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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Frührenaissance. Pisa.
bäude seinen wesentlich malerischen Werth nicht. -- Was in Monte
Sansovino noch von Andrea vorhanden sein mag, ist mir nicht näher
bekannt. Wir werden ihm als Decorator wieder begegnen.


a

In Pisa ist der Hof der Universität ein einfach schöner Klo-
sterhof der frühern Renaissance, in der Art des Brunellesco; unten Bo-
genhallen, oben Säulen mit Holzgebälk, die nur ihre ehemaligen Con-
solen nicht mehr über sich haben. Beide Ordnungen ionisch; das
mittlere Gesimse sehr zart. Dass Pisa, beiläufig gesagt, von da an
im Gefolge von Florenz mitgeht, hat seinen Grund in der politischen
Abhängigkeit seit Anfang des XV. Jahrhunderts. Die politische und
die geistige Hegemonie der Florentiner setzte sich zu gleicher Zeit
durch.

b

Die Trovatelli, auf dem Wege nach dem Dom; wenige, aber schöne
und originelle Fenster und eine zierliche Rundbogenthür, Mitte des
XV. Jahrhunderts.

c

Der Hof des erzbischöflichen Palastes, etwa vom Ende
des XV. Jahrhunderts, zeigt eine Übertragung des Klosterhofbaues
Brunellesco's in den weissen Marmor und in grössere Verhältnisse. Die
obere Ordnung hatte indess ehemals gewiss Consolen und Gebälk von
Holz; erst später wurden die Säulen mit Marmorpfeilern eingefasst,
mit einem Marmorgebälk bedeckt und ihre Zwischenräume mit Fen-
stermauern geschlossen. (Der Aussenbau tüchtig modern.)

d

Die beiden Klosterhöfe von S. Francesco sind von der stattlichen
Art dieser Zeit.

e

Ein Privatgebäude (Casa Toscanelli) in der mit Hallen versehenen
Strasse Borgo wird wenigsten den Architekten von selbst in die Augen
fallen. Auf einer Bogenhalle von fünf Säulen ruhen zwei Stockwerke
in Backstein mit Fenstern im Halbrund. Die Gesimse, Archivolten etc.
einfach und zart; es ist nicht möglich mit Wenigerem einen so bedeu-
tenden Eindruck hervorzubringen als hier geschieht. Allerdings ist
Raum und Stoff nicht gespart.


Frührenaissance. Pisa.
bäude seinen wesentlich malerischen Werth nicht. — Was in Monte
Sansovino noch von Andrea vorhanden sein mag, ist mir nicht näher
bekannt. Wir werden ihm als Decorator wieder begegnen.


a

In Pisa ist der Hof der Universität ein einfach schöner Klo-
sterhof der frühern Renaissance, in der Art des Brunellesco; unten Bo-
genhallen, oben Säulen mit Holzgebälk, die nur ihre ehemaligen Con-
solen nicht mehr über sich haben. Beide Ordnungen ionisch; das
mittlere Gesimse sehr zart. Dass Pisa, beiläufig gesagt, von da an
im Gefolge von Florenz mitgeht, hat seinen Grund in der politischen
Abhängigkeit seit Anfang des XV. Jahrhunderts. Die politische und
die geistige Hegemonie der Florentiner setzte sich zu gleicher Zeit
durch.

b

Die Trovatelli, auf dem Wege nach dem Dom; wenige, aber schöne
und originelle Fenster und eine zierliche Rundbogenthür, Mitte des
XV. Jahrhunderts.

c

Der Hof des erzbischöflichen Palastes, etwa vom Ende
des XV. Jahrhunderts, zeigt eine Übertragung des Klosterhofbaues
Brunellesco’s in den weissen Marmor und in grössere Verhältnisse. Die
obere Ordnung hatte indess ehemals gewiss Consolen und Gebälk von
Holz; erst später wurden die Säulen mit Marmorpfeilern eingefasst,
mit einem Marmorgebälk bedeckt und ihre Zwischenräume mit Fen-
stermauern geschlossen. (Der Aussenbau tüchtig modern.)

d

Die beiden Klosterhöfe von S. Francesco sind von der stattlichen
Art dieser Zeit.

e

Ein Privatgebäude (Casa Toscanelli) in der mit Hallen versehenen
Strasse Borgo wird wenigsten den Architekten von selbst in die Augen
fallen. Auf einer Bogenhalle von fünf Säulen ruhen zwei Stockwerke
in Backstein mit Fenstern im Halbrund. Die Gesimse, Archivolten etc.
einfach und zart; es ist nicht möglich mit Wenigerem einen so bedeu-
tenden Eindruck hervorzubringen als hier geschieht. Allerdings ist
Raum und Stoff nicht gespart.


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[190/0212] Frührenaissance. Pisa. bäude seinen wesentlich malerischen Werth nicht. — Was in Monte Sansovino noch von Andrea vorhanden sein mag, ist mir nicht näher bekannt. Wir werden ihm als Decorator wieder begegnen. In Pisa ist der Hof der Universität ein einfach schöner Klo- sterhof der frühern Renaissance, in der Art des Brunellesco; unten Bo- genhallen, oben Säulen mit Holzgebälk, die nur ihre ehemaligen Con- solen nicht mehr über sich haben. Beide Ordnungen ionisch; das mittlere Gesimse sehr zart. Dass Pisa, beiläufig gesagt, von da an im Gefolge von Florenz mitgeht, hat seinen Grund in der politischen Abhängigkeit seit Anfang des XV. Jahrhunderts. Die politische und die geistige Hegemonie der Florentiner setzte sich zu gleicher Zeit durch. Die Trovatelli, auf dem Wege nach dem Dom; wenige, aber schöne und originelle Fenster und eine zierliche Rundbogenthür, Mitte des XV. Jahrhunderts. Der Hof des erzbischöflichen Palastes, etwa vom Ende des XV. Jahrhunderts, zeigt eine Übertragung des Klosterhofbaues Brunellesco’s in den weissen Marmor und in grössere Verhältnisse. Die obere Ordnung hatte indess ehemals gewiss Consolen und Gebälk von Holz; erst später wurden die Säulen mit Marmorpfeilern eingefasst, mit einem Marmorgebälk bedeckt und ihre Zwischenräume mit Fen- stermauern geschlossen. (Der Aussenbau tüchtig modern.) Die beiden Klosterhöfe von S. Francesco sind von der stattlichen Art dieser Zeit. Ein Privatgebäude (Casa Toscanelli) in der mit Hallen versehenen Strasse Borgo wird wenigsten den Architekten von selbst in die Augen fallen. Auf einer Bogenhalle von fünf Säulen ruhen zwei Stockwerke in Backstein mit Fenstern im Halbrund. Die Gesimse, Archivolten etc. einfach und zart; es ist nicht möglich mit Wenigerem einen so bedeu- tenden Eindruck hervorzubringen als hier geschieht. Allerdings ist Raum und Stoff nicht gespart.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/212>, abgerufen am 04.05.2024.