Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch.
unterrichten/ aber sie verachtete solches/ vorgebend/ es währe Mägde Arbeit/ die sich da-
mit ernehren müsten; ging viel lieber nach der Schule/ dann ihr Herr Vater hielt ihr einen
gelehrten Römer zum Lehrmeister; doch da sie etwas älter ward/ sahe sie bißweilen den
Kunstlerinnen zu/ die mit der Nadel und zarter Seide das zierliche Mahlwerk nicht allein
nachmacheten/ sondern wol übertraffen/ nam auch wol das Werk selbst zur hand/ und nach
kurtzer Unterweisung gab sie den Meisterinnen nichts bevor. Die Lateinische und Griechi-
sche Sprache fassete sie sehr wol/ daß im dreyzehnden Jahre ihres Alters sie den Römischen
Livius und Griechischen Herodotus fertig lesen und verstehen/ auch ohn Hülffe einiges
Wort-Buches auslegen/ die Griechischen Geschichte Lateinisch/ diese hinwieder Griechisch/
und beydes auff gut Teutsch und Böhmisch erzählen kunte/ welches in ihrem folgenden
Unglük ihr bester behelff und Vortel wahr. Ihre beyden Leib Jungfern Libussen und Bre-
len führete sie zur Lust mit an/ daß sie solche beyde Sprachen lernen musten. Ovidius
Schrifften rühmete sie wegen des anmuhtigen sehr artigen Lateins und fliessender Tich-
ter Kunst/ aber weil er zu unzüchtig von Göttern und Menschen schrieb/ meidete sie alle sei-
ne verdächtige Bücher; über Hora[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] Flackus kurzgezwungener Art verwunderte sie
sich/ und lase seine Oden- oder Lieder-bücher gerne/ aber Virgilius Maro/ sagte sie/ ist der
Lateinischen Tichter Adler/ dem der Griechen Ruhm Homerus es lange noch nicht gleich
tuht/ dann er ist gar zu lügenreich/ und weiß ihm die Farbe nicht so wol als jener anzustrei-
chen/ hat auch den Göttern gar zu ungereimete Sachen zugelegt/ als ob dieselben umb der
Menschen willen unter sich Krieg und Streitigkeiten anfingen/ und Gottloser meinäidi-
ger Leute Bübereyen verfechten wolten; sonsten hielt sie die Geschichte von der Griechischen
Helenen Entführung/ von Alexander Pariß geschehen/ vor ein Getichte; dann/ sagte sie/
wie solte ein ehrliches Weib ihren Gemahl verlassen/ und so weit über Meer sich mit Wil-
len als eine Ehebrecherin entführen lassen? Ist sie aber so ehren-vergessig gewesen/ und
hat ihr Königliches Herkommen dergestalt geschändet/ was hätten dann die Gerecht- und
Frömmigkeit-liebende Griechen nach diesem schändlichen Weibe gefraget/ es währe dann/
daß sie/ Rache zu üben/ und ihre Unkeuscheit zu straffen/ den Zug in Asien vorgenommen
hätten; aber hiemit stimmen die Schreiber nicht zu/ sondern Menelaus habe sie als ein
Gemahl wieder gefodert/ ja sie nach erhaltenem herben Siege als ein frommes Weib wie-
der zu sich genommen/ welche Narren-Liebe ich straffbahrer als Helenen Leichtfertigkeit
achte/ und rühme des streitbaren Helden Ajax Raht weit vor des Ulysses/ da er dieser Ehe-
brecherin den Tod sol zugesprochen haben/ worüber er dann sein Leben durch Verrähterey
und Meuchelmord einbüssen müssen. Wann man sie dann fragete/ wovor sie solche Tich-
tereyen hielte/ wendete sie ein/ wann es nicht gar erlogen währe/ wolte sie unter der Hele-
nen Nahmen etwa ein schönes fruchtbahres Eiland in dem Egeischen Meer verstehen/
welches die Trojaner den Griechen in des Beherschers Abwesenheit durch der Inwoh-
ner Verrähterey und Gutwilligkeit entwendet/ und darüber in diesen schweren Krieg sich
gestürtzet hätten; pflag sich gleichwol dabey zu bedingen/ ein jeder möchte hierin seines
Glaubens leben/ sie hätte ihre Meynung vor sich. Solcher gestalt sinnete sie den Sachen
schon in der Jugend nach/ welche sie bey den alten Schreibern lase/ und verfluchete der
Teutschen und Böhmen Unverstand/ daß sie ihrer Vorfahren Heldentahten aufzuschrei-

ben

Erſtes Buch.
unterrichten/ aber ſie verachtete ſolches/ vorgebend/ es waͤhre Maͤgde Arbeit/ die ſich da-
mit ernehren muͤſten; ging viel lieber nach der Schule/ dann ihr Herr Vater hielt ihr einẽ
gelehrten Roͤmer zum Lehrmeiſter; doch da ſie etwas aͤlter ward/ ſahe ſie bißweilen den
Kunſtlerinnen zu/ die mit der Nadel und zarter Seide das zierliche Mahlwerk nicht allein
nachmacheten/ ſondern wol uͤbertraffen/ nam auch wol das Werk ſelbſt zur hand/ und nach
kurtzer Unterweiſung gab ſie den Meiſterinnen nichts bevor. Die Lateiniſche und Griechi-
ſche Sprache faſſete ſie ſehr wol/ daß im dreyzehnden Jahre ihres Alters ſie den Roͤmiſchẽ
Livius und Griechiſchen Herodotus fertig leſen und verſtehen/ auch ohn Huͤlffe einiges
Wort-Buches auslegen/ die Griechiſchẽ Geſchichte Lateiniſch/ dieſe hinwieder Gꝛiechiſch/
und beydes auff gut Teutſch und Boͤhmiſch erzaͤhlen kunte/ welches in ihrem folgenden
Ungluͤk ihr beſter behelff und Vortel wahr. Ihre beyden Leib Jungfern Libuſſen und Bre-
len fuͤhrete ſie zur Luſt mit an/ daß ſie ſolche beyde Sprachen lernen muſten. Ovidius
Schrifften ruͤhmete ſie wegen des anmuhtigen ſehr artigen Lateins und flieſſender Tich-
ter Kunſt/ aber weil er zu unzuͤchtig von Goͤttern und Menſchen ſchrieb/ meidete ſie alle ſei-
ne verdaͤchtige Buͤcher; uͤber Hora[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] Flackus kurzgezwungener Art verwunderte ſie
ſich/ und laſe ſeine Oden- oder Lieder-buͤcher gerne/ aber Virgilius Maro/ ſagte ſie/ iſt der
Lateiniſchen Tichter Adler/ dem der Griechen Ruhm Homerus es lange noch nicht gleich
tuht/ dann er iſt gar zu luͤgenreich/ und weiß ihm die Farbe nicht ſo wol als jener anzuſtrei-
chen/ hat auch den Goͤttern gar zu ungereimete Sachen zugelegt/ als ob dieſelben umb der
Menſchen willen unter ſich Krieg und Streitigkeiten anfingen/ und Gottloſer meinaͤidi-
ger Leute Buͤbereyen verfechten wolten; ſonſten hielt ſie die Geſchichte von der Griechiſchẽ
Helenen Entfuͤhrung/ von Alexander Pariß geſchehen/ vor ein Getichte; dann/ ſagte ſie/
wie ſolte ein ehrliches Weib ihren Gemahl verlaſſen/ und ſo weit uͤber Meer ſich mit Wil-
len als eine Ehebrecherin entfuͤhren laſſen? Iſt ſie aber ſo ehren-vergeſſig geweſen/ und
hat ihr Koͤnigliches Herkommen dergeſtalt geſchaͤndet/ was haͤtten dann die Gerecht- uñ
Froͤmmigkeit-liebende Griechen nach dieſem ſchaͤndlichen Weibe gefraget/ es waͤhre dañ/
daß ſie/ Rache zu uͤben/ und ihre Unkeuſcheit zu ſtraffen/ den Zug in Aſien vorgenommen
haͤtten; aber hiemit ſtimmen die Schreiber nicht zu/ ſondern Menelaus habe ſie als ein
Gemahl wieder gefodert/ ja ſie nach erhaltenem herben Siege als ein frommes Weib wie-
der zu ſich genommen/ welche Narren-Liebe ich ſtraffbahrer als Helenen Leichtfertigkeit
achte/ und ruͤhme des ſtreitbaren Helden Ajax Raht weit vor des Ulyſſes/ da er dieſer Ehe-
brecherin den Tod ſol zugeſprochen haben/ woruͤber er dann ſein Leben durch Verraͤhterey
und Meuchelmord einbuͤſſen muͤſſen. Wann man ſie dann fragete/ wovor ſie ſolche Tich-
tereyen hielte/ wendete ſie ein/ wann es nicht gar erlogen waͤhre/ wolte ſie unter der Hele-
nen Nahmen etwa ein ſchoͤnes fruchtbahres Eiland in dem Egeiſchen Meer verſtehen/
welches die Trojaner den Griechen in des Beherſchers Abweſenheit durch der Inwoh-
ner Verraͤhterey und Gutwilligkeit entwendet/ und daruͤber in dieſen ſchweren Krieg ſich
geſtuͤrtzet haͤtten; pflag ſich gleichwol dabey zu bedingen/ ein jeder moͤchte hierin ſeines
Glaubens leben/ ſie haͤtte ihre Meynung vor ſich. Solcher geſtalt ſinnete ſie den Sachen
ſchon in der Jugend nach/ welche ſie bey den alten Schreibern laſe/ und verfluchete der
Teutſchen und Boͤhmen Unverſtand/ daß ſie ihrer Vorfahren Heldentahten aufzuſchrei-

ben
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0226" n="188"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Buch.</hi></fw><lb/>
unterrichten/ aber &#x017F;ie verachtete &#x017F;olches/ vorgebend/ es wa&#x0364;hre Ma&#x0364;gde Arbeit/ die &#x017F;ich da-<lb/>
mit ernehren mu&#x0364;&#x017F;ten; ging viel lieber nach der Schule/ dann ihr Herr Vater hielt ihr eine&#x0303;<lb/>
gelehrten Ro&#x0364;mer zum Lehrmei&#x017F;ter; doch da &#x017F;ie etwas a&#x0364;lter ward/ &#x017F;ahe &#x017F;ie bißweilen den<lb/>
Kun&#x017F;tlerinnen zu/ die mit der Nadel und zarter Seide das zierliche Mahlwerk nicht allein<lb/>
nachmacheten/ &#x017F;ondern wol u&#x0364;bertraffen/ nam auch wol das Werk &#x017F;elb&#x017F;t zur hand/ und nach<lb/>
kurtzer Unterwei&#x017F;ung gab &#x017F;ie den Mei&#x017F;terinnen nichts bevor. Die Lateini&#x017F;che und Griechi-<lb/>
&#x017F;che Sprache fa&#x017F;&#x017F;ete &#x017F;ie &#x017F;ehr wol/ daß im dreyzehnden Jahre ihres Alters &#x017F;ie den Ro&#x0364;mi&#x017F;che&#x0303;<lb/>
Livius und Griechi&#x017F;chen Herodotus fertig le&#x017F;en und ver&#x017F;tehen/ auch ohn Hu&#x0364;lffe einiges<lb/>
Wort-Buches auslegen/ die Griechi&#x017F;che&#x0303; Ge&#x017F;chichte Lateini&#x017F;ch/ die&#x017F;e hinwieder G&#xA75B;iechi&#x017F;ch/<lb/>
und beydes auff gut Teut&#x017F;ch und Bo&#x0364;hmi&#x017F;ch erza&#x0364;hlen kunte/ welches in ihrem folgenden<lb/>
Unglu&#x0364;k ihr be&#x017F;ter behelff und Vortel wahr. Ihre beyden Leib Jungfern Libu&#x017F;&#x017F;en und Bre-<lb/>
len fu&#x0364;hrete &#x017F;ie zur Lu&#x017F;t mit an/ daß &#x017F;ie &#x017F;olche beyde Sprachen lernen mu&#x017F;ten. Ovidius<lb/>
Schrifften ru&#x0364;hmete &#x017F;ie wegen des anmuhtigen &#x017F;ehr artigen Lateins und flie&#x017F;&#x017F;ender Tich-<lb/>
ter Kun&#x017F;t/ aber weil er zu unzu&#x0364;chtig von Go&#x0364;ttern und Men&#x017F;chen &#x017F;chrieb/ meidete &#x017F;ie alle &#x017F;ei-<lb/>
ne verda&#x0364;chtige Bu&#x0364;cher; u&#x0364;ber Hora<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/> Flackus kurzgezwungener Art verwunderte &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich/ und la&#x017F;e &#x017F;eine Oden- oder Lieder-bu&#x0364;cher gerne/ aber Virgilius Maro/ &#x017F;agte &#x017F;ie/ i&#x017F;t der<lb/>
Lateini&#x017F;chen Tichter Adler/ dem der Griechen Ruhm Homerus es lange noch nicht gleich<lb/>
tuht/ dann er i&#x017F;t gar zu lu&#x0364;genreich/ und weiß ihm die Farbe nicht &#x017F;o wol als jener anzu&#x017F;trei-<lb/>
chen/ hat auch den Go&#x0364;ttern gar zu ungereimete Sachen zugelegt/ als ob die&#x017F;elben umb der<lb/>
Men&#x017F;chen willen unter &#x017F;ich Krieg und Streitigkeiten anfingen/ und Gottlo&#x017F;er meina&#x0364;idi-<lb/>
ger Leute Bu&#x0364;bereyen verfechten wolten; &#x017F;on&#x017F;ten hielt &#x017F;ie die Ge&#x017F;chichte von der Griechi&#x017F;che&#x0303;<lb/>
Helenen Entfu&#x0364;hrung/ von Alexander Pariß ge&#x017F;chehen/ vor ein Getichte; dann/ &#x017F;agte &#x017F;ie/<lb/>
wie &#x017F;olte ein ehrliches Weib ihren Gemahl verla&#x017F;&#x017F;en/ und &#x017F;o weit u&#x0364;ber Meer &#x017F;ich mit Wil-<lb/>
len als eine Ehebrecherin entfu&#x0364;hren la&#x017F;&#x017F;en? I&#x017F;t &#x017F;ie aber &#x017F;o ehren-verge&#x017F;&#x017F;ig gewe&#x017F;en/ und<lb/>
hat ihr Ko&#x0364;nigliches Herkommen derge&#x017F;talt ge&#x017F;cha&#x0364;ndet/ was ha&#x0364;tten dann die Gerecht- un&#x0303;<lb/>
Fro&#x0364;mmigkeit-liebende Griechen nach die&#x017F;em &#x017F;cha&#x0364;ndlichen Weibe gefraget/ es wa&#x0364;hre dan&#x0303;/<lb/>
daß &#x017F;ie/ Rache zu u&#x0364;ben/ und ihre Unkeu&#x017F;cheit zu &#x017F;traffen/ den Zug in A&#x017F;ien vorgenommen<lb/>
ha&#x0364;tten; aber hiemit &#x017F;timmen die Schreiber nicht zu/ &#x017F;ondern Menelaus habe &#x017F;ie als ein<lb/>
Gemahl wieder gefodert/ ja &#x017F;ie nach erhaltenem herben Siege als ein frommes Weib wie-<lb/>
der zu &#x017F;ich genommen/ welche Narren-Liebe ich &#x017F;traffbahrer als Helenen Leichtfertigkeit<lb/>
achte/ und ru&#x0364;hme des &#x017F;treitbaren Helden Ajax Raht weit vor des Uly&#x017F;&#x017F;es/ da er die&#x017F;er Ehe-<lb/>
brecherin den Tod &#x017F;ol zuge&#x017F;prochen haben/ woru&#x0364;ber er dann &#x017F;ein Leben durch Verra&#x0364;hterey<lb/>
und Meuchelmord einbu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Wann man &#x017F;ie dann fragete/ wovor &#x017F;ie &#x017F;olche Tich-<lb/>
tereyen hielte/ wendete &#x017F;ie ein/ wann es nicht gar erlogen wa&#x0364;hre/ wolte &#x017F;ie unter der Hele-<lb/>
nen Nahmen etwa ein &#x017F;cho&#x0364;nes fruchtbahres Eiland in dem Egei&#x017F;chen Meer ver&#x017F;tehen/<lb/>
welches die Trojaner den Griechen in des Beher&#x017F;chers Abwe&#x017F;enheit durch der Inwoh-<lb/>
ner Verra&#x0364;hterey und Gutwilligkeit entwendet/ und daru&#x0364;ber in die&#x017F;en &#x017F;chweren Krieg &#x017F;ich<lb/>
ge&#x017F;tu&#x0364;rtzet ha&#x0364;tten; pflag &#x017F;ich gleichwol dabey zu bedingen/ ein jeder mo&#x0364;chte hierin &#x017F;eines<lb/>
Glaubens leben/ &#x017F;ie ha&#x0364;tte ihre Meynung vor &#x017F;ich. Solcher ge&#x017F;talt &#x017F;innete &#x017F;ie den Sachen<lb/>
&#x017F;chon in der Jugend nach/ welche &#x017F;ie bey den alten Schreibern la&#x017F;e/ und verfluchete der<lb/>
Teut&#x017F;chen und Bo&#x0364;hmen Unver&#x017F;tand/ daß &#x017F;ie ihrer Vorfahren Heldentahten aufzu&#x017F;chrei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ben</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0226] Erſtes Buch. unterrichten/ aber ſie verachtete ſolches/ vorgebend/ es waͤhre Maͤgde Arbeit/ die ſich da- mit ernehren muͤſten; ging viel lieber nach der Schule/ dann ihr Herr Vater hielt ihr einẽ gelehrten Roͤmer zum Lehrmeiſter; doch da ſie etwas aͤlter ward/ ſahe ſie bißweilen den Kunſtlerinnen zu/ die mit der Nadel und zarter Seide das zierliche Mahlwerk nicht allein nachmacheten/ ſondern wol uͤbertraffen/ nam auch wol das Werk ſelbſt zur hand/ und nach kurtzer Unterweiſung gab ſie den Meiſterinnen nichts bevor. Die Lateiniſche und Griechi- ſche Sprache faſſete ſie ſehr wol/ daß im dreyzehnden Jahre ihres Alters ſie den Roͤmiſchẽ Livius und Griechiſchen Herodotus fertig leſen und verſtehen/ auch ohn Huͤlffe einiges Wort-Buches auslegen/ die Griechiſchẽ Geſchichte Lateiniſch/ dieſe hinwieder Gꝛiechiſch/ und beydes auff gut Teutſch und Boͤhmiſch erzaͤhlen kunte/ welches in ihrem folgenden Ungluͤk ihr beſter behelff und Vortel wahr. Ihre beyden Leib Jungfern Libuſſen und Bre- len fuͤhrete ſie zur Luſt mit an/ daß ſie ſolche beyde Sprachen lernen muſten. Ovidius Schrifften ruͤhmete ſie wegen des anmuhtigen ſehr artigen Lateins und flieſſender Tich- ter Kunſt/ aber weil er zu unzuͤchtig von Goͤttern und Menſchen ſchrieb/ meidete ſie alle ſei- ne verdaͤchtige Buͤcher; uͤber Hora_ Flackus kurzgezwungener Art verwunderte ſie ſich/ und laſe ſeine Oden- oder Lieder-buͤcher gerne/ aber Virgilius Maro/ ſagte ſie/ iſt der Lateiniſchen Tichter Adler/ dem der Griechen Ruhm Homerus es lange noch nicht gleich tuht/ dann er iſt gar zu luͤgenreich/ und weiß ihm die Farbe nicht ſo wol als jener anzuſtrei- chen/ hat auch den Goͤttern gar zu ungereimete Sachen zugelegt/ als ob dieſelben umb der Menſchen willen unter ſich Krieg und Streitigkeiten anfingen/ und Gottloſer meinaͤidi- ger Leute Buͤbereyen verfechten wolten; ſonſten hielt ſie die Geſchichte von der Griechiſchẽ Helenen Entfuͤhrung/ von Alexander Pariß geſchehen/ vor ein Getichte; dann/ ſagte ſie/ wie ſolte ein ehrliches Weib ihren Gemahl verlaſſen/ und ſo weit uͤber Meer ſich mit Wil- len als eine Ehebrecherin entfuͤhren laſſen? Iſt ſie aber ſo ehren-vergeſſig geweſen/ und hat ihr Koͤnigliches Herkommen dergeſtalt geſchaͤndet/ was haͤtten dann die Gerecht- uñ Froͤmmigkeit-liebende Griechen nach dieſem ſchaͤndlichen Weibe gefraget/ es waͤhre dañ/ daß ſie/ Rache zu uͤben/ und ihre Unkeuſcheit zu ſtraffen/ den Zug in Aſien vorgenommen haͤtten; aber hiemit ſtimmen die Schreiber nicht zu/ ſondern Menelaus habe ſie als ein Gemahl wieder gefodert/ ja ſie nach erhaltenem herben Siege als ein frommes Weib wie- der zu ſich genommen/ welche Narren-Liebe ich ſtraffbahrer als Helenen Leichtfertigkeit achte/ und ruͤhme des ſtreitbaren Helden Ajax Raht weit vor des Ulyſſes/ da er dieſer Ehe- brecherin den Tod ſol zugeſprochen haben/ woruͤber er dann ſein Leben durch Verraͤhterey und Meuchelmord einbuͤſſen muͤſſen. Wann man ſie dann fragete/ wovor ſie ſolche Tich- tereyen hielte/ wendete ſie ein/ wann es nicht gar erlogen waͤhre/ wolte ſie unter der Hele- nen Nahmen etwa ein ſchoͤnes fruchtbahres Eiland in dem Egeiſchen Meer verſtehen/ welches die Trojaner den Griechen in des Beherſchers Abweſenheit durch der Inwoh- ner Verraͤhterey und Gutwilligkeit entwendet/ und daruͤber in dieſen ſchweren Krieg ſich geſtuͤrtzet haͤtten; pflag ſich gleichwol dabey zu bedingen/ ein jeder moͤchte hierin ſeines Glaubens leben/ ſie haͤtte ihre Meynung vor ſich. Solcher geſtalt ſinnete ſie den Sachen ſchon in der Jugend nach/ welche ſie bey den alten Schreibern laſe/ und verfluchete der Teutſchen und Boͤhmen Unverſtand/ daß ſie ihrer Vorfahren Heldentahten aufzuſchrei- ben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/226
Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/226>, abgerufen am 12.05.2024.