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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Kirchen von Pisa und Lucca.
Pfeilern und Spitzbogen, mit achtseitigem Umgang, die Fenster noch
rundbogig. Alle Details für Pisa auffallend schlicht. (Wird gegen-
wärtig grossentheils neu gebaut.)

S. Paolo in ripa d'Arno, wohl ebenfalls erst XIII. Jahrhun-a
dert, mit der besten Fassade nach dem Dom; innen mit Querschiff
und Kuppel; durchgängig Spitzbogen; doch unter den vieren, welche
die Kuppel tragen, noch besondere Rundbogen. (In den letzten Jah-
ren grossentheils neu gebaut.)

An S. Nicola die Fassade und der schon erwähnte Thurmb
(S. 104, *) von Nic. Pisano.

S. Micchele in Borgo; das Innere, so weit es erhalten ist,c
eine ziemlich alte Basilica; von der Fassade der obere Theil mit den
schon spitzbogigen Galerien XIII. Jahrhundert, vorgeblich von Nic-
colo Pisano, eher von dessen Schüler Fra Guglielmo; in die Mitte
treffen Säulchen statt der Intervalle.

S. Caterina, XIII. Jahrhundert, die Fassade eine noble undd
prächtige Übertragung des pisanischen Typus in die gothischen For-
men. Innen einschiffige ungewölbte Klosterkirche.

(Die alte Kirche S. Piero in Grado, eine halbe Stunde see-e
wärts, mit merkwürdigen Fresken verschiedener Zeit, hat der Ver-
fasser nicht gesehen.)


Die Kirchen von Lucca sind (mit Ausnahme der oben genann-
ten ältern Reste) fast nur Nachahmungen der pisanischen, und zwar
keine ganz glücklichen. An unendlichem und fast penibelm Reich-
thum thun sie es den reichsten derselben bisweilen gleich oder zuvor
(figurirte Säulen, Mosaicirung möglichst vieler Flächen etc.), allein
das Vorbild der Antike steht um einen kenntlichen Grad ferner (man
vergleiche die Gesimsbildung), obschon auch hier nicht wenige antike
Reste mit vermauert und z. B. die meisten Säulen römisch sind. Einen
unbegreiflichen Stolz scheinen die Lucchesen darein gesetzt zu haben,
dass in den Galerien ihrer Fassaden nicht ein Intervall, sondern ein
Säulchen auf die Mitte traf. Man möchte glauben, es sei das Wahr-
zeichen ihrer Stadt gewesen. In Pisa ist diess Ausnahme. -- Die

Kirchen von Pisa und Lucca.
Pfeilern und Spitzbogen, mit achtseitigem Umgang, die Fenster noch
rundbogig. Alle Details für Pisa auffallend schlicht. (Wird gegen-
wärtig grossentheils neu gebaut.)

S. Paolo in ripa d’Arno, wohl ebenfalls erst XIII. Jahrhun-a
dert, mit der besten Fassade nach dem Dom; innen mit Querschiff
und Kuppel; durchgängig Spitzbogen; doch unter den vieren, welche
die Kuppel tragen, noch besondere Rundbogen. (In den letzten Jah-
ren grossentheils neu gebaut.)

An S. Nicola die Fassade und der schon erwähnte Thurmb
(S. 104, *) von Nic. Pisano.

S. Micchele in Borgo; das Innere, so weit es erhalten ist,c
eine ziemlich alte Basilica; von der Fassade der obere Theil mit den
schon spitzbogigen Galerien XIII. Jahrhundert, vorgeblich von Nic-
colò Pisano, eher von dessen Schüler Fra Guglielmo; in die Mitte
treffen Säulchen statt der Intervalle.

S. Caterina, XIII. Jahrhundert, die Fassade eine noble undd
prächtige Übertragung des pisanischen Typus in die gothischen For-
men. Innen einschiffige ungewölbte Klosterkirche.

(Die alte Kirche S. Piero in Grado, eine halbe Stunde see-e
wärts, mit merkwürdigen Fresken verschiedener Zeit, hat der Ver-
fasser nicht gesehen.)


Die Kirchen von Lucca sind (mit Ausnahme der oben genann-
ten ältern Reste) fast nur Nachahmungen der pisanischen, und zwar
keine ganz glücklichen. An unendlichem und fast penibelm Reich-
thum thun sie es den reichsten derselben bisweilen gleich oder zuvor
(figurirte Säulen, Mosaicirung möglichst vieler Flächen etc.), allein
das Vorbild der Antike steht um einen kenntlichen Grad ferner (man
vergleiche die Gesimsbildung), obschon auch hier nicht wenige antike
Reste mit vermauert und z. B. die meisten Säulen römisch sind. Einen
unbegreiflichen Stolz scheinen die Lucchesen darein gesetzt zu haben,
dass in den Galerien ihrer Fassaden nicht ein Intervall, sondern ein
Säulchen auf die Mitte traf. Man möchte glauben, es sei das Wahr-
zeichen ihrer Stadt gewesen. In Pisa ist diess Ausnahme. — Die

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[107/0129] Kirchen von Pisa und Lucca. Pfeilern und Spitzbogen, mit achtseitigem Umgang, die Fenster noch rundbogig. Alle Details für Pisa auffallend schlicht. (Wird gegen- wärtig grossentheils neu gebaut.) S. Paolo in ripa d’Arno, wohl ebenfalls erst XIII. Jahrhun- dert, mit der besten Fassade nach dem Dom; innen mit Querschiff und Kuppel; durchgängig Spitzbogen; doch unter den vieren, welche die Kuppel tragen, noch besondere Rundbogen. (In den letzten Jah- ren grossentheils neu gebaut.) a An S. Nicola die Fassade und der schon erwähnte Thurm (S. 104, *) von Nic. Pisano. b S. Micchele in Borgo; das Innere, so weit es erhalten ist, eine ziemlich alte Basilica; von der Fassade der obere Theil mit den schon spitzbogigen Galerien XIII. Jahrhundert, vorgeblich von Nic- colò Pisano, eher von dessen Schüler Fra Guglielmo; in die Mitte treffen Säulchen statt der Intervalle. c S. Caterina, XIII. Jahrhundert, die Fassade eine noble und prächtige Übertragung des pisanischen Typus in die gothischen For- men. Innen einschiffige ungewölbte Klosterkirche. d (Die alte Kirche S. Piero in Grado, eine halbe Stunde see- wärts, mit merkwürdigen Fresken verschiedener Zeit, hat der Ver- fasser nicht gesehen.) e Die Kirchen von Lucca sind (mit Ausnahme der oben genann- ten ältern Reste) fast nur Nachahmungen der pisanischen, und zwar keine ganz glücklichen. An unendlichem und fast penibelm Reich- thum thun sie es den reichsten derselben bisweilen gleich oder zuvor (figurirte Säulen, Mosaicirung möglichst vieler Flächen etc.), allein das Vorbild der Antike steht um einen kenntlichen Grad ferner (man vergleiche die Gesimsbildung), obschon auch hier nicht wenige antike Reste mit vermauert und z. B. die meisten Säulen römisch sind. Einen unbegreiflichen Stolz scheinen die Lucchesen darein gesetzt zu haben, dass in den Galerien ihrer Fassaden nicht ein Intervall, sondern ein Säulchen auf die Mitte traf. Man möchte glauben, es sei das Wahr- zeichen ihrer Stadt gewesen. In Pisa ist diess Ausnahme. — Die

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/129>, abgerufen am 03.05.2024.