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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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Der Präsident. Die Sitzung ist eröffnet.
Legendre. (besteigt die Tribüne). Vier Mitglieder des Na-
tional-Convents sind verflossene Nacht verhaftet worden. Ich
weiß, daß Danton einer von ihnen ist, die Namen der
Uebrigen kenne ich nicht. Mögen sie übrigens sein, wer sie
wollen, so verlange ich, daß sie vor den Schranken gehört
werden. -- Bürger, ich erkläre es: ich halte Danton für eben
so rein, wie mich selbst, und ich glaube nicht, daß mir irgend
ein Vorwurf gemacht werden kann. Ich will kein Mitglied
des Wohlfahrts- oder des Sicherheits-Ausschusses angreifen,
aber gegründete Ursachen lassen mich fürchten, Privathaß und
Privatleidenschaft möchten der Freiheit Männer entreißen,
die ihr die größten Dienste erwiesen haben. Der Mann,
welcher im Jahre 1792 Frankreich durch seine Energie rettete,
verdient gehört zu werden; er muß sich erklären dürfen, wenn
man ihn des Hochverraths anklagt.
(Heftige Bewegung)
Einige Stimmen. Wir unterstützen Legendre's Vorschlag.
Ein Deputirter. Wir sind hier im Namen des Volkes,
man kann uns ohne den Willen unserer Wähler nicht von
unseren Plätzen reißen.
Ein Anderer. Eure Worte riechen nach Leichen, ihr
habt sie den Girondisten aus dem Munde genommen. Wollt
ihr Privilegien? Das Beil des Gesetzes schwebt über allen
Häuptern.
Ein Anderer. Wir können unseren Ausschüssen nicht
erlauben, die Gesetzgeber aus dem Asyl des Gesetzes auf die
Guillotine zu schicken.
Ein Anderer. Das Verbrechen hat kein Asyl, nur ge-
krönte Verbrecher finden eins auf dem Throne.
Ein Anderer. Nur Spitzbuben appelliren an das Asylrecht.

Der Präſident. Die Sitzung iſt eröffnet.
Legendre. (beſteigt die Tribüne). Vier Mitglieder des Na-
tional-Convents ſind verfloſſene Nacht verhaftet worden. Ich
weiß, daß Danton einer von ihnen iſt, die Namen der
Uebrigen kenne ich nicht. Mögen ſie übrigens ſein, wer ſie
wollen, ſo verlange ich, daß ſie vor den Schranken gehört
werden. — Bürger, ich erkläre es: ich halte Danton für eben
ſo rein, wie mich ſelbſt, und ich glaube nicht, daß mir irgend
ein Vorwurf gemacht werden kann. Ich will kein Mitglied
des Wohlfahrts- oder des Sicherheits-Ausſchuſſes angreifen,
aber gegründete Urſachen laſſen mich fürchten, Privathaß und
Privatleidenſchaft möchten der Freiheit Männer entreißen,
die ihr die größten Dienſte erwieſen haben. Der Mann,
welcher im Jahre 1792 Frankreich durch ſeine Energie rettete,
verdient gehört zu werden; er muß ſich erklären dürfen, wenn
man ihn des Hochverraths anklagt.
(Heftige Bewegung)
Einige Stimmen. Wir unterſtützen Legendre's Vorſchlag.
Ein Deputirter. Wir ſind hier im Namen des Volkes,
man kann uns ohne den Willen unſerer Wähler nicht von
unſeren Plätzen reißen.
Ein Anderer. Eure Worte riechen nach Leichen, ihr
habt ſie den Girondiſten aus dem Munde genommen. Wollt
ihr Privilegien? Das Beil des Geſetzes ſchwebt über allen
Häuptern.
Ein Anderer. Wir können unſeren Ausſchüſſen nicht
erlauben, die Geſetzgeber aus dem Aſyl des Geſetzes auf die
Guillotine zu ſchicken.
Ein Anderer. Das Verbrechen hat kein Aſyl, nur ge-
krönte Verbrecher finden eins auf dem Throne.
Ein Anderer. Nur Spitzbuben appelliren an das Aſylrecht.

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[52/0248] Der Präſident. Die Sitzung iſt eröffnet. Legendre. (beſteigt die Tribüne). Vier Mitglieder des Na- tional-Convents ſind verfloſſene Nacht verhaftet worden. Ich weiß, daß Danton einer von ihnen iſt, die Namen der Uebrigen kenne ich nicht. Mögen ſie übrigens ſein, wer ſie wollen, ſo verlange ich, daß ſie vor den Schranken gehört werden. — Bürger, ich erkläre es: ich halte Danton für eben ſo rein, wie mich ſelbſt, und ich glaube nicht, daß mir irgend ein Vorwurf gemacht werden kann. Ich will kein Mitglied des Wohlfahrts- oder des Sicherheits-Ausſchuſſes angreifen, aber gegründete Urſachen laſſen mich fürchten, Privathaß und Privatleidenſchaft möchten der Freiheit Männer entreißen, die ihr die größten Dienſte erwieſen haben. Der Mann, welcher im Jahre 1792 Frankreich durch ſeine Energie rettete, verdient gehört zu werden; er muß ſich erklären dürfen, wenn man ihn des Hochverraths anklagt. (Heftige Bewegung) Einige Stimmen. Wir unterſtützen Legendre's Vorſchlag. Ein Deputirter. Wir ſind hier im Namen des Volkes, man kann uns ohne den Willen unſerer Wähler nicht von unſeren Plätzen reißen. Ein Anderer. Eure Worte riechen nach Leichen, ihr habt ſie den Girondiſten aus dem Munde genommen. Wollt ihr Privilegien? Das Beil des Geſetzes ſchwebt über allen Häuptern. Ein Anderer. Wir können unſeren Ausſchüſſen nicht erlauben, die Geſetzgeber aus dem Aſyl des Geſetzes auf die Guillotine zu ſchicken. Ein Anderer. Das Verbrechen hat kein Aſyl, nur ge- krönte Verbrecher finden eins auf dem Throne. Ein Anderer. Nur Spitzbuben appelliren an das Aſylrecht.

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/248>, abgerufen am 28.04.2024.