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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
Organs, wie sie das objektive und zwingende Recht jedem seiner
Organe an seiner Stelle vorschreibt; aber man kann nicht sagen,
der Staat oder das jeweilen zur Tätigkeit berufene Organ sei
berechtigt oder verpflichtet, diese oder jene Handlung vorzunehmen,
im gleichen Sinn wie eine private Genossenschaft durch Rechts-
geschäfte verpflichtet wird zu leisten oder berechtigt wird zu
fordern, weil weder dem Staat noch seinen Organen aus solchen
Sachlagen subjektive Rechte oder Pflichten erwachsen. Wenn
der Gesetzgeber das Radio konzessionspflichtig erklärt hat, so hat
die Polizei die Schwarzhörer anzuzeigen, der Richter hat die An-
gezeigten zu beurteilen und die Vollzugsbehörde die Urteile zu
vollziehen; und wenn (mit oder ohne Verschulden eines Beamten)
ein Unschuldiger bestraft worden ist und das Urteil revidiert
wird, so hat ihn vielleicht eine andere Behörde zu entschädigen.
Alle diese Anordnungen sind die Ausführung der eigenen Rechts-
ordnung des Staates, die nicht an einer anderen gemessen werden
kann (vgl. oben S. 352); sie sind zum voraus in zwingender, un-
abänderlicher Weise bestimmt durch das objektive Recht. Die
private Körperschaft dagegen wird berechtigt und verpflichtet
nach Maßgabe des über ihr stehenden staatlichen Gesetzes, und
zwar durch Geschäfte, deren Inhalt durch das objektive Recht
nicht bestimmt wird, sondern zufällig ist; ihre Rechte sind daher
auch der willkürlichen Verfügung des Berechtigten unterstellt,
und deshalb kann man hier von subjektiven Rechten sprechen
und die Inhaber dieser Rechte oder entsprechender Pflichten als
Rechtssubjekte bezeichnen (vgl. oben S. 82 ff.).

Die Juristische Person (des Privatrechts) ist also eine Form
gemeinsamen rechtsgeschäftlichen (somit privatrechtlichen) Han-
delns, zur Begründung oder Ausführung subjektiver Rechts-
verhältnisse. Der Staat ist die unpersönliche Einrichtung zur
Verwirklichung des objektiven Rechts. Als Mittel zu diesem Zweck
kann der Staat und können seine Unterabteilungen zwar auch
subjektive Rechtsverhältnisse eingehen, und insoweit sind sie
auch (mehr oder weniger selbständige) juristische Personen; aber
das für den Staat Charakteristische ist nicht diese Hilfsfunktion,
sondern die Betätigung des objektiven Rechts.

Beide Verbände sind geschaffen zu rechtmäßiger Betäti-
gung; im Abschluß von Rechtsgeschäften (und in Rechtsakten)

III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
Organs, wie sie das objektive und zwingende Recht jedem seiner
Organe an seiner Stelle vorschreibt; aber man kann nicht sagen,
der Staat oder das jeweilen zur Tätigkeit berufene Organ sei
berechtigt oder verpflichtet, diese oder jene Handlung vorzunehmen,
im gleichen Sinn wie eine private Genossenschaft durch Rechts-
geschäfte verpflichtet wird zu leisten oder berechtigt wird zu
fordern, weil weder dem Staat noch seinen Organen aus solchen
Sachlagen subjektive Rechte oder Pflichten erwachsen. Wenn
der Gesetzgeber das Radio konzessionspflichtig erklärt hat, so hat
die Polizei die Schwarzhörer anzuzeigen, der Richter hat die An-
gezeigten zu beurteilen und die Vollzugsbehörde die Urteile zu
vollziehen; und wenn (mit oder ohne Verschulden eines Beamten)
ein Unschuldiger bestraft worden ist und das Urteil revidiert
wird, so hat ihn vielleicht eine andere Behörde zu entschädigen.
Alle diese Anordnungen sind die Ausführung der eigenen Rechts-
ordnung des Staates, die nicht an einer anderen gemessen werden
kann (vgl. oben S. 352); sie sind zum voraus in zwingender, un-
abänderlicher Weise bestimmt durch das objektive Recht. Die
private Körperschaft dagegen wird berechtigt und verpflichtet
nach Maßgabe des über ihr stehenden staatlichen Gesetzes, und
zwar durch Geschäfte, deren Inhalt durch das objektive Recht
nicht bestimmt wird, sondern zufällig ist; ihre Rechte sind daher
auch der willkürlichen Verfügung des Berechtigten unterstellt,
und deshalb kann man hier von subjektiven Rechten sprechen
und die Inhaber dieser Rechte oder entsprechender Pflichten als
Rechtssubjekte bezeichnen (vgl. oben S. 82 ff.).

Die Juristische Person (des Privatrechts) ist also eine Form
gemeinsamen rechtsgeschäftlichen (somit privatrechtlichen) Han-
delns, zur Begründung oder Ausführung subjektiver Rechts-
verhältnisse. Der Staat ist die unpersönliche Einrichtung zur
Verwirklichung des objektiven Rechts. Als Mittel zu diesem Zweck
kann der Staat und können seine Unterabteilungen zwar auch
subjektive Rechtsverhältnisse eingehen, und insoweit sind sie
auch (mehr oder weniger selbständige) juristische Personen; aber
das für den Staat Charakteristische ist nicht diese Hilfsfunktion,
sondern die Betätigung des objektiven Rechts.

Beide Verbände sind geschaffen zu rechtmäßiger Betäti-
gung; im Abschluß von Rechtsgeschäften (und in Rechtsakten)

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[426/0441] III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung. Organs, wie sie das objektive und zwingende Recht jedem seiner Organe an seiner Stelle vorschreibt; aber man kann nicht sagen, der Staat oder das jeweilen zur Tätigkeit berufene Organ sei berechtigt oder verpflichtet, diese oder jene Handlung vorzunehmen, im gleichen Sinn wie eine private Genossenschaft durch Rechts- geschäfte verpflichtet wird zu leisten oder berechtigt wird zu fordern, weil weder dem Staat noch seinen Organen aus solchen Sachlagen subjektive Rechte oder Pflichten erwachsen. Wenn der Gesetzgeber das Radio konzessionspflichtig erklärt hat, so hat die Polizei die Schwarzhörer anzuzeigen, der Richter hat die An- gezeigten zu beurteilen und die Vollzugsbehörde die Urteile zu vollziehen; und wenn (mit oder ohne Verschulden eines Beamten) ein Unschuldiger bestraft worden ist und das Urteil revidiert wird, so hat ihn vielleicht eine andere Behörde zu entschädigen. Alle diese Anordnungen sind die Ausführung der eigenen Rechts- ordnung des Staates, die nicht an einer anderen gemessen werden kann (vgl. oben S. 352); sie sind zum voraus in zwingender, un- abänderlicher Weise bestimmt durch das objektive Recht. Die private Körperschaft dagegen wird berechtigt und verpflichtet nach Maßgabe des über ihr stehenden staatlichen Gesetzes, und zwar durch Geschäfte, deren Inhalt durch das objektive Recht nicht bestimmt wird, sondern zufällig ist; ihre Rechte sind daher auch der willkürlichen Verfügung des Berechtigten unterstellt, und deshalb kann man hier von subjektiven Rechten sprechen und die Inhaber dieser Rechte oder entsprechender Pflichten als Rechtssubjekte bezeichnen (vgl. oben S. 82 ff.). Die Juristische Person (des Privatrechts) ist also eine Form gemeinsamen rechtsgeschäftlichen (somit privatrechtlichen) Han- delns, zur Begründung oder Ausführung subjektiver Rechts- verhältnisse. Der Staat ist die unpersönliche Einrichtung zur Verwirklichung des objektiven Rechts. Als Mittel zu diesem Zweck kann der Staat und können seine Unterabteilungen zwar auch subjektive Rechtsverhältnisse eingehen, und insoweit sind sie auch (mehr oder weniger selbständige) juristische Personen; aber das für den Staat Charakteristische ist nicht diese Hilfsfunktion, sondern die Betätigung des objektiven Rechts. Beide Verbände sind geschaffen zu rechtmäßiger Betäti- gung; im Abschluß von Rechtsgeschäften (und in Rechtsakten)

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/441>, abgerufen am 29.04.2024.