Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Menschen schon in der Wiege anzunehmen, ihn in ein Findelhaus, von da in die Verwahrsäle, weiter in die Schulen, aus diesen in die Arbeiter-Städte, wo die öffentliche Gesellschaft ihm Schritt vor Schritt folgt und Schutz verleiht, bis zuletzt in den Schooß einer eignen, neuen Familie zu bringen -: fürwahr, es ist dieß ein, einer großen Epoche würdiges Werk, und, wohl darf man es zur Ehre unseres Jahrhunderts aussprechen, noch zu keiner Zeit hat sich das Gefühl der Menschenliebe in so hohem Grade geltend gemacht, noch nie hat die Noth Anderer so viele Herzen bewegt, so lebhafte Theilnahme gefunden.

Die Gründung der Mäßigkeitsvereine ist eine Thatsache, welche zum Beweise dient, wie sehr man, wenn man nur will, das sittliche Gefühl, welches im Schooße der niedrigen Volksmassen oft nur schlummert, zu erwecken und neu zu beleben im Stande ist. Diese Vereine haben in England und in America Wunder gethan. Ueberall, wo deren organisirt worden sind, hat man die Sterblichkeit abnehmen, die Verbrechen an Häufigkeit sich mindern, die Liebe zur Arbeit, sowie den Familienfrieden zurückkehren sehen.

Mäßigkeitsvereine. - Die ersten Mäßigkeitsvereine wurden im Jahre 1813 in den Vereinigten Staaten von Nordamerica durch einige Menschenfreunde, vor Schrecken über die Fortschritte der Trunksucht unter dem Volke und über die daraus entstehenden Gefahren, in's Leben gerufen. In den anfänglichen Verordnungen waren nur die Ueberschreitungen im Genusse der Spirituosen verboten; da es jedoch nichts Leichteres giebt, als die Gränze, welche den mäßigen Genuß vom mißbräuchlichen scheidet, zu überschreiten, so war das Ergebniß dieser ersten Vereine beinahe null. Erst im Jahre 1826, und zwar im Staate Massachusetts, wurde dann der erste wahre Mäßigkeitsverein gegründet, und nach diesem entstanden nun bald eine große Anzahl anderer in den Vereinigten Staaten und in ganz Europa; die Mitglieder derselben legten es sich als Pflicht auf, von dem

Menschen schon in der Wiege anzunehmen, ihn in ein Findelhaus, von da in die Verwahrsäle, weiter in die Schulen, aus diesen in die Arbeiter-Städte, wo die öffentliche Gesellschaft ihm Schritt vor Schritt folgt und Schutz verleiht, bis zuletzt in den Schooß einer eignen, neuen Familie zu bringen –: fürwahr, es ist dieß ein, einer großen Epoche würdiges Werk, und, wohl darf man es zur Ehre unseres Jahrhunderts aussprechen, noch zu keiner Zeit hat sich das Gefühl der Menschenliebe in so hohem Grade geltend gemacht, noch nie hat die Noth Anderer so viele Herzen bewegt, so lebhafte Theilnahme gefunden.

Die Gründung der Mäßigkeitsvereine ist eine Thatsache, welche zum Beweise dient, wie sehr man, wenn man nur will, das sittliche Gefühl, welches im Schooße der niedrigen Volksmassen oft nur schlummert, zu erwecken und neu zu beleben im Stande ist. Diese Vereine haben in England und in America Wunder gethan. Ueberall, wo deren organisirt worden sind, hat man die Sterblichkeit abnehmen, die Verbrechen an Häufigkeit sich mindern, die Liebe zur Arbeit, sowie den Familienfrieden zurückkehren sehen.

Mäßigkeitsvereine. – Die ersten Mäßigkeitsvereine wurden im Jahre 1813 in den Vereinigten Staaten von Nordamerica durch einige Menschenfreunde, vor Schrecken über die Fortschritte der Trunksucht unter dem Volke und über die daraus entstehenden Gefahren, in’s Leben gerufen. In den anfänglichen Verordnungen waren nur die Ueberschreitungen im Genusse der Spirituosen verboten; da es jedoch nichts Leichteres giebt, als die Gränze, welche den mäßigen Genuß vom mißbräuchlichen scheidet, zu überschreiten, so war das Ergebniß dieser ersten Vereine beinahe null. Erst im Jahre 1826, und zwar im Staate Massachusetts, wurde dann der erste wahre Mäßigkeitsverein gegründet, und nach diesem entstanden nun bald eine große Anzahl anderer in den Vereinigten Staaten und in ganz Europa; die Mitglieder derselben legten es sich als Pflicht auf, von dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0082" n="72"/>
Menschen schon in der Wiege anzunehmen, ihn in ein Findelhaus, von da in die                     Verwahrsäle, weiter in die Schulen, aus diesen in die Arbeiter-Städte, wo die                     öffentliche Gesellschaft ihm Schritt vor Schritt folgt und Schutz verleiht, bis                     zuletzt in den Schooß einer eignen, neuen Familie zu bringen &#x2013;: fürwahr, es ist                     dieß ein, einer großen Epoche würdiges Werk, und, wohl darf man es zur Ehre                     unseres Jahrhunderts aussprechen, noch zu keiner Zeit hat sich das Gefühl der                     Menschenliebe in so hohem Grade geltend gemacht, noch nie hat die Noth Anderer                     so viele Herzen bewegt, so lebhafte Theilnahme gefunden.</p>
        <p>Die Gründung der Mäßigkeitsvereine ist eine Thatsache, welche zum Beweise dient,                     wie sehr man, wenn man nur will, das sittliche Gefühl, welches im Schooße der                     niedrigen Volksmassen oft nur schlummert, zu erwecken und neu zu beleben im                     Stande ist. Diese Vereine haben in England und in America Wunder gethan.                     Ueberall, wo deren organisirt worden sind, hat man die Sterblichkeit abnehmen,                     die Verbrechen an Häufigkeit sich mindern, die Liebe zur Arbeit, sowie den                     Familienfrieden zurückkehren sehen.</p>
        <p><hi rendition="#g">Mäßigkeitsvereine.</hi> &#x2013; Die ersten Mäßigkeitsvereine wurden                     im Jahre 1813 in den Vereinigten Staaten von Nordamerica durch einige                     Menschenfreunde, vor Schrecken über die Fortschritte der Trunksucht unter dem                     Volke und über die daraus entstehenden Gefahren, in&#x2019;s Leben gerufen. In den                     anfänglichen Verordnungen waren nur die Ueberschreitungen im Genusse der                     Spirituosen verboten; da es jedoch nichts Leichteres giebt, als die Gränze,                     welche den mäßigen Genuß vom mißbräuchlichen scheidet, zu überschreiten, so war                     das Ergebniß dieser ersten Vereine beinahe null. Erst im Jahre 1826, und zwar im                     Staate Massachusetts, wurde dann der erste wahre Mäßigkeitsverein gegründet, und                     nach diesem entstanden nun bald eine große Anzahl anderer in den Vereinigten                     Staaten und in ganz Europa; die Mitglieder derselben legten es sich als Pflicht                     auf, <hi rendition="#g">von dem
</hi></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0082] Menschen schon in der Wiege anzunehmen, ihn in ein Findelhaus, von da in die Verwahrsäle, weiter in die Schulen, aus diesen in die Arbeiter-Städte, wo die öffentliche Gesellschaft ihm Schritt vor Schritt folgt und Schutz verleiht, bis zuletzt in den Schooß einer eignen, neuen Familie zu bringen –: fürwahr, es ist dieß ein, einer großen Epoche würdiges Werk, und, wohl darf man es zur Ehre unseres Jahrhunderts aussprechen, noch zu keiner Zeit hat sich das Gefühl der Menschenliebe in so hohem Grade geltend gemacht, noch nie hat die Noth Anderer so viele Herzen bewegt, so lebhafte Theilnahme gefunden. Die Gründung der Mäßigkeitsvereine ist eine Thatsache, welche zum Beweise dient, wie sehr man, wenn man nur will, das sittliche Gefühl, welches im Schooße der niedrigen Volksmassen oft nur schlummert, zu erwecken und neu zu beleben im Stande ist. Diese Vereine haben in England und in America Wunder gethan. Ueberall, wo deren organisirt worden sind, hat man die Sterblichkeit abnehmen, die Verbrechen an Häufigkeit sich mindern, die Liebe zur Arbeit, sowie den Familienfrieden zurückkehren sehen. Mäßigkeitsvereine. – Die ersten Mäßigkeitsvereine wurden im Jahre 1813 in den Vereinigten Staaten von Nordamerica durch einige Menschenfreunde, vor Schrecken über die Fortschritte der Trunksucht unter dem Volke und über die daraus entstehenden Gefahren, in’s Leben gerufen. In den anfänglichen Verordnungen waren nur die Ueberschreitungen im Genusse der Spirituosen verboten; da es jedoch nichts Leichteres giebt, als die Gränze, welche den mäßigen Genuß vom mißbräuchlichen scheidet, zu überschreiten, so war das Ergebniß dieser ersten Vereine beinahe null. Erst im Jahre 1826, und zwar im Staate Massachusetts, wurde dann der erste wahre Mäßigkeitsverein gegründet, und nach diesem entstanden nun bald eine große Anzahl anderer in den Vereinigten Staaten und in ganz Europa; die Mitglieder derselben legten es sich als Pflicht auf, von dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-01T10:28:26Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Benjamin Fiechter, Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-11-01T10:28:26Z)
Bayerische Staatsbibliothek München: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-11-01T10:28:26Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://de.wikisource.org/wiki/Wikisource:Editionsrichtlinien formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/82
Zitationshilfe: Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/82>, abgerufen am 07.05.2024.