siegel des Fürsten versehenes Gefäſs ein-
geschlossen. Erst nach drei Tagen ist dem Beweisführer gestattet, die Hand
herauszuziehen. Kaegi S. 50.
82 Rezepte für das Gelingen von Feuerordalien giebt Albertus Magnus, De
mirabilibus mundi, Du Cange III 239. In einem derselben spielen neben Eibisch,
Rettich und Flohkrautsamen besonders Eiweiſs und Kalk eine Rolle, Mittel, die
man früher häufig gegen Brandwunden anwendete.
83 Zeumer, Formulae S. 628. Siehe oben I 179, Anm. 6.
84 Anderthalb Ellen nach Aethelstan II 23, § 1. Nach der Formel Zeumer
S. 719 bezeichnet ein in das Seil geschlungener Knoten die Tiefe, bis zu welcher
der Körper das Seil in das Wasser ziehen muſs.
85 Lex Fris. 14, 1.
86 Ed. Chilp. c. 8, Cap. I 9.
87 Pactus pro tenore pacis Child. et Chloth. c. 10, Cap. I 6.
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[439/0457] § 108. Das Beweisverfahren. nach älterem salischem Rechte seine Sache, den Kessel zu heizen, der zum Kesselfang dient 80. Hat der Beweisführer die dem Feuerordal eigentümliche Ordalhandlung vorgenommen, so wird sein Arm, bezw. seine Hand, oder werden seine Füſse verbunden und der Verband versiegelt 81. Erst nach Ablauf von drei Tagen öffnete man den Verband und entschied sich die Probe 82. Bei dem Wasserordal sollen Kläger und Beklagte ihr Antlitz gegen Osten richten, den Sunnestab in der Hand 83. Der Körper des Beweisführers muſs bis zu einer bestimmten Tiefe in das Wasser tauchen 84. Sinkt er soweit, so wird er an dem Stricke wieder heraufgezogen, an dem er befestigt ist, und das Ordal gilt für gelungen. Bei dem Loosordal verwendete man Stäbchen, welche mit Zeichen versehen und bei den Friesen in weiſse Wolle gehüllt 85 wurden. Nach dem Edikte König Chilperichs hat der Gegner des Beweisführers das Recht, mit sechs Genossen gegenwärtig zu sein 86. Das Friedensgesetz Chlothars I. ver- langt, daſs von beiden Seiten je drei Personen ausgewählt werden, um das Loosordal zu beaufsichtigen 87. Der gerichtliche Zweikampf findet nach den deutschen Rechten 80 Lex Sal. 106. 81 Zeumer, Formulae S. 614: postea cum magna diligentia sic fiat involuta manus sub sigillo iudicis signata usque in die tertio, quo visa sit viris idoneis et aestimata. S. 653: et statim sigilletur manus eius usque in diem tercium. S. 715: manus sigilletur, sub sigillo servetur et post tres noctes aperiatur. S. 720: manus sub sigillo triduum tegatur. Vgl. S. 616. 648. 651. Aethelstan II 23, § 1: so sollen drei Nächte vergehen, ehe man die Hand aufmacht. Westerlauwersches Sendrecht § 17, Rh. Rqu. S. 405: nu schelma dis tredda deis da hand schoya … Nach Sunesen 99 wird das Feuerordal am Mittwoch vorgenommen. Incon- tinenti vel pedes (bei dem Pflugscharengang) vel manus (bei dem Handeisen) panno aliquo involventur, cui diligenter astricto sigillum eciam apponetur .. hoc velamen in pedibus vel manibus usque ad sabbatum (also drei Tage) permanebit. — In In- dien wird die Hand in ein mit dem Siegel des Fürsten versehenes Gefäſs ein- geschlossen. Erst nach drei Tagen ist dem Beweisführer gestattet, die Hand herauszuziehen. Kaegi S. 50. 82 Rezepte für das Gelingen von Feuerordalien giebt Albertus Magnus, De mirabilibus mundi, Du Cange III 239. In einem derselben spielen neben Eibisch, Rettich und Flohkrautsamen besonders Eiweiſs und Kalk eine Rolle, Mittel, die man früher häufig gegen Brandwunden anwendete. 83 Zeumer, Formulae S. 628. Siehe oben I 179, Anm. 6. 84 Anderthalb Ellen nach Aethelstan II 23, § 1. Nach der Formel Zeumer S. 719 bezeichnet ein in das Seil geschlungener Knoten die Tiefe, bis zu welcher der Körper das Seil in das Wasser ziehen muſs. 85 Lex Fris. 14, 1. 86 Ed. Chilp. c. 8, Cap. I 9. 87 Pactus pro tenore pacis Child. et Chloth. c. 10, Cap. I 6.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/457>, abgerufen am 30.04.2024.