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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780.

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wie lange würd' es dauern, daß du aller über-
standenen Noth, und der väterlichen Hülfe,
die dein lieber Gott bis hieher dir geleistet hat,
vergessen würdest? Wie bald würdest du über-
müthig, trozig, gottvergessen werden? Schrek-
lich! schreklich!" rief er aus und fiel auf seine
Knie, um Gott zu bitten, daß er ihn doch ja
vor diesem abscheulichen Undanke bewahren
mögte.

Noch stand er einige Minuten im tiefen
Nachdenken; dan faßte seine Sele folgende män-
liche und wahrhaftig heilsame Entschliessung:

"Ich wil, dacht' er, der neuen götlichen
Wohlthaten zwar geniessen; aber immer mit der
größten Mäßigkeit. Die einfachsten Speisen
sollen auch künftig meine Nahrung sein, so groß
und mannigfaltig mein Vorrath auch immer sein
mag. Meine Arbeiten wil ich eben so unver-
drossen und eben so ununterbrochen fortsezen, als
bisher, ohngeachtet sie nicht mehr eben so noth-
wendig sein werden. An einem Tage einer jeden
Woche, und dies sei der Sonnabend, wil ich
von eben den rohen Speisen leben, die mich bis

hie-
H

wie lange wuͤrd' es dauern, daß du aller uͤber-
ſtandenen Noth, und der vaͤterlichen Huͤlfe,
die dein lieber Gott bis hieher dir geleiſtet hat,
vergeſſen wuͤrdeſt? Wie bald wuͤrdeſt du uͤber-
muͤthig, trozig, gottvergeſſen werden? Schrek-
lich! ſchreklich!„ rief er aus und fiel auf ſeine
Knie, um Gott zu bitten, daß er ihn doch ja
vor dieſem abſcheulichen Undanke bewahren
moͤgte.

Noch ſtand er einige Minuten im tiefen
Nachdenken; dan faßte ſeine Sele folgende maͤn-
liche und wahrhaftig heilſame Entſchlieſſung:

„Ich wil, dacht' er, der neuen goͤtlichen
Wohlthaten zwar genieſſen; aber immer mit der
groͤßten Maͤßigkeit. Die einfachſten Speiſen
ſollen auch kuͤnftig meine Nahrung ſein, ſo groß
und mannigfaltig mein Vorrath auch immer ſein
mag. Meine Arbeiten wil ich eben ſo unver-
droſſen und eben ſo ununterbrochen fortſezen, als
bisher, ohngeachtet ſie nicht mehr eben ſo noth-
wendig ſein werden. An einem Tage einer jeden
Woche, und dies ſei der Sonnabend, wil ich
von eben den rohen Speiſen leben, die mich bis

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[113/0119] wie lange wuͤrd' es dauern, daß du aller uͤber- ſtandenen Noth, und der vaͤterlichen Huͤlfe, die dein lieber Gott bis hieher dir geleiſtet hat, vergeſſen wuͤrdeſt? Wie bald wuͤrdeſt du uͤber- muͤthig, trozig, gottvergeſſen werden? Schrek- lich! ſchreklich!„ rief er aus und fiel auf ſeine Knie, um Gott zu bitten, daß er ihn doch ja vor dieſem abſcheulichen Undanke bewahren moͤgte. Noch ſtand er einige Minuten im tiefen Nachdenken; dan faßte ſeine Sele folgende maͤn- liche und wahrhaftig heilſame Entſchlieſſung: „Ich wil, dacht' er, der neuen goͤtlichen Wohlthaten zwar genieſſen; aber immer mit der groͤßten Maͤßigkeit. Die einfachſten Speiſen ſollen auch kuͤnftig meine Nahrung ſein, ſo groß und mannigfaltig mein Vorrath auch immer ſein mag. Meine Arbeiten wil ich eben ſo unver- droſſen und eben ſo ununterbrochen fortſezen, als bisher, ohngeachtet ſie nicht mehr eben ſo noth- wendig ſein werden. An einem Tage einer jeden Woche, und dies ſei der Sonnabend, wil ich von eben den rohen Speiſen leben, die mich bis hie- H

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/119>, abgerufen am 30.04.2024.