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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
zu haben und auszuüben, impliziert begrifflich keineswegs die
Fähigkeit, sich zu verpflichten1.

Ob aber der Gesetzgeber von dieser Distinktion Gebrauch
machen wolle, ob sie praktisch verwendbar sei, ist eine andere
Frage.

Es ist zu bedenken, daß der Erwerb von Rechten auf ein enges
Gebiet beschränkt ist, wenn nicht als Gegenleistung entsprechende
Pflichten übernommen werden dürfen; wenn er also nur als gesetz-
licher oder unentgeltlicher Erwerb2 zulässig ist, und daß auch die
Ausübung eines (bereits erworbenen) Rechtes nicht nur in der
Behauptung dieses Rechtes gegen fremde Angriffe besteht, sondern
auch in der Verfügung darüber. Verfügen heißt aber: (ganz oder
teilweise) verzichten. Wer Eigentum hat, hat auch die Befugnis,
auf dieses Recht zu verzichten, sonst wäre es nicht sein Eigen-
tum. Im Begriff des subjektiven Rechtes (und nur von solchen
handeln wir im Privatrecht) liegt nun allerdings nur die Befugnis
des Berechtigten, auf seine Berechtigung gegenüber dem Ver-
pflichteten (oder den Verpflichteten) zu verzichten, sie aufzu-
geben. Sofern er das tun kann, ist er berechtigt. Aber wenn die
Körperschaft nur schlechthin (ganz oder teilweise) verzichten
könnte, wäre ihre Verfügungsbefugnis, im Vergleich zu derjenigen
anderer Eigentümer, außerordentlich beschränkt; sie könnte kein
zweiseitiges Rechtsgeschäft abschließen, da sie dadurch, sogar
bei unentgeltlichen, sich verpflichten müßte, nämlich das Eigen-
tum oder ein anderes Recht zu übertragen3. Praktisch impliziert

1 Man vergleiche die Haftung der Gemeinderschaft nach Art. 342
Abs. 2 SchwZGB, die eigentlich keine ist; denn "für die Schulden haften
die Gemeinder solidarisch". Die Gemeinderschaft ist gewissermaßen als
aktive Rechtsperson organisiert, aber nicht als passive, indem die Vertreter
der Gemeinderschaft wohl Pflichten begründen können, aber nicht zu Lasten
der Gemeinderschaft, also nicht als deren Organe. Vgl. oben S. 318, Anm. 1.
2 Wie im Falle der Erbengemeinschaft; die Gemeinderschaft ist auch
eher die Organisation eines gegebenen Besitzes, als die Organisation des
Besitzerwerbes. Vgl. oben S. 320.
3 Eine Gemeinderschaft könnte also, wörtlich genommen, nicht ein-
mal ein Stück ihres Eigentums durch ihr Haupt verkaufen lassen, da sich
die Gemeinderschaft nicht verpflichten könnte, das Eigentum zu übertragen.
Und die einzelnen Gemeinder könnten es nicht tun, weil sie als Einzelne
nicht verfügungsberechtigt sind; sie müßten also eine "fremde" Sache
verkaufen.

III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
zu haben und auszuüben, impliziert begrifflich keineswegs die
Fähigkeit, sich zu verpflichten1.

Ob aber der Gesetzgeber von dieser Distinktion Gebrauch
machen wolle, ob sie praktisch verwendbar sei, ist eine andere
Frage.

Es ist zu bedenken, daß der Erwerb von Rechten auf ein enges
Gebiet beschränkt ist, wenn nicht als Gegenleistung entsprechende
Pflichten übernommen werden dürfen; wenn er also nur als gesetz-
licher oder unentgeltlicher Erwerb2 zulässig ist, und daß auch die
Ausübung eines (bereits erworbenen) Rechtes nicht nur in der
Behauptung dieses Rechtes gegen fremde Angriffe besteht, sondern
auch in der Verfügung darüber. Verfügen heißt aber: (ganz oder
teilweise) verzichten. Wer Eigentum hat, hat auch die Befugnis,
auf dieses Recht zu verzichten, sonst wäre es nicht sein Eigen-
tum. Im Begriff des subjektiven Rechtes (und nur von solchen
handeln wir im Privatrecht) liegt nun allerdings nur die Befugnis
des Berechtigten, auf seine Berechtigung gegenüber dem Ver-
pflichteten (oder den Verpflichteten) zu verzichten, sie aufzu-
geben. Sofern er das tun kann, ist er berechtigt. Aber wenn die
Körperschaft nur schlechthin (ganz oder teilweise) verzichten
könnte, wäre ihre Verfügungsbefugnis, im Vergleich zu derjenigen
anderer Eigentümer, außerordentlich beschränkt; sie könnte kein
zweiseitiges Rechtsgeschäft abschließen, da sie dadurch, sogar
bei unentgeltlichen, sich verpflichten müßte, nämlich das Eigen-
tum oder ein anderes Recht zu übertragen3. Praktisch impliziert

1 Man vergleiche die Haftung der Gemeinderschaft nach Art. 342
Abs. 2 SchwZGB, die eigentlich keine ist; denn „für die Schulden haften
die Gemeinder solidarisch“. Die Gemeinderschaft ist gewissermaßen als
aktive Rechtsperson organisiert, aber nicht als passive, indem die Vertreter
der Gemeinderschaft wohl Pflichten begründen können, aber nicht zu Lasten
der Gemeinderschaft, also nicht als deren Organe. Vgl. oben S. 318, Anm. 1.
2 Wie im Falle der Erbengemeinschaft; die Gemeinderschaft ist auch
eher die Organisation eines gegebenen Besitzes, als die Organisation des
Besitzerwerbes. Vgl. oben S. 320.
3 Eine Gemeinderschaft könnte also, wörtlich genommen, nicht ein-
mal ein Stück ihres Eigentums durch ihr Haupt verkaufen lassen, da sich
die Gemeinderschaft nicht verpflichten könnte, das Eigentum zu übertragen.
Und die einzelnen Gemeinder könnten es nicht tun, weil sie als Einzelne
nicht verfügungsberechtigt sind; sie müßten also eine „fremde“ Sache
verkaufen.
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[332/0347] III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung. zu haben und auszuüben, impliziert begrifflich keineswegs die Fähigkeit, sich zu verpflichten 1. Ob aber der Gesetzgeber von dieser Distinktion Gebrauch machen wolle, ob sie praktisch verwendbar sei, ist eine andere Frage. Es ist zu bedenken, daß der Erwerb von Rechten auf ein enges Gebiet beschränkt ist, wenn nicht als Gegenleistung entsprechende Pflichten übernommen werden dürfen; wenn er also nur als gesetz- licher oder unentgeltlicher Erwerb 2 zulässig ist, und daß auch die Ausübung eines (bereits erworbenen) Rechtes nicht nur in der Behauptung dieses Rechtes gegen fremde Angriffe besteht, sondern auch in der Verfügung darüber. Verfügen heißt aber: (ganz oder teilweise) verzichten. Wer Eigentum hat, hat auch die Befugnis, auf dieses Recht zu verzichten, sonst wäre es nicht sein Eigen- tum. Im Begriff des subjektiven Rechtes (und nur von solchen handeln wir im Privatrecht) liegt nun allerdings nur die Befugnis des Berechtigten, auf seine Berechtigung gegenüber dem Ver- pflichteten (oder den Verpflichteten) zu verzichten, sie aufzu- geben. Sofern er das tun kann, ist er berechtigt. Aber wenn die Körperschaft nur schlechthin (ganz oder teilweise) verzichten könnte, wäre ihre Verfügungsbefugnis, im Vergleich zu derjenigen anderer Eigentümer, außerordentlich beschränkt; sie könnte kein zweiseitiges Rechtsgeschäft abschließen, da sie dadurch, sogar bei unentgeltlichen, sich verpflichten müßte, nämlich das Eigen- tum oder ein anderes Recht zu übertragen 3. Praktisch impliziert 1 Man vergleiche die Haftung der Gemeinderschaft nach Art. 342 Abs. 2 SchwZGB, die eigentlich keine ist; denn „für die Schulden haften die Gemeinder solidarisch“. Die Gemeinderschaft ist gewissermaßen als aktive Rechtsperson organisiert, aber nicht als passive, indem die Vertreter der Gemeinderschaft wohl Pflichten begründen können, aber nicht zu Lasten der Gemeinderschaft, also nicht als deren Organe. Vgl. oben S. 318, Anm. 1. 2 Wie im Falle der Erbengemeinschaft; die Gemeinderschaft ist auch eher die Organisation eines gegebenen Besitzes, als die Organisation des Besitzerwerbes. Vgl. oben S. 320. 3 Eine Gemeinderschaft könnte also, wörtlich genommen, nicht ein- mal ein Stück ihres Eigentums durch ihr Haupt verkaufen lassen, da sich die Gemeinderschaft nicht verpflichten könnte, das Eigentum zu übertragen. Und die einzelnen Gemeinder könnten es nicht tun, weil sie als Einzelne nicht verfügungsberechtigt sind; sie müßten also eine „fremde“ Sache verkaufen.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/347>, abgerufen am 15.05.2024.