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Calvi, François de: Beutelschneider/ Oder Neue/ warhaffte/ und eigentliche Beschreibung Der Diebs Historien. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1627.

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Diebshistorien/ das II. Buch.

Die Edelfrau/ welche jhn hart verklaget/ als
sie sahe/ daß er so gar nichts bekennen wolte/ hatte
sorge/ sie wurde nicht erfahren können/ wer der
Thäter wer: Gleichwol aber hielte sie an/ man sol-
te jhn zum Todt verdammen/ dann sie hoffete/ er wur-
de noch an seinem letzten Ende bekennen/ was er
in seinem Leben geleugnet hatte: Acht tage her-
nacher wird er wider fürgestellet/ vnd von deß Vo-
tris Freunden/ von der Edelfraue/ vnd von den je-
nigen auß Bryehan angeklaget/ es wird jhm auch
nach vielfaltiger geschehener Exam ination das
Vrtheil gesprochen/ daß er auff dem platz de la
Groix du Tiroir
lebendig soll gerädert werden/ sein
Gesell ader wird auff einen andern Tag gehalten.

Als nun Forestier auff dem Richtplatz ist/ da
schweiget er ein zeitlang gantz still/ gedencket an sein
böses geführtes Leben/ vnd an das gerechte Gericht
Gottes/ wendet seine Augen zu dem vmbstehenden
Volck/ vnd fanget also an zu reden: Meine liebe
Freunde/ Es ist das ausser allen zweiffel/ daß ich
hiehero durch das gerechte Gericht GOttes kom-
me: Dann eben diesen Tag/ eben diese Stunde/ da
jhr mich allhie an diesem Ort sehet/ hab ich jäm-
merlicher weise ermordet die jenige/ die mich in jh-
rem Leib hat getragen/ welches nun mehr für zwölff
Jahren ist geschehen: Eben zu dieser Stunde hab
ich nun mehr für zehen Jahren den Herrn Votris
todt geschlagen: Ich erkenne nunmehr/ daß kein
Laster vngestrafft kan bleiben/ Alle Sünde werden
entweder bald oder langsam gestraffet. GOtt al-
lein weiß das jenige/ so ich hab begangen: Was den

Edel-
Diebshiſtorien/ das II. Buch.

Die Edelfrau/ welche jhn hart verklaget/ als
ſie ſahe/ daß er ſo gar nichts bekennen wolte/ hatte
ſorge/ ſie wurde nicht erfahren koͤnnen/ wer der
Thaͤter wer: Gleichwol aber hielte ſie an/ man ſol-
te jhn zum Todt verdam̃en/ dann ſie hoffete/ er wur-
de noch an ſeinem letzten Ende bekennen/ was er
in ſeinem Leben geleugnet hatte: Acht tage her-
nacher wird er wider fuͤrgeſtellet/ vnd von deß Vo-
tris Freunden/ von der Edelfraue/ vnd von den je-
nigen auß Bryehan angeklaget/ es wird jhm auch
nach vielfaltiger geſchehener Exam ination das
Vrtheil geſprochen/ daß er auff dem platz de la
Groix du Tiroir
lebendig ſoll geraͤdert werden/ ſein
Geſell ader wird auff einen andern Tag gehalten.

Als nun Foreſtier auff dem Richtplatz iſt/ da
ſchweiget er ein zeitlang gantz ſtill/ gedencket an ſein
boͤſes gefuͤhrtes Leben/ vnd an das gerechte Gericht
Gottes/ wendet ſeine Augen zu dem vmbſtehenden
Volck/ vnd fanget alſo an zu reden: Meine liebe
Freunde/ Es iſt das auſſer allen zweiffel/ daß ich
hiehero durch das gerechte Gericht GOttes kom-
me: Dann eben dieſen Tag/ eben dieſe Stunde/ da
jhr mich allhie an dieſem Ort ſehet/ hab ich jaͤm-
merlicher weiſe ermordet die jenige/ die mich in jh-
rem Leib hat getragen/ welches nun mehr fuͤr zwoͤlff
Jahren iſt geſchehen: Eben zu dieſer Stunde hab
ich nun mehr fuͤr zehen Jahren den Herꝛn Votris
todt geſchlagen: Ich erkenne nunmehr/ daß kein
Laſter vngeſtrafft kan bleiben/ Alle Suͤnde werden
entweder bald oder langſam geſtraffet. GOtt al-
lein weiß das jenige/ ſo ich hab begangen: Was den

Edel-
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[353[333]/0343] Diebshiſtorien/ das II. Buch. Die Edelfrau/ welche jhn hart verklaget/ als ſie ſahe/ daß er ſo gar nichts bekennen wolte/ hatte ſorge/ ſie wurde nicht erfahren koͤnnen/ wer der Thaͤter wer: Gleichwol aber hielte ſie an/ man ſol- te jhn zum Todt verdam̃en/ dann ſie hoffete/ er wur- de noch an ſeinem letzten Ende bekennen/ was er in ſeinem Leben geleugnet hatte: Acht tage her- nacher wird er wider fuͤrgeſtellet/ vnd von deß Vo- tris Freunden/ von der Edelfraue/ vnd von den je- nigen auß Bryehan angeklaget/ es wird jhm auch nach vielfaltiger geſchehener Exam ination das Vrtheil geſprochen/ daß er auff dem platz de la Groix du Tiroir lebendig ſoll geraͤdert werden/ ſein Geſell ader wird auff einen andern Tag gehalten. Als nun Foreſtier auff dem Richtplatz iſt/ da ſchweiget er ein zeitlang gantz ſtill/ gedencket an ſein boͤſes gefuͤhrtes Leben/ vnd an das gerechte Gericht Gottes/ wendet ſeine Augen zu dem vmbſtehenden Volck/ vnd fanget alſo an zu reden: Meine liebe Freunde/ Es iſt das auſſer allen zweiffel/ daß ich hiehero durch das gerechte Gericht GOttes kom- me: Dann eben dieſen Tag/ eben dieſe Stunde/ da jhr mich allhie an dieſem Ort ſehet/ hab ich jaͤm- merlicher weiſe ermordet die jenige/ die mich in jh- rem Leib hat getragen/ welches nun mehr fuͤr zwoͤlff Jahren iſt geſchehen: Eben zu dieſer Stunde hab ich nun mehr fuͤr zehen Jahren den Herꝛn Votris todt geſchlagen: Ich erkenne nunmehr/ daß kein Laſter vngeſtrafft kan bleiben/ Alle Suͤnde werden entweder bald oder langſam geſtraffet. GOtt al- lein weiß das jenige/ ſo ich hab begangen: Was den Edel-

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Zitationshilfe: Calvi, François de: Beutelschneider/ Oder Neue/ warhaffte/ und eigentliche Beschreibung Der Diebs Historien. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1627, S. 353[333]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/calvi_beutelschneider02_1627/343>, abgerufen am 29.04.2024.