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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Decoration. Klosterhöfe. Unteritalien.
Bögen auf Säulchen, innen flachgedeckt oder gewölbt. Die einfachern
aderselben (bei S. Lorenzo fuori, S. Vincenzo alle tre fontane, S. Sa-
bina) haben nichts als den Marmor vor irgend einem frühen romani-
bschen Kreuzgang in Deutschland voraus. An dem Hof von Subiaco
dagegen bemerkt man schon einen Versuch, durch ernste Annäherung
an die antiken Bauformen Seele und Sinn in die Halle zu bringen,
cund in den rosenduftenden Klosterhöfen des Laterans und der Abtei
dS. Paul sind diese antiken Formen sowohl durch Anwendung des
prachtvollsten Mosaikschmuckes als durch gemeisselte Marmorzierra-
then zu einer neuen und ganz eigenthümlichen Belebung gediehen.
(Erste Jahrzehnde des XIII. Jahrhunderts.) Unmittelbarer als in den
ganzen Basiliken dieser Zeit, welche ältern Vorbildern nachfolgen,
spricht sich hier der Formengeist der Epoche Innocenz III. aus. --
eDie Vorhalle des Domes von Civita Castellana zeigt ein ähnliches
Zurückgehen auf classische Vorbilder, verbunden mit zierlicher Mosai-
cirung. -- Die letzten Cosmaten arbeiteten im gothischen Styl, wovon
bei Gelegenheit.

Die unteritalischen, ganz auf der Glaspaste beruhenden Zierarbei-
ten des XI. und XII. Jahrhunderts (denn was Älteres darunter sein
mag, lässt sich schwer ausscheiden) haben, wie gesagt, einige Motive
mit den saracenischen gemein, möglicher Weise sogar die Urheber.

Weit das Umständlichste und Prachtvollste in dieser Art auf dem
fitalienischen Festlande: die Ambonen, die Sängertribune, die Osterker-
zensäule, der Rest der Chorschranken u. A. m. im Dom von Salerno.

Auch der Fussboden, von harten Steinen, ist wenigstens im Chor
erhalten.

tisch aus dünnen Alabasterplatten, weniger wegen der unbedeutenden Re-
liefs merkwürdig als weil er auf Erhellung durch hineingestellte Lampen be-
*rechnet war. -- In S. Apollinare nuovo der besterhaltene Ambon, auf vier
Säulen, mit reichem römischem Detail in barbarischer Anwendung etc. etc.
Auch die beiden Ambonen und das kleine Sacellum (an einem Pfeiler
**links) in S. Marco zu Venedig gehören eher dem Kreise dieser ravenna-
tischen Decoration an als der römischen. Leblose plastische Verzierung mit
Vergoldungen, aber kein Mosaik; die Steingattungen sind an sich selbst schon
kostbar genug. -- Ein Unicum des IX. Jahrhunderts ist endlich der mit Re-
+lieffiguren versehene und (nach den alten Spuren neu) bemalte Tabernakel
des Hochaltars in S. Ambrogio zu Mailand.

Decoration. Klosterhöfe. Unteritalien.
Bögen auf Säulchen, innen flachgedeckt oder gewölbt. Die einfachern
aderselben (bei S. Lorenzo fuori, S. Vincenzo alle tre fontane, S. Sa-
bina) haben nichts als den Marmor vor irgend einem frühen romani-
bschen Kreuzgang in Deutschland voraus. An dem Hof von Subiaco
dagegen bemerkt man schon einen Versuch, durch ernste Annäherung
an die antiken Bauformen Seele und Sinn in die Halle zu bringen,
cund in den rosenduftenden Klosterhöfen des Laterans und der Abtei
dS. Paul sind diese antiken Formen sowohl durch Anwendung des
prachtvollsten Mosaikschmuckes als durch gemeisselte Marmorzierra-
then zu einer neuen und ganz eigenthümlichen Belebung gediehen.
(Erste Jahrzehnde des XIII. Jahrhunderts.) Unmittelbarer als in den
ganzen Basiliken dieser Zeit, welche ältern Vorbildern nachfolgen,
spricht sich hier der Formengeist der Epoche Innocenz III. aus. —
eDie Vorhalle des Domes von Cività Castellana zeigt ein ähnliches
Zurückgehen auf classische Vorbilder, verbunden mit zierlicher Mosai-
cirung. — Die letzten Cosmaten arbeiteten im gothischen Styl, wovon
bei Gelegenheit.

Die unteritalischen, ganz auf der Glaspaste beruhenden Zierarbei-
ten des XI. und XII. Jahrhunderts (denn was Älteres darunter sein
mag, lässt sich schwer ausscheiden) haben, wie gesagt, einige Motive
mit den saracenischen gemein, möglicher Weise sogar die Urheber.

Weit das Umständlichste und Prachtvollste in dieser Art auf dem
fitalienischen Festlande: die Ambonen, die Sängertribune, die Osterker-
zensäule, der Rest der Chorschranken u. A. m. im Dom von Salerno.

Auch der Fussboden, von harten Steinen, ist wenigstens im Chor
erhalten.

tisch aus dünnen Alabasterplatten, weniger wegen der unbedeutenden Re-
liefs merkwürdig als weil er auf Erhellung durch hineingestellte Lampen be-
*rechnet war. — In S. Apollinare nuovo der besterhaltene Ambon, auf vier
Säulen, mit reichem römischem Detail in barbarischer Anwendung etc. etc.
Auch die beiden Ambonen und das kleine Sacellum (an einem Pfeiler
**links) in S. Marco zu Venedig gehören eher dem Kreise dieser ravenna-
tischen Decoration an als der römischen. Leblose plastische Verzierung mit
Vergoldungen, aber kein Mosaik; die Steingattungen sind an sich selbst schon
kostbar genug. — Ein Unicum des IX. Jahrhunderts ist endlich der mit Re-
lieffiguren versehene und (nach den alten Spuren neu) bemalte Tabernakel
des Hochaltars in S. Ambrogio zu Mailand.
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[98/0120] Decoration. Klosterhöfe. Unteritalien. Bögen auf Säulchen, innen flachgedeckt oder gewölbt. Die einfachern derselben (bei S. Lorenzo fuori, S. Vincenzo alle tre fontane, S. Sa- bina) haben nichts als den Marmor vor irgend einem frühen romani- schen Kreuzgang in Deutschland voraus. An dem Hof von Subiaco dagegen bemerkt man schon einen Versuch, durch ernste Annäherung an die antiken Bauformen Seele und Sinn in die Halle zu bringen, und in den rosenduftenden Klosterhöfen des Laterans und der Abtei S. Paul sind diese antiken Formen sowohl durch Anwendung des prachtvollsten Mosaikschmuckes als durch gemeisselte Marmorzierra- then zu einer neuen und ganz eigenthümlichen Belebung gediehen. (Erste Jahrzehnde des XIII. Jahrhunderts.) Unmittelbarer als in den ganzen Basiliken dieser Zeit, welche ältern Vorbildern nachfolgen, spricht sich hier der Formengeist der Epoche Innocenz III. aus. — Die Vorhalle des Domes von Cività Castellana zeigt ein ähnliches Zurückgehen auf classische Vorbilder, verbunden mit zierlicher Mosai- cirung. — Die letzten Cosmaten arbeiteten im gothischen Styl, wovon bei Gelegenheit. a b c d e Die unteritalischen, ganz auf der Glaspaste beruhenden Zierarbei- ten des XI. und XII. Jahrhunderts (denn was Älteres darunter sein mag, lässt sich schwer ausscheiden) haben, wie gesagt, einige Motive mit den saracenischen gemein, möglicher Weise sogar die Urheber. Weit das Umständlichste und Prachtvollste in dieser Art auf dem italienischen Festlande: die Ambonen, die Sängertribune, die Osterker- zensäule, der Rest der Chorschranken u. A. m. im Dom von Salerno. f Auch der Fussboden, von harten Steinen, ist wenigstens im Chor erhalten. 1) 1) tisch aus dünnen Alabasterplatten, weniger wegen der unbedeutenden Re- liefs merkwürdig als weil er auf Erhellung durch hineingestellte Lampen be- rechnet war. — In S. Apollinare nuovo der besterhaltene Ambon, auf vier Säulen, mit reichem römischem Detail in barbarischer Anwendung etc. etc. Auch die beiden Ambonen und das kleine Sacellum (an einem Pfeiler links) in S. Marco zu Venedig gehören eher dem Kreise dieser ravenna- tischen Decoration an als der römischen. Leblose plastische Verzierung mit Vergoldungen, aber kein Mosaik; die Steingattungen sind an sich selbst schon kostbar genug. — Ein Unicum des IX. Jahrhunderts ist endlich der mit Re- lieffiguren versehene und (nach den alten Spuren neu) bemalte Tabernakel des Hochaltars in S. Ambrogio zu Mailand.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/120>, abgerufen am 04.05.2024.