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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Vasen.
rechte Rinnen, die sich dann mit der Ausbauchung des Gefässes in
reichern Schmuck verwandeln. Die Bänder zwischen, unter und über
den figürlichen Darstellungen bestehen theils wieder aus wellenförmi-
gen Blumen, theils aus Mäandern, theils auch aus Reihen von Muscheln
u. dgl. Die untere Zusammenziehung der Vase wird etwa durch spitz
auslaufendes Blattwerk noch mehr verdeutlicht. Der Fuss ist, wie
billig, schmucklos.

Diess sind scheinbar nur Nebensachen, allein sie zeigen, dass es
sich um eine Vase und nicht um ein beliebiges Prunkstück handelt, was
man bei den kostbarsten Porcellanvasen von Sevres oft vergessen muss.

Man sollte denken, die Thonmaler hätten sich es wenigstens bei
diesen Zierrathen bequem gemacht und durch Schablonen gemalt.
Allein der erste Blick wird zeigen, dass die leichteste, sicherste Hand
Alles frei hingezaubert hat, wesshalb es denn auch nicht an einzelnen
krummen Linien u. dgl. fehlt.

Ebenso ist es mit den Figuren. Der Maler konnte sie zum Theil
als Gemeingut der griechischen Kunst auswendig, zum Theil erfand
und componirte er sie für die besondere Darstellung. Grosse Künst-
ler gaben sich mit dieser Gattung gar nicht ab; es ist ein mittlerer
und selbst geringer Durchschnitt des unendlichen griechischen Kunst-
vermögens, der sich hier zu erkennen giebt. Und doch selbst bei
diesen so äusserst beschränkten Mitteln, diesen zwei, höchstens drei
Farben so viel Bewundernswerthes!

Wir scheiden zunächst eine ältere Gattung, diejenige mit schwar-
zen Figuren
auf rothem Grunde aus. Ihr Styl ist bei grosser
Zierlichkeit noch ein befangener und entspricht mehr oder weniger
dem ältern griechischen Sculpturstyl (S. 414 u. ff.).

Die Vasen der reifern (und was Apulien betrifft, auch wohl der
sinkenden) Kunst sind die, welche (ausgesparte) röthliche Figu-
ren
auf (aufgemaltem) schwarzem Grunde zeigen. Mit diesen,
auch an Zahl überwiegenden haben wir es hauptsächlich zu thun.

Die Darstellungen, welche sie in einer, zwei, bis drei Reihen von
Figuren, an den Schalen auf der Unterseite rings um den Fuss, auch
innen in der Mitte enthalten, sind zum Theil der Gegenstand einer
sehr ausgedehnten gelehrten Forschung. Die seltensten Mythen, die
kein Relief und kein pompejanisches Gemälde darstellt, kommen hier

Vasen.
rechte Rinnen, die sich dann mit der Ausbauchung des Gefässes in
reichern Schmuck verwandeln. Die Bänder zwischen, unter und über
den figürlichen Darstellungen bestehen theils wieder aus wellenförmi-
gen Blumen, theils aus Mäandern, theils auch aus Reihen von Muscheln
u. dgl. Die untere Zusammenziehung der Vase wird etwa durch spitz
auslaufendes Blattwerk noch mehr verdeutlicht. Der Fuss ist, wie
billig, schmucklos.

Diess sind scheinbar nur Nebensachen, allein sie zeigen, dass es
sich um eine Vase und nicht um ein beliebiges Prunkstück handelt, was
man bei den kostbarsten Porcellanvasen von Sèvres oft vergessen muss.

Man sollte denken, die Thonmaler hätten sich es wenigstens bei
diesen Zierrathen bequem gemacht und durch Schablonen gemalt.
Allein der erste Blick wird zeigen, dass die leichteste, sicherste Hand
Alles frei hingezaubert hat, wesshalb es denn auch nicht an einzelnen
krummen Linien u. dgl. fehlt.

Ebenso ist es mit den Figuren. Der Maler konnte sie zum Theil
als Gemeingut der griechischen Kunst auswendig, zum Theil erfand
und componirte er sie für die besondere Darstellung. Grosse Künst-
ler gaben sich mit dieser Gattung gar nicht ab; es ist ein mittlerer
und selbst geringer Durchschnitt des unendlichen griechischen Kunst-
vermögens, der sich hier zu erkennen giebt. Und doch selbst bei
diesen so äusserst beschränkten Mitteln, diesen zwei, höchstens drei
Farben so viel Bewundernswerthes!

Wir scheiden zunächst eine ältere Gattung, diejenige mit schwar-
zen Figuren
auf rothem Grunde aus. Ihr Styl ist bei grosser
Zierlichkeit noch ein befangener und entspricht mehr oder weniger
dem ältern griechischen Sculpturstyl (S. 414 u. ff.).

Die Vasen der reifern (und was Apulien betrifft, auch wohl der
sinkenden) Kunst sind die, welche (ausgesparte) röthliche Figu-
ren
auf (aufgemaltem) schwarzem Grunde zeigen. Mit diesen,
auch an Zahl überwiegenden haben wir es hauptsächlich zu thun.

Die Darstellungen, welche sie in einer, zwei, bis drei Reihen von
Figuren, an den Schalen auf der Unterseite rings um den Fuss, auch
innen in der Mitte enthalten, sind zum Theil der Gegenstand einer
sehr ausgedehnten gelehrten Forschung. Die seltensten Mythen, die
kein Relief und kein pompejanisches Gemälde darstellt, kommen hier

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[717/0739] Vasen. rechte Rinnen, die sich dann mit der Ausbauchung des Gefässes in reichern Schmuck verwandeln. Die Bänder zwischen, unter und über den figürlichen Darstellungen bestehen theils wieder aus wellenförmi- gen Blumen, theils aus Mäandern, theils auch aus Reihen von Muscheln u. dgl. Die untere Zusammenziehung der Vase wird etwa durch spitz auslaufendes Blattwerk noch mehr verdeutlicht. Der Fuss ist, wie billig, schmucklos. Diess sind scheinbar nur Nebensachen, allein sie zeigen, dass es sich um eine Vase und nicht um ein beliebiges Prunkstück handelt, was man bei den kostbarsten Porcellanvasen von Sèvres oft vergessen muss. Man sollte denken, die Thonmaler hätten sich es wenigstens bei diesen Zierrathen bequem gemacht und durch Schablonen gemalt. Allein der erste Blick wird zeigen, dass die leichteste, sicherste Hand Alles frei hingezaubert hat, wesshalb es denn auch nicht an einzelnen krummen Linien u. dgl. fehlt. Ebenso ist es mit den Figuren. Der Maler konnte sie zum Theil als Gemeingut der griechischen Kunst auswendig, zum Theil erfand und componirte er sie für die besondere Darstellung. Grosse Künst- ler gaben sich mit dieser Gattung gar nicht ab; es ist ein mittlerer und selbst geringer Durchschnitt des unendlichen griechischen Kunst- vermögens, der sich hier zu erkennen giebt. Und doch selbst bei diesen so äusserst beschränkten Mitteln, diesen zwei, höchstens drei Farben so viel Bewundernswerthes! Wir scheiden zunächst eine ältere Gattung, diejenige mit schwar- zen Figuren auf rothem Grunde aus. Ihr Styl ist bei grosser Zierlichkeit noch ein befangener und entspricht mehr oder weniger dem ältern griechischen Sculpturstyl (S. 414 u. ff.). Die Vasen der reifern (und was Apulien betrifft, auch wohl der sinkenden) Kunst sind die, welche (ausgesparte) röthliche Figu- ren auf (aufgemaltem) schwarzem Grunde zeigen. Mit diesen, auch an Zahl überwiegenden haben wir es hauptsächlich zu thun. Die Darstellungen, welche sie in einer, zwei, bis drei Reihen von Figuren, an den Schalen auf der Unterseite rings um den Fuss, auch innen in der Mitte enthalten, sind zum Theil der Gegenstand einer sehr ausgedehnten gelehrten Forschung. Die seltensten Mythen, die kein Relief und kein pompejanisches Gemälde darstellt, kommen hier

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 717. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/739>, abgerufen am 03.05.2024.