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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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wesen sein; für Italien aber waren die Ehrengewinnste bei4. Abschnitt.
den Pferderennen aller irgend bedeutenden Städte der stärkste
Beweggrund, möglichst rasche Pferde hervorzubringen. Im
mantuanischen Gestüt wuchsen die unfehlbaren Gewinner
dieser Art, außerdem aber auch die edelsten Streitrosse und
überhaupt Pferde, welche unter allen Geschenken an große
Herrn als das fürstlichste erschienen. Der Gonzaga hatte
Hengste und Stuten aus Spanien und Irland wie aus
Africa, Thracien und Cilicien; um letzterer willen unter-
hielt er Verkehr und Freundschaft mit den Großsultanen.
Alle Varietäten wurden hier versucht um das Trefflichste
hervorzubringen.

Aber auch an einer Menschenmenagerie fehlte es nicht;Menschenracen.
der bekannte Cardinal Ippolito Medici 1), Bastard des
Giuliano, Herzogs von Nemours, hielt an seinem wunder-
lichen Hofe eine Schaar von Barbaren, welche mehr als
zwanzig verschiedene Sprachen redeten und Jeder in seiner
Art und Race ausgezeichnet waren. Da fand man un-
gleichliche Voltigeurs von edlem nordafricanischem Mauren-
geblüt, tatarische Bogenschützen, schwarze Ringer, indische
Taucher, Türken, welche hauptsächlich auf der Jagd die
Begleiter des Cardinals waren. Als ihn sein frühes Schick-
sal (1535) ereilte, trug diese bunte Schaar die Leiche auf
den Schultern von Itri nach Rom und mischte in die all-
gemeine Trauer der Stadt um den freigebigen Herrn ihre
vielsprachige, von heftigen Geberden begleitete Todtenklage 2).

1) Paul. Jov. Elogia, bei Anlaß des Hippol. Medices.
2) Bei diesem Anlaß mögen einige Notizen über die Sklaverei in Ita-
lien zur Zeit der Renaissance ihre Stelle finden. Kurze Hauptstelle
bei Jovian. Pontan. de obedientia L. III: In Oberitalien gab
es keine Sklaven; sonst kaufte man auch Christen aus dem türkischen
Reich, auch Bulgaren und Circassier und ließ sie dienen bis sie die
Kaufsumme abverdient hatten. Die Neger dagegen blieben Sklaven,
nur durste man sie, wenigstens im Reich Neapel, nicht castriren. --
Moro bezeichnet alle dunkelfarbigen; der Neger heißt Moro nero.
19*

weſen ſein; für Italien aber waren die Ehrengewinnſte bei4. Abſchnitt.
den Pferderennen aller irgend bedeutenden Städte der ſtärkſte
Beweggrund, möglichſt raſche Pferde hervorzubringen. Im
mantuaniſchen Geſtüt wuchſen die unfehlbaren Gewinner
dieſer Art, außerdem aber auch die edelſten Streitroſſe und
überhaupt Pferde, welche unter allen Geſchenken an große
Herrn als das fürſtlichſte erſchienen. Der Gonzaga hatte
Hengſte und Stuten aus Spanien und Irland wie aus
Africa, Thracien und Cilicien; um letzterer willen unter-
hielt er Verkehr und Freundſchaft mit den Großſultanen.
Alle Varietäten wurden hier verſucht um das Trefflichſte
hervorzubringen.

Aber auch an einer Menſchenmenagerie fehlte es nicht;Menſchenracen.
der bekannte Cardinal Ippolito Medici 1), Baſtard des
Giuliano, Herzogs von Nemours, hielt an ſeinem wunder-
lichen Hofe eine Schaar von Barbaren, welche mehr als
zwanzig verſchiedene Sprachen redeten und Jeder in ſeiner
Art und Race ausgezeichnet waren. Da fand man un-
gleichliche Voltigeurs von edlem nordafricaniſchem Mauren-
geblüt, tatariſche Bogenſchützen, ſchwarze Ringer, indiſche
Taucher, Türken, welche hauptſächlich auf der Jagd die
Begleiter des Cardinals waren. Als ihn ſein frühes Schick-
ſal (1535) ereilte, trug dieſe bunte Schaar die Leiche auf
den Schultern von Itri nach Rom und miſchte in die all-
gemeine Trauer der Stadt um den freigebigen Herrn ihre
vielſprachige, von heftigen Geberden begleitete Todtenklage 2).

1) Paul. Jov. Elogia, bei Anlaß des Hippol. Medices.
2) Bei dieſem Anlaß mögen einige Notizen über die Sklaverei in Ita-
lien zur Zeit der Renaiſſance ihre Stelle finden. Kurze Hauptſtelle
bei Jovian. Pontan. de obedientia L. III: In Oberitalien gab
es keine Sklaven; ſonſt kaufte man auch Chriſten aus dem türkiſchen
Reich, auch Bulgaren und Circaſſier und ließ ſie dienen bis ſie die
Kaufſumme abverdient hatten. Die Neger dagegen blieben Sklaven,
nur durſte man ſie, wenigſtens im Reich Neapel, nicht caſtriren. —
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[291/0301] weſen ſein; für Italien aber waren die Ehrengewinnſte bei den Pferderennen aller irgend bedeutenden Städte der ſtärkſte Beweggrund, möglichſt raſche Pferde hervorzubringen. Im mantuaniſchen Geſtüt wuchſen die unfehlbaren Gewinner dieſer Art, außerdem aber auch die edelſten Streitroſſe und überhaupt Pferde, welche unter allen Geſchenken an große Herrn als das fürſtlichſte erſchienen. Der Gonzaga hatte Hengſte und Stuten aus Spanien und Irland wie aus Africa, Thracien und Cilicien; um letzterer willen unter- hielt er Verkehr und Freundſchaft mit den Großſultanen. Alle Varietäten wurden hier verſucht um das Trefflichſte hervorzubringen. 4. Abſchnitt. Aber auch an einer Menſchenmenagerie fehlte es nicht; der bekannte Cardinal Ippolito Medici 1), Baſtard des Giuliano, Herzogs von Nemours, hielt an ſeinem wunder- lichen Hofe eine Schaar von Barbaren, welche mehr als zwanzig verſchiedene Sprachen redeten und Jeder in ſeiner Art und Race ausgezeichnet waren. Da fand man un- gleichliche Voltigeurs von edlem nordafricaniſchem Mauren- geblüt, tatariſche Bogenſchützen, ſchwarze Ringer, indiſche Taucher, Türken, welche hauptſächlich auf der Jagd die Begleiter des Cardinals waren. Als ihn ſein frühes Schick- ſal (1535) ereilte, trug dieſe bunte Schaar die Leiche auf den Schultern von Itri nach Rom und miſchte in die all- gemeine Trauer der Stadt um den freigebigen Herrn ihre vielſprachige, von heftigen Geberden begleitete Todtenklage 2). Menſchenracen. 1) Paul. Jov. Elogia, bei Anlaß des Hippol. Medices. 2) Bei dieſem Anlaß mögen einige Notizen über die Sklaverei in Ita- lien zur Zeit der Renaiſſance ihre Stelle finden. Kurze Hauptſtelle bei Jovian. Pontan. de obedientia L. III: In Oberitalien gab es keine Sklaven; ſonſt kaufte man auch Chriſten aus dem türkiſchen Reich, auch Bulgaren und Circaſſier und ließ ſie dienen bis ſie die Kaufſumme abverdient hatten. Die Neger dagegen blieben Sklaven, nur durſte man ſie, wenigſtens im Reich Neapel, nicht caſtriren. — Moro bezeichnet alle dunkelfarbigen; der Neger heißt Moro nero. 19*

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/301>, abgerufen am 08.05.2024.